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Rezension: Juliette Gréco - So bin ich eben.

Diese spannend zu lesende Autobiographie hat die 85 jährige, französische Intellektuelle, Chansonsängerin und Schauspielerin Juliette Gréco (7. Februar 1927) verfasst. Sie ist das Enkelkind einer begüterten Großmutter, in deren Haus sie gemeinsam mit ihrer Schwester ihre frühe Kindheit verbrachte. Juliettes Eltern trennten sich wenige Jahre nach ihrer Geburt rasch wieder. Ihre Mutter war eine engagierte Widerstandkämpferin, die wegen ihres Engagements von ihrer Tochter sehr bewundert wurde, aber Juliette litt an deren Kälte. Sie fühlte sich von ihr nicht angenommen.

Dieses komplizierte Mutterverhältnis hat sich auf all ihre Liebesbeziehungen, die sie später mit Männern und Frauen gleichermaßen pflegte, offensichtlich ausgewirkt. In Bezug auf ihre Mutter, über die man im Buch Erhellendes erfährt, schreibt sie resümierend: "Für die Frau, die sie war, hatte ich immer Respekt; aber keinen für die Mutter, die sie war, sie war meistens abwesend, trotzdem faszinierte sie mich", (Zitat. S.25). In den Schilderungen der Tochter wird deutlich, dass die Mutter auch dann, wenn sie sich im gleichen Raum wie Juliette aufhielt, diese nicht wahrnahm und niemals ein Wort des Trostes für sie fand.

Die Autorin berichtet von den Kriegsjahren, der Gefangenschaft ihrer Mutter, schließlich ihrer Schwester und auch von ihr selbst seitens der Gèstapo. Gréco wurde in der Gefangenschaft körperlich sehr misshandelt. Auch darüber berichtet sie und davon, dass ihre Mutter und ihre Schwester Charlotte Ende Januar 1944 gemeinsam mit tausenden anderer Frauen ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt und kurz darauf als Zwangsarbeiterinnen ausbeutet wurden. Die Mutter und die beiden Töchter überlebten trotz all der Qualen den Krieg. Das ersehnte Familienleben fand aber auch dann nicht statt.

Gréco schreibt, was sich in Paris unmittelbar nach der Befreiung ereignete und unterstreicht: "Seit meiner Zeit im Gefängnis mache ich mir über die menschliche Natur keine Illusionen mehr." (Zitat: S.55).

Man liest von ihren jungen Jahren in Saint-Germain-de Prés nach 1945 und wie es dazu kam, dass sie Schauspielerin und Chansonsängerin wurde. Saint-Germain-de Prés war das angesagte Viertel in Paris in der Nachkriegszeit. Hier versammelten sich die Intellektuellen, hier lebte man den Existentialismus, die neue Bewegung, die für Freiheit und Verantwortung steht.

Im Café Flore empfingen das Paar Sartre-Beauvoir junge Intellektuelle. Darüber schreibt Gréco sehr plastisch und über all die Menschen, die sie hier kennen lernte, nicht zuletzt auch berühmte amerikanische Jazzmusiker, unter ihnen Miles Davis, der ihr Geliebter wurde, (vgl.: S.74).

Jean Paul Sartre hat Juliette Gréco, die damals als Muse von Saint-Germain-de Prés galt, dazu überredet Chansons zu singen. Sie wählte die Texte, die er ihr zur Auswahl gab, mit viel Gespür für intellektuellen Tiefgang aus. Gréco war schon als junge Frau sehr belesen. In den schwierigen Zeiten waren es die Bücher, die sie forttrugen und ihr neue Welten eröffneten, (vgl.: S.56).

Es macht viel Freude ihre Charakterisierungen verschiedener Menschen zu lesen, so etwa im Hinblick auf Sartre, Miles Davis, Léo Ferré aber auch Jaques Brel, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verband und Serge Gainsbourg. Juliette Gréco ist eine gute Beobachterin und eine ebenso gute Analytikerin, das zeigen diese Charakterskizzen.

Die Texte ihrer Chansons sind teilweise in deutscher und französischer Sprache abgedruckt und in der Mitte des Buches hat man Gelegenheit, sehr schöne Fotos dieser hoch attraktiven Französin zu bewundern.

Gréco schreibt über ihre Musiker, ihre Textdichter, ihre Kollegen und Freunde, auch über ihre drei Ehemänner, zuallererst über den Vater ihrer Tochter, Philippe Lamaire. Sie trennt sich stets von ihren Männern und Liebhabern, wenn diese sie zu langweilen beginnen. Auch Michel Piccoli hat sie am Ende nur nur noch gelangweilt.

Die Autorin berichtet natürlich auch von ihren Filmen, die sie nicht nur in Frankreich drehte, berichtet von ihrer Beziehung zum Publikum, ihren Ritualen, dem Spiel mit ihrem Körper und wie sie mit ihrem Publikum bei Auftritten verschmilzt.

Gefallen haben mir ihre Gedanken zu ihrer persönlichen Freiheit und hier auch, dass sie nie in Geschlechtskategorien gedacht hat.

Ganz zum Schluss gibt sie den Lesern Einblick in das ABC ihres Lebens. Unter dem Buchstaben L findet sich auch der Begriff Lächeln. Juliette Greco definiert: "Ein Geschenk, das wir unseren Mitmenschen machen." Auf ihren Bildern lächelt sie sehr häufig und verdeutlicht damit, dass sie gerne schenkt. Das gelingt ihr deshalb so gut, weil sie ein wirklich freier Mensch ist.

Ein Buch einer interessanten und dabei klugen, schönen Frau, das ich sehr gerne empfehle.
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Rezension:Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste (Gebundene Ausgabe)

Autorin dieses reich bebilderten, farblich sehr edel gestalteten Buch ist die Journalistin Claudia Lafranconi. Sie hat übrigens Kunstgeschichte in Bonn, Rom und Florenz studiert.

 "Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste" wurde nach kulturhistorischen Kriterien untergliedert. Im Rahmen von insgesamt vier Kapiteln werden berühmte Gastgeberinnen und ihre speziellen Verhaltensmuster kurzweilig porträtiert. Dabei nehmen die Salonièren den Anfang, denen die Extravaganten, die Kreativen und die First Ladys folgen.

Die Salonièren, unter ihnen Berta Zuckerkandl und Elsie de Wolf, luden in ihre Wohnung Intellektuelle, Schauspieler, Politiker und Künstler ein, um sich über kulturelle Themen auszutauschen. Die Damen waren allesamt hochgebildet und beabsichtigten nicht nur auf diese Weise Einfluss auf Politik und Kultur auszuüben, sondern auch Literaten, Musikern und Künstlern eine Plattform für ihre Werke zu geben. Zum Wesen einer Salonière gehört, dass sie Hof hält, Gespräche dirigiert und Kontakte zwischen den Menschen knüpft. Zur Sprache gebracht wird Berta Zuckerkandl, Elsie de Wolfe, Emarald Cunard, Gertrud Stein und Alice B. Toklas, wie auch Marie-Laure de Noailles, die dies alles perfekt konnten.

 Die Extravaganten entsprachen nicht den Normen ihrer Zeit. Aufgrund ihrer extravaganten Ideen inspirierten sie aber Künstler, Modeschöpfer und Designer zu Hochleistungen und gingen als Trendsetterinnen ins 20.Jahrhundert ein. Im Fokus stehen hier: Alva Vanderbild, Marchesa Luisa Casati, Elsa Maxwell, Diana Vreeland und Sao Schlumberger.

Interessanter als die Extravaganten finde ich allerdings die Kreativen. Genannt werden: Dorothy Draper, Lady Diana Cooper, Frida Kahlo, Lee Miller und Adele Mailer. Diese Frauen sollen ihre Talente keineswegs bloß auf der Bühne, mit Pinsel und Palette oder mit der Kamera unter Beweis gestellt haben, sondern eben auch auf den Festen, die sie gaben und hier beim Eindecken, Dekorieren und bei der Zubereitung von Speisen

Zum Schluss dann werden die First Ladys in ihrer Funktion als Gastgeberin beleuchtet. Die Frauen, um die es hier dann geht, sind: Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein, Marie-Hélène de Rothschild, Jacqueline Kennedy und Isa Gräfin von Hardenberg.

Deutlich bei allen wird, dass eine Grundvoraussetzung dafür, um als gute Gastgeberin zu gelten, ein gerütteltes Maß an Bildung- dazu zählt auch Herzensbildung und die Fähigkeit sich zurückzunehmen gehört. Seinen Gästen muss zuhören können und man muss für ihr Wohl sorgen, ohne dabei aufdringlich zu sein. Unterhalten, überraschen und verwöhnen zählen zu den Hauptaufgaben einer guten Gastgeberin, doch sie sollte auch logistische Fähigkeiten besitzen und diese keineswegs nur durch eine durchdachte Sitzordnung zum Ausdruck bringen. Die Gastgeberin gibt nicht nur, sie gestaltet und organisiert auch.

 Dieses Buch zu lesen, hat Freude bereitet. Als Liebhaberin gelungener Fotos bin ich natürlich entzückt von den Aufnahmen, mittels denen man einen Eindruck von den textlich bestens porträtierten Gastgeberinnen enthält.

 Empfehlenswert.

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Rezension:Ein Jahr - ein Leben (Gebundene Ausgabe)

Am Mittwochabend, den 14.November 2012 werde ich im Literaturhaus Frankfurt die Schauspielerin Iris Berben und Christoph Amend, den Chefredakteur des ZEITmagazins, im Gespräch erleben. Diese beiden Personen haben sich ein Jahr lang regelmäßig getroffen. In gemeinsamen Gesprächen hat Berben Amend aus ihrem Alltag, von kommenden Plänen und alten Wünschen, von Erfolgen und Niederlagen, von prägenden Begegnungen und politischer Courage berichtet, fast das Literaturhaus in seiner Programmvorschau zusammen. Diese Gespräche sind im vorliegenden Buch nachzulesen.

Die Interviews habe ich am Wochenende studiert und habe nun eine Vorstellung davon, was diese schöne und dabei intelligente Frau seit vielen Jahren umtreibt.

 Mich haben weniger ihre Erfolge und Niederlagen interessiert, sondern mehr ihr Denken und ihre Empfindungen und hier nicht so sehr, im Hinblick auf ihr Alter, sondern eher, bei Fragen wie etwa: "Was bedeutet Ihnen Literatur?"

 Berben definiert auf sehr kenntnisreiche Art den Begriff "Rock 'n' Roll", der in ihren Augen für Gefühle steht, die man nicht kontrollieren kann, (vgl.: 72). Die Schauspielerin gesteht, dass sie in ihrem Beruf viel Kontrolle benötigt und aus diesem Grund pausenlos in Kontrolllosigkeit eintauchen möchte, (vgl.: S.73).

Interessant fand ich, dass Berben, obschon sie ja einen sehr engen und guten Kontakt zu ihrer Mutter pflegt, nie mit dieser über das Thema Nationalsozialismus gesprochen hat und auch nie über ihre Lesungen gegen das Vergessen des Holocaust. Wieso hat sie privat die Sprachlosigkeit diesbezüglich nicht überwinden können, in der sie groß wurde und die sie öffentlich offenbar ohne Probleme hinter sich gelassen hat?

 Es ist natürlich immer wieder interessant über ihre vielschichtigen Berufserfahrungen zu lesen, auch über ihre Charakterisierungen von Menschen, die ihr im Laufe ihres Lebens begegnet sind, so etwa Karl Lagerfeld, den sie vor mehr als zwei Jahrzehnten kennen lernte oder Peer Steinbrück, den sie schon 50 Jahre kennt.

 Im Hinblick auf Lagerfeld meint sie: "Ja, Ausnahmemenschen wie er saugen andere aus. Sie sind unendlich neugierig, voller Leidenschaft, unkonventionell, gierig, das gehört wohl dazu. Das Wort "vernünftig" würde mir bei ihnen jedenfalls nicht einfallen. Es ist ohnehin ein Wort, das vorherrscht, finden Sie nicht? " (Zitat: S. 110).

Der Sommermensch Iris Berben liebt den Kinderwinter und ganz einfache Zeitgenossen, die ihr aufrichtig entgegen kommen. Wer liebt solche Personen nicht? Kann man solche Menschen in der Gesellschaft, in der sie sich bewegt, finden? Sicher und zwar dann, wenn man sich wie Berben glaubhaft für Mitmenschlichkeit engagiert. Dann nämlich schwingt man mit dem Nicht-Oberflächlichen, begegnet Menschen, die man ansonsten eher übersieht.

 Berben hat Pascal Mercier gelesen. Das Buch hat sie tief berührt. Sie sagt, dass sie viele Antworten auf Fragen in Büchern gefunden habe und bei ihr jeder Autorenname, jedes Buch mit einer Erinnerung verknüpft sei, die sie begeistere, verstöre oder wütend mache. Es sei auch möglich, dass sie sich in einem Buch wiederfinde, (S. 131).

 Berben gibt zudem Auskunft über ihre Liebe zur Kunst. Ihr Zugang hierzu sei emotional. Sie berichtet über Bilder, die sie erworben hat, darunter solche von Elvira Bach. Zu diesen Werken zählt das Bild "Zweifel". Dieser Begriff, so sagt sie, sei ihr Lieblingswort. Das macht mir Iris Berben besonders sympathisch, denn Menschen, die zweifeln, sind  keine Rechthaber. Viel Sympathie habe ich für ihr Engagement im Hinblick auf die Juden. Dazu gehört auch heute noch Mut. Ich liebe Menschen, die Mut haben. Die Gespräche zeigen, dass diese Schauspielerin eine zutiefst nachdenkliche Frau ist, die ihren Bekanntheitsgrad für gute Zwecke nutzt. Berben ist keine Diva, sondern eine Persönlichkeit, der es gelungen ist, die Ideale der
68er Generation vielschichtig umzusetzen. Empfehlenswert. 

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Rezension: Frauen, die denken, sind gefährlich und stark (Gebundene Ausgabe)

Gut, dass der Titel des Buches nicht von einer Frau kreiert worden ist, sondern von dem promovierten Germanisten Stefan Bollmann, dem Autor dieser Kurzbiografien. Ich hätte diesen Titel nicht gewählt, weil ich ich davon überzeugt bin, dass nur kopflose Menschen (aufgrund ihrer Unberechenbarkeit) gefährlich sind

Dr. Bollmann porträtiert in fünf Kapiteln: Vordenkerinnen eines neuen Zeitalters, mutige Frauen in der Wissenschaft, Kämpferinnen für die Rechte der Frauen, rebellische Zeitzeuginnen und politisch mächtige Frauen. Insgesamt sind es 25 Kurzbiografien, die den Leser erwarten. Für gefährlich, wie schon erwähnt, halte ich keine dieser Damen, aber ich halte alle für hochbegabt und mutig

Den fünf Kapiteln geht ein Vorwort des Autors voraus, in dem das Konzept des Buches erläutert wird. Anschließend lernt man zunächst die Porträts über die Friedensforscherin Bertha von Suttner, die Psychoanalytikerin Lou Andreas Salomé, die Philosophin Ayn Myrdal, die Philosophin Simone de Beauvoir, die Anthropologin Magret Mead und die politische Theoretikerin Hannah Arendt kennen. Das sind lt. Dr. Bollmann Vordenkerinnen, deren Lebensgeschichten unauflösbar mit dem Ersten Weltkrieg verknüpft sind. Nicht unerwähnt lässt er, dass es nicht zuletzt die Analysen von Frauen wie Margret Mead und Simone de Beauvoir waren, die maßgeblich zur Liberalisierung unserer Lebensverhältnisse beitrugen.

 Besonders mutig waren wohl Marie Curie und Lise Meitner im Hinblick auf die Entdeckung der Radioaktivität, zwei Frauen, die ihren Begabungen gemäß agierten, trotz der Gefahren, denen sie sich aussetzten.

Über die Kämpferinnen für die Rechte der Frau hat man ja schon viel gelesen. Unter den im Buch thematisierten Personen befinden sich auch Olympe de Goughes und Emmeline Pankhurst. Dass auch all diese Frauen mutig waren, lässt sich nicht in Zweifel ziehen. Das gilt auch für rebellische Zeitzeuginnen, wie die von mir hochgeschätzte Susan Sonntag, die sehr gut porträtiert worden ist. Dies meine ich beurteilen zu können, weil ich mich mit deren Vita vor einigen Jahren ausführlich befasst habe.

Ich schätze Hannah Arendt besonders, die sich stark mit den Zusammenhängen von Antisemitismus, Faschismus und totalitärer Herrschaft auseinander setzte. Auf die "Banalität des Bösen", wie sie es nannte, antwortete sie mit einem Gegenentwurf einer Urteilskraft in weltbürgerlicher Absicht. Wie Dr. Bollmann so treffend formuliert, verband sie die alte Maxime der Aufklärung sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, mit einem Sinn für Pluralität, d.h. der Fähigkeit "sich an jeder Stelle jedes anderen denken" zu können, (vgl. S. 43). Ein solch philosophischer Ansatz entspricht meinem eigenen Denken.

 Dieses reich bebilderte Buch sollte man jungen Frauen in die Hand geben, damit ihnen bewusst wird, mit welchen Schwierigkeiten hochbegabte Frauen in vergangenen Zeiten zu kämpfen hatten. Vielleicht weiß man die eigene Freiheit besser zu würdigen, wenn man sich die Widerstände verdeutlicht, die leistungsstarken Frauen in vergangenen Zeiten entgegengebracht wurden.

Empfehlenswert.

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Rezension: Roger Willemsen- Momentum

"Immergrün blüht die Lyrik unter der Vegetation." (Roger Willemsen, S.53).

Erster Traum: "Im Traum liebe ich Ursula Andress in einem Einbaum. Zu beiden Seiten schwimmen die Elendsbauten eines südamerikanischen Dschungels vorbei. Zwischen den Hütten hat sich eine johlende Menge von Zuschauern versammelt, die uns anfeuert. Aber mir ist auf Ursula alles Gesicht und Becken und Bäume. Zwischendurch führt sie immer wieder geschäftliche Unterredungen am Telefon, macht aber weiter. Deshalb nehme ich trotzig ein Buch heraus und lese demonstrativ. Aus den Buchseiten aber quellen immer mehr Köpfe von Leuten, die rufen: Gut gemacht! Weiter so! Nicht nachlassen! Ich muss das Buch zuklappen und öffne die Augen im selben Augenblick, “ (S.123/124). 

Zweiter Traum: "Im Rausch war ich neulich zwei: ich und meine Frau. Ich legte den Kopf auf den Busen meiner Frau und sagte mir selbst, dass das angenehm sei. Später tötete ich Michel Foucault und fand beides gleich furchtbar: das ich ihn getötet hatte und das er tot war. Dann legte ich mich hin und träumte zweimal, ich sei in Gesellschaft mit nichts als einer Unterhose. Im Traum erschien mir das lässig. Erst an den Blicken der Gäste erkannte ich: war es nicht. Als ich den Traum zum zweiten Mal träumte, sah ich an mir herunter und dachte: Nicht schon wieder,"(S. 150) 

Ich möchte diese beiden Träume des Autors meiner Rezension bewusst voranstellen, weil sie sehr viel über ihn aussagen. Der Intellektuelle, der auf seinen vielen Reisen weltweit zahllose Eindrücke und Erfahrungen sammelte, beobachtet die Welt unvoreingenommen, lässt sie auf sich unbefangen in ihrer Gesamtheit wirken, schreibt Momente, die ihm spontan  in den Sinn kommen, nieder, ohne sich dabei vollständig zu entblößen. Er sieht und hört überall auf dieser Welt genau zu, ist achtsam und es bohren sich Sätze in seinen Kopf wie etwa jener: „Heute werde ich dich mit Gier genießen“ (S.135). Diese Sätze vergisst er nicht. Natürlich frage ich mich im Stillen, ob er den Satz in seinen Andress-Traum einst eingebunden hatte und uns Lesern ihn nun unterschlägt, aus den Gründen, die wir seinem zweiten Traum entnehmen können. 

Roger Willemsen macht in diesem Buch Spaziergänge durch seinen Kopf und lässt uns daran teilhaben. Eine Fülle kleiner Momentaufnahmen reiht er aneinander, ohne dass dabei wirklich klar wird, zu welchem Zeitpunkt er dies oder jenes erlebt hat. Dichtung und Wahrheit  stehen eng beieinander, wie stets bei Erinnerungen. All diese Momente führen ein quirliges Eigenleben in seinem Kopf, haben aus ihm den Mann gemacht, der er heute ist: viel jünger als die meisten seiner Altersgenossen, viel heiterer, weitaus kommunikativer. Das Kind in ihm ist nicht gestorben, das macht ihn so ungemein sympathisch. Sein Buch ist ein Beweis dafür, dass Weltoffenheit und Neugierde noch immer die Quellen des Jungbleibens für uns sein können. Das müssen wir uns alle bewusst machen. 

Der Geschichtenerzähler schreibt über seine Eindrücke, die er fast überall auf dieser Welt gesammelt hat, beschreibt die Bilder, die sich in seinen Kopf eingebrannt haben, betreibt Kunstbetrachtungen, schreibt über unzählige Orte und Menschen, die er dort überall traf, skizziert Dialoge, streift diskret seine Beziehungen, schreibt über all das, was ihn erkennbar für alle zum Leuchten bringt: seine Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen. 

Roger Willemsen ist ein wortreicher Mensch mit viel Poesie, der die ungezählten Augenblicke seines Lebens, keineswegs chronologisch aufgliedernd, in diesem Buch in bunten Sätzen wiedergibt, ohne das Gesehene zu sezieren. Er ist kein Chirurg, sondern ein kunstsinniger Mensch, der die Gegensätze der Welt durch seine Sprache harmonisch zusammenfügt und uns lehrt, unbefangen über die Vielfalt in dieser Welt zu staunen. 

Manchen Dingen steht er skeptisch gegenüber, niemals  aber der Liebe, gleichwohl  jedoch dauerhaften Beziehungen, wie es scheint. Für ihn gilt:“Glücklich wirken Paare  oft, wenn sie sich noch auf der Suche nach ihrer Zusammenhörigkeit befinden.“ (S.231). Eine gewisse Skepsis hat er gegenüber Städten, die nach seiner Ansicht auch aus Einsamkeit und Sehnsucht gebaut werden, (vgl.: S. 238). 

In seinen Lebensbetrachtungen „Momentum“ erwähnt der 57 jährige die Schlichtheit, die alte Menschen mitunter besitzen. Nicht selten würden sie in Sentenzen sprechen und ihre Erkenntnisse in einfachen Geschichten sammeln, (vgl.: S.311). Weshalb nicht in der Jugend des Alters mit dem Geschichtenerzählen beginnen und seine Leser noch 40 oder 50 Jahre damit erfreuen? Wer die ganze Welt gesehen hat, benötigt ein halbes Leben, um all die Eindrücke zu Papier zu bringen. Als Leserin  bin ich sehr neugierig, was noch kommen wird. 

Empfehlenswert.

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Rezension: Richard L. Brandt Mr. Amazon

Seit meiner Jugend bewundere ich zielstrebige, erfolgreiche Menschen. Dabei hat mich stets interessiert, wie diese Personen ticken. Festgestellt habe ich, dass wirklich erfolgreiche Menschen vieles gemeinsam haben, hauptsächlich den unverbrüchlichen Glauben an ihren Erfolg in einer Sache, selbst wenn der Weg steinig ist.

 Überragender Erfolg, wie jener von Jeff Bezos, dem Gründer von amazon.com, setzt Mut, überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft und ansteckenden Enthusiasmus voraus. Bezos hat offenbar eine Menge von allem, zudem verfügt er über brillante strategische Fähigkeiten. 

 Der Autor Richard L. Brandt porträtiert in seinem Text diesen hochintelligenten Amerikaner und in diesem Zusammenhang den Aufstieg von amazon.com. Da im Buch keine Bilder von Besoz zu finden sind, habe ich mir bei Google einen optischen Eindruck verschafft und war hocherfreut, einen gut gelaunten Menschen, der ganz offensichtlich gerne lacht, zu erblicken. Wer so vergnügt ist, erfüllt eine Grundvoraussetzung um kreativ zu sein.

 Im Buch erfährt man, dass Bezos mit einer außergewöhnlichen Konzentrationsfähigkeit gesegnet sein soll. Schon in jungen Jahren galt er als Bücherwurm und soll schon damals einen außerordentlichen Wettbewerbsgeist besessen haben. Er studierte in Princeton und schloss sein Studium mit Note 1 ab. 

 Ich möchte an dieser Stelle nicht die Einzelheiten seines Werdegangs nachzeichnen, um die Spannung beim Lesen nicht zu minimieren. Auf jeden Fall hat Bezos im Alter von 30 Jahren 1994 amazon.com gegründet. Im Vorfeld suchte er nach etwas, das sich nur im Internet machen ließ und in der physischen Welt nicht kopierbar war. Es waren Bücher, die er für sein Projekt fand, (vgl.: S.49). 

 Brandt nennt die einzelnen Kriterien, die für den Handelsfluss des künftigen Unternehmens im Internet notwendig waren. Nicht zuletzt musste eine Bücherbank erstellt werden und vieles andere mehr, um den Bestellservice für Bücher zu schaffen, der als Bestellort das Internet nutzte. Bezos machte einen Einführungskurs in den Buchhandel, nutzte seine Erfahrungen im Online-Einkauf und begann mit zwei Ingenieuren und seiner Frau in einer Garage die heutige Weltfirma aufzubauen. 

 Man liest, wie es zum Firmennamen kam und auch von der kostspieligen Investition in die Entwicklung der Software. Amazon startete mit einer Datenbank von mehr als einer Million Büchern. Man erfährt des Weiteren wie Bezos immer wieder Schwierigkeiten unterschiedlicher Art meisterte. Für ihn war von Anfang an klar, dass die Kundenbedürfnisse Priorität hatten. 

 Wie das Unternehmen allmählich wuchs, ist packend beschrieben und auch, dass die Firma stets auf strikte Kostenminimierung setzte. In den Anfangszeiten beantwortete Bezos übrigens Mails von Kunden mit Fragen, Anregungen und Beschwerden noch selbst. Interessant auch seine geniale Idee einen Teil der redaktionellen Arbeit an seine Kunden weiter zugeben. 

Das Vertrauen an die Urteilskraft seiner Kunden, beschenkte ihn mit immer neuen Kunden, die bei amazon.com Bücher kauften. 

 Sympathisch finde ich an Bezos u.a. , dass er bereit ist, neue Ideen anzunehmen, egal aus welcher Quelle sie stammen, (vgl.: S.88). Diese Eigenschaft wird ihm sein ganzes Leben Erfolg garantieren, sofern die Infokanäle zu ihm offen bleiben. 

 Man liest vom Aufbau der Website und von dem Mantra des schnellen Wachstums, liest auch davon, dass Besoz in seiner schnell wachsenden Firma nur die Besten rekrutierte. Des Weiteren erfährt man von seinen riesigen Investitionen. Bereits im Dezember 1999 wählte das "Time Magazin" ihn zur "Person des Jahres". Damals verkaufte er bereits 18 Millionen unterschiedliche Artikel über seine Website. 

 Es ging spannend weiter, nicht zuletzt auch durch sein Baby "Kindle" über das man auch viel Wissenswertes erfährt. Heute verkauft amazon.com weitaus mehr als nur Bücher. Um seine Erfolge wird Bezos natürlich beneidet und seine Konkurrenten gehen mit ihm nicht zimperlich um. Jeff Bezos ist heute einer der reichsten Manager der Welt. Er wurde es, weil er an seine Idee glaubte und weil für ihn sein Job niemals ein öder Alltag ist und seine Firma kein fertiges Produkt. 

Der gut gelaunte Mann wurde so erfolgreich, weil er immer wieder nach Sternen greift, diese anlacht und die Sterne ihm genau deswegen hold sind. Jeff Bezos schwingt mit den guten Sternen. 

 Empfehlenswert. 

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Rezension: Mick Jagger- Marc Spitz


Der Musikjournalist und Autor mehrerer Bücher Marc Spitz hat eine bemerkenswerte Biografie über Mick Jagger verfasst. Dabei ist es ihm gelungen, die vielen unterschiedlichen Facetten des nicht unproblematischen Wesens dieses Rockstars von gut bürgerlicher Herkunft herauszuarbeiten.

Bevor ich die Biografie las, habe ich mich in die vielen Schwarz-Weiß-Fotos im Buch vertieft, die 1960 ihren Anfang nehmen und vermuten lassen, dass das Leben dieses Mannes in den letzten 50 Jahren ziemlich ausschweifend gewesen sein muss, speziell wenn man sich die letzte Aufnahme, gewissermaßen das Ergebnis, realisiert 2011, des heute 69 jährigen vor Augen führt. Ich musste spontan an Dorian Gray denken. Und doch verlief das Leben Jaggers anders, war nicht primär von Savoir-vivre geprägt, sondern zuallererst von der absoluten Hingabe an die Musik, die unzählige Auftritte und Tourneen durch die ganze Welt mit sich brachten. Jagger blieb trotz all seiner spektakulären Auftritte letztlich der Sohn aus gutem Hause, der bestrebt war, Karriere zu machen und wusste, dass dies ohne Arbeit nicht möglich war.

Der Werdegang Jaggers wird bis ins Detail beschrieben und man erfährt alles über sein musikalisches Engagement, liest davon, dass Mick den Blues leben wollte und es wohl auch auf seine Art tat. Wie Sinatra und Holiday hat dieser Brite das perfekte Rhythmusgefühl von Beginn seiner Karriere an besessen. Jeder, der ihn tanzen sah, wird dies sofort bestätigen. Man liest von den Anfängen der Band, von der engen Freundschaft zwischen Keith und Mick und auch davon, weshalb nicht Brian Jones, sondern Jagger zum Star avancierte.

Frauen spielten im Leben Jaggers und in seiner Karriere eine nicht unwesentliche Rolle. Stets zur entscheidenden Zeit hatte Mick die entscheidenden Beziehungen, beginnend mit Chrissie Shrimpton, fortfahrend mit Marianne Faithfull, Bianca Jagger und so weiter und so fort. Vermutlich ging er in seiner Frauenwahl nicht berechnend vor, sondern er hatte einfach nur Fortune.

Jagger, der Songschreiber, Sänger und Musiker vermochte sich wie kein anderer in den Zeitgeist der 68er Jahre einzufühlen, ihn rhythmisch umzusetzen. Dies ließ ihn schon früh zur lebenden Legende werden.

Nach wie vor soll Mick Jagger eine Menge Ideen haben und auch genügend Energie sie umzusetzen. Das klingt vielversprechend. Harren wir also der Dinge, die da kommen.

Empfehlenswert. 

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Rezension:Lebenslauf (Gebundene Ausgabe) - Alice Schwarzer

An dieser Biographie habe ich viele Wochen lang gelesen und mich an mancherlei erinnert, was in punkto fortschreitendem Feminismus in den letzten Jahrzehnten für viel Aufregung sorgte. Ich war nicht immer einer Meinung mit den Positionen Alice Schwarzers, so etwa was die Bilder Helmut Newtons anbelangt. Möglicherweise bin ich in dieser Hinsicht zu blauäugig. Wie liberal dürfen wir sein?

Natürlich habe ich mir voller Neugierde zunächst die vielen Privatbilder im Buch angesehen. Alice war eine attraktive junge Frau. Ein Männertyp mit einem gutaussehenden, intelligenten Franzosen an ihrer Seite. Frauen ihres Typs sind in jenen Tagen eigentlich nicht auf die Barrikaden gegangen. Warum auch? Sie bekamen von Männern doch die Welt zu Füßen gelegt? So jedenfalls die landläufige Meinung.

Hatte Alice Schwarzer von Anfang an eine Mission oder entwickelte sie sich allmählich zu der Frau, die wir heute alle kennen? Diese Frage erhoffte ich durch die Lektüre des Buches beantwortet zu bekommen und bin diesbezüglich nicht enttäuscht worden.

Mit großem Interesse las ich von Schwarzers Kindheitseindrücken und ihrer Jugend. Der Weg als Journalistin war ihr nicht vorbestimmt. Sie besuchte die Handelsschule und war kaufmännisch tätig, wie so viele Mädels ihres Alters, aber sie besaß neben ihrer Intelligenz genügend Ehrgeiz einen Weg zu finden, auch ohne Abitur studieren zu können. In Frankreich ist dies möglich und so studierte sie vier Jahre hindurch Psychologie und Soziologie in Vincennes, nicht zuletzt auch bei Michel Foucault. Das Studium wird ihr bei ihren späteren gesellschaftspolitischen Betrachtungen sehr geholfen haben, war eventuell auch die Eintrittskarte für die Gesellschaftskreise, in denen sie sich später bewegte. Man kennt den akademischen Dünkel, der auch Franzosen nicht fremd ist. Waren ihre Freunde Sartre und Beauvoir von diesem Dünkel beseelt?

Schwarzer legte bei allem Intellektualismus immer Wert auf schicke Kleidung. Ein wenig eitel erwähnt sie dies, wenn auch verdeckt, immer wieder, wenn es um ihre jungen Jahre geht. Die Liebe zu hübschen Klamotten outet sie als Mensch, der um Attraktivität bemüht ist. Das macht sie mir zusätzlich sympathisch, weil sie mir zeigt, dass sie als Königin der Feministinnen, nie vergessen hat, dass sie stets eine Frau war mit entsprechenden Vorlieben. Geschminkt sein und ungeschminkt reden ist für sie kein Widerspruch. Kleingeistigkeit, die sich in gegenteiligen Forderungen oft schon ablesen kann, ist ihr fremd.

Ich möchte an dieser Stelle nicht das Buch nacherzählen. Gefragt habe ich mich natürlich wie groß der Einfluss Simone de Beauvoirs auf sie war und ob sie ohne diese Freundschaft möglichweise nicht zu einer Feministin, sondern eventuell zu einer Chefredakteurin bei "der Bunten" geworden wäre. Wie sehr werden wir im Laufe unseres Lebens durch andere geprägt? Was trieb Schwarzer zunächst an? Der Wunsch aus der Masse ihrer Geschlechtsgenossinnen herauszuragen oder der Wunsch ihren Geschlechtsgenossinnen zu helfen?

Dass sie uns allen geholfen hat, steht außer Zweifel. Sie schuf Bewusstsein in Sachen Schwangerschaftsabbruch und lässt trotzdem in ihrem Buch nicht unerwähnt, dass noch heute Abtreibung rechtswidrig ist, (vgl.: S.237). Sie schuf Bewusstsein durch ihr Buch "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen", das in zwölf Sprachen übersetzt wurde. Ich las es sofort, nachdem es veröffentlicht wurde und diskutierte den Inhalt mit Freundinnen. Schwarzer wurde zu unserem Vorbild, wenn es um freie Sexualität und die ökonomische Unabhängigkeit der Frau ging.

Ihre Karriere als Journalistin, Autorin und Verlegerin finde ich ebenso bewundernswert, wie ihr Engagement als Feministin. In ihren Betrachtungen ist sie immer noch am Puls der Zeit. Sie ist eine Selfmadewoman und als solche ein Vorbild. Ich habe die meisten ihrer Bücher gelesen und schätze ihren analytischen Verstand, der auch für die vorliegende Biographie bezeichnend ist.

Zudem liebe ich an ihr die heitere Gelassenheit, die sie auf all den Fotos und in Fernsehsendungen zum Ausdruck bringt. Als ich sie im letzten Jahr in Frankfurt auf der Buchmesse sah, wurde mir bewusst, dass es ihr Esprit ist, der sie so ungemein jung wirken lässt. Ihre Aura ist spürbar voller Jugend. Die Schützin wird dieses Jahr 70 Jahre alt. In ihrer Biographie zeigt sie, wie sie in den letzten Jahrzehnten die Pfeile aus ihrem Köcher mit viel Verstand einsetzte, um den alten Adam vom Thron zu holen. Es ist ihr gelungen. Adam lebt noch. Die Bewegung hat ihm gut getan. Er ist ein anderer geworden. Bravo, Alice Schwarzer!
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Rezension:Berühmte Paare der Weltgeschichte: 50 liebevolle Episoden (Gebundene Ausgabe)

Während ich dieses Buch las, hörte ich seit ganz langer Zeit mal wieder Chopins "Nocturnen" und ich höre sie auch jetzt, während ich dabei bin, eine Rezension zu "Berühmte Paare der Weltgeschichte" zu schreiben. Die Klänge passen einfach zu diesem Thema.


Christoph Nettersheim hat fünfzig sehr kurzweilig zu lesende Essays über besagte Paare verfasst und untergliedert diese in: Verführt- Gemeinsame Mission- Heiratspolitik - Ein Leben lang - Verbotene Liebe- Im Dreieck- Heiter bis stürmisch- Seelenverwandt- Künstler und ihre Musen- Gescheitert.

Im Blickpunkt dieses Buches stehen Paare, bei denen beide Beteiligten unabhängig voneinander einen gewissen Grad von Berühmtheit erlangt haben. Eine der Grundfragen ist die, welche Wege eine Liebe nimmt, wenn beide berühmt sind? Ganz unterschiedliche. So viel nur.

Es ist müßig jetzt auf alle 50 Liebespaare und ihre Freuden sowie Leiden einzugehen. Nicht immer war Liebe auf den ersten Blick im Spiel. Diesbezüglich fand ich den Essay zu Rainier II. von Monaco und Grace Kelly sehr bezeichnend, den der Autor nicht grundlos mit "Ich werde lernen, ihn zu lieben" betitelt. Gracia Patricia ging ein Arrangement ein. Sie traf eine perfekte Wahl, beim dem die Liebe kein Stimmrecht bekam. Sie ergab sich später. Funktioniert das wirklich?

Mein Lieblingsliebespaar Simone de Beauvoir und Jean -Paul Sartre sind auch aufgeführt. Sie schenkten sich alle Freiheit und wurden genau deshalb zu Liebenden, deren Verbindung unzerstörbar war. Diese Liebe, scheint mir die am schwersten zu lebende zu sein. Sie erfordert Disziplin und viel Kraft. Allein, das Ergebnis überzeugt.

Es hat mich gefreut, dass der Autor die Beziehung zwischen Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas nicht vergessen hat. Wilde verlor wegen dieser Liebe alles und starb im Alter von nur 46 Jahren mittellos in Paris. Wilde hätte ein würdigeres Pendant verdient als Bosie, der ihn in jeder Hinsicht ruinierte. Wilde ist in meinen Augen der größte Liebende von allen. Seine Nachsicht ist beispiellos.

Mit viel Interesse las ich den Essay über Gert Bastian und Petra Kelly. Die Grüne litt unter offenbar unter Panikattacken und vereinnahmte den wesentlich älteren General vollständig. Bastian machte der Beziehung ein Ende, indem er sie und sich erschoss. Abgrenzung, die endgültiger nicht sein kann.

Die Liebe zwischen Elisabeth Taylor und Richard Burton kommt zur Sprache, die meines Erachtens eine der intensivsten der im Buch vorgestellten Liebesbeziehungen war. Letztlich vermochten sie ihr Liebenspotential nicht auszuleben, weil ihre Egos zu groß waren.

Erwähnen möchte ich Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salome. Sie war 36 Jahre alt, hochintelligent, berühmt, schön und verheiratet, aber noch immer Jungfrau. Rilke war 21 Jahre alt, alles andere als ein Draufgänger. Er war sensibel, hochintelligent, unsterblich verliebt. Lou nahm ihn zum Bettgefährten und machte aus ihm den Dichter als den wir ihn heute kennen. Gewiss hat diese freiheitsliebende Lou Rilke wiedergeliebt, möglichweise auch deshalb, weil sie sich bei diesem Mann sicher sein konnte, dass er sie nicht vereinnahmte. Voneinander lassen konnten die beiden, die seelenverwandt waren, auch nach dem Ende der Beziehung nicht. Wie der Autor schreibt, hat die Freundschaft bis zu Rilkes Tod gehalten, obschon ihre Liebesbeziehung nur gut drei Jahre angedauert hat, sei es nicht vermessen zu sagen, dass Lou Andreas -Salomé der wichtigste Mensch im Leben von Rainer Maria Rilke war- und vielleicht umgekehrt auch. Das kann ich mir gut vorstellen.

Da ich Chopins Nocturnen soeben höre, will ich nicht unerwähnt lassen, dass auch er und seine Beziehung zu George Sand in Augenschein genommen werden. Diese Beziehung hielt neun Jahre und man weiß nur, dass es nach der Trennung von George mit ihm gesundheitlich bergab ging. Zwei Jahre später starb er. Geblieben ist die wundervolle Musik, die mich immer wieder sehr berührt und über die Liebe nachdenken lässt.
Am heftigsten nagen jene Liebesbeziehungen an uns, die nicht gelebt werden durften und die darauf warten in anderen Leben eventuell eine Chance zu erhalten. Man muss diese ungelebten Beziehungen verdrängen, um weiter leben zu können. Das klappt nicht an allen Tagen. Ein weites Feld.

Empfehlenswert.
 
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Rezension:Die Radikalität des Alters: Einsichten einer Psychoanalytikerin (Gebundene Ausgabe)

Die Autorin dieses beeindruckenden Buches ist die Psychoanalytikerin, Medizinerin und Autorin Margarete Mitscherlich-Nielsen, die Jahre 1917 geboren wurde und einst gemeinsam mit ihrem Mann das bahnbrechende Buch "Die Unfähigkeit zu trauern" schrieb.

Das Vorwort zum Buch hat Alice Schwarzer verfasst, die mit Frau Mitscherlich auch ein aufschlussreiches Interview realisierte, das man zum Ende des Buches lesen kann.

Das Buch ist in drei große Abschnitte eingeteilt. Im ersten Abschnitt, der den Titel "Herkommen" trägt, berichtet die Autorin von ihrer Kindheit, ihrer Jugend, ihrem Studium. Ihre Wahl Psychoanalytikerin zu werden, vereine viele Prägungen ihrer Kindheit und Jugend und ihr Interesse sowie Einsatz für die Frauenbewegung ebenfalls, so die große Dame der Psychoanalyse.

Mitscherlich berichtet von ihren Erfahrungen als Studentin in der NS-Zeit in Jena und Heidelberg und meint rückblickend, dass die Studentinnen damals kritischer waren als die Studenten, (vgl.: S.23). Sie stellt weiter fest, dass in den fünfziger und sechziger Jahren eine Neuaneignung psychoanalytischer Erkenntnisse stattfand, die in den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Barbarei verlorengegangen waren. In den 1950er Jahren vor allem wurde sie und ihr Mann Alexander Mitscherlich vom Aufbau eines psychoanalytischen Grundwissens in Anspruch genommen. Nach zahlreichen Diskussionen im In- und Ausland schrieben die beiden das eingangs bereits erwähnte Buch "Die Unfähigkeit zu trauern".

Sie schreibt vom Tode ihres Mannes im Jahre 1982 und lässt nicht unerwähnt, dass ihre gemeinsame, vor Jahrzehnten gestellte Diagnose einer Unfähigkeit zu trauern, an Aktualität nichts eingebüßt habe. Dennoch ist Mitscherlich davon überzeugt, dass sich mittlerweile viele Deutsche gegen eine Mentalität wehren, die blind und denkunfähig mache, die weder Freund noch Feind, Gegenwart oder Vergangenheit, realitätsgerecht wahrzunehmen vermag. Sie konstatiert, dass Vergessen und Verdrängen uns nicht befreie, auch keine Selbstgerechtigkeit im Umgang mit der Vergangenheitsbewältigung unserer Landsleute in den neuen Bundesländern. Sie gibt zu bedenken, dass wir dann, wenn wir Konflikte, die stets einen historischen Zusammenhang haben, in ihrer ganzen Kompliziertheit wahrzunehmen bereit seien, unser antiquiertes Denken aufgeben können und zu einem Neuanfang fähig sind. (vgl.: S. 39).

Die Autorin thematisiert u.a. die Medizin und den Antisemitismus in der NS-Zeit und meint, dass dieses Thema es notwendig mache, erneut darüber nachzudenken, ob und weshalb Ärzte im Nationalsozialismus und dessen Rassenwahn in besonders hoher Zahl verfielen. Dabei stellt sie fest, dass es Ärzten sicher nicht leicht fiel, nach einem totalen Krieg sich Scham und Schuld, dem Versagen oder der Pervertierung des eigenen Gewissens zu stellen und seiner Identifikation mit dem barbarischen System innezuwerden, ohne in Apathie oder Melancholie zu verfallen, (vgl.: S.50).

Mitscherlich schreibt von dem Zusammenhang zwischen dem autoritären Charakter der Deutschen und der Entwicklung zum Antisemitismus. Hier nämlich besteht ein enger Zusammenhang. Sie schreibt auch vom besessenen Forschungswahn von Ärzten, mit dem sie ihr narzisstisches Ich-Ideal befriedigten, das sie weit mehr beherrschte als die Fähigkeit, den Anderen als Objekt mitmenschlichen Mitleids zu sehen und sich in ihn einzufühlen, (vgl.:S. 58). Sie resümiert in dieser Beziehung, dass in der autoritätsgläubigen deutschen Gesellschaft mit ihrem Gehorsamsideal Erniedrigung an der Tagesordnung gewesen und Auflehnung undenkbar gewesen sei. Je stärker der Zwang zum Gehorsam, desto heftiger allerdings sei die untergründige Aggression, die jedoch aus Strafangst mithilfe der Idealisierung der Autorität abgewehrt werde, (vgl.S.6o).

Mitscherlich unterstreicht, dass der Jude in der NS-Zeit endgültig als Hauptfeind der germanischen Rasse ausgemacht worden sei. Den Mut zu haben, ihn zu vernichten, war die "höchste Tugend" und "deutsche Pflicht". Die Psychoanalytikerin mahnt an uns an, uns mit unserer Gefühlswelt so aufrichtig wie möglich auseinanderzusetzen und auf diese Weise die starre Neigung zur Vorurteilsbildung und den damit verbundenen Wiederholungszwang zu durchbrechen, (vgl.: S.61).

Die Autorin thematisiert in der Folge weitere Arbeitsfelder ihres Lebens als Psychoanalytikerin, schreibt über die androgyne und gynandrine Entwicklung der Geschlechter, von denen sie hofft, dass diese ihnen eine geschwisterliche Beziehung ermöglicht, ohne dabei asexuell zu sein.

Mitscherlich schreibt auch über ihre Auffassung Sexualität in der Psychotherapie und denkt über männliche und weibliche Werte nach. Sie geht davon aus, dass Verhaltensweisen, die bislang nur Männern erlaubt waren, wie etwa Durchsetzungsfähigkeit, Selbstbewusstsein, Freude am Erfolg, Erotik der Macht, von Frauen übernommen, das Leben beider Geschlechter verändern und die Gesellschaft kreativ beeinflussen können und sie von einer erstarrten weiblichen oder männlichen Identität befreien vermögen, (vgl.: S.139).

Zum Thema Emanzipation stellt Mitscherlich auch viele Überlegungen an. Hier warnt sie vor neuen Zwängen, die entstehen können und gibt zu bedenken, dass auch kindliche Egoismen und unaufgelöste Trotzverhältnisse dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu Grunde liegen können. Angst vor Emanzipation ist immer Angst vor eigenständigem Denken. Sich über den Nutzen und den Nachteil der Idealisierung, wie auch der Emanzipation oder der psychoanalytischen Identität Gedanken zu machen, bedinge, sich dessen bewusst zu sein, dass es sich um ein weites, von vielen Dichtern, Denkern, Forschern kontrovers beackertes Feld handele, (vgl.: S.163).

Mitscherlich schreibt reflektiert in ihrem Buch auch das Phänomen des Friedens und gibt zu bedenken, dass die Eltern unendlich viel zum Frieden beitragen können. Sofern Eltern die Fähigkeit fördern, dass Kinder Distanz zu sich selbst gewinnen und den Standpunkt des anderen mit einbeziehen, verfallen Kinder nicht so rasch in Zustände der Aggression und Gewalt, (vgl.: S.175).

Die Autorin schreibt zum Schluss des Buches auch darüber, dass sich der Lebenssinn und das Lebenswerk im Laufe der Jahre verändern können, sich gegenseitig beeinflussen und von Zufall und Schicksal nicht verschont blieben. Am Beispiel ihres Lebens, über das sie in diesem Zusammenhang berichtet, wird das deutlich. Sie hält es für unsinnig, nach dem Sinn und Wert eines Lebens zu fragen und meint hingegen, dass ein zentrales menschliches Bedürfnis darin liege, uns selbst zu erkennen. Bewusst müsse uns werden, dass Einfühlungs- und Liebesfähigkeit davon abhängig sei, ob wir lernen, den anderen als anderen wahrzunehmen und das Eigene entsprechend zu achten oder ob wir gerade durch das andere des anderen neuen Sinn erkennen können, (vgl.: S.210).

Mitscherlichs Ziel bis zu ihrem Lebensende besteht darin, sich festliche Augenblicke zu verschaffen und nie zu vergessen, dass es solche Augenblicke immer wieder zu geben vermag und von ihr abhänge, ob sie verstehe, diese zu erkennen, diese zu erschaffen und zu genießen, (vgl.: S.239).

Im Anschluss an das lesenswerte Interview mit Alice Schwarzer fragt die Feministin die 93 jährige Margarete Mitscherlich:

"Wie machen wir es, Margarete- soll ich dir den Text zur Abstimmung schicken?"
Frau Mitscherlich antwortet:
"Du kannst ihn mailen. Ich maile ja auch immer mit meinen Enkeln."
Ein Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.

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Rezension:Heinrich von Kleist: Die Biographie (Gebundene Ausgabe)

War Kleist eventuell schwer traumatisiert durch seine Erlebnisse auf den Schlachtfeldern? Waren diese gar der Auslöser für seine Todessehnsucht?

Vor geraumer Zeit habe ich einen Film über Kleist gesehen, den ich allerdings noch nicht rezensiert habe. Dieser Film veranlasste mich nun endlich doch Günter Blambergers Biographie über diesen deutschen Dichter zu lesen. Die meisten von Kleists Werken kenne ich, zu einigen habe ich Rezensionen auf Amazon verfasst. Nicht wirklich bewusst war mir allerdings dessen extreme Todessehnsucht.

Im Gegensatz zum Film beginnt der Autor das Leben Kleists nicht vom Selbstmord her aufzurollen. Dies hat den Vorteil, dass man von der Kleist`schen Psyche nicht sofort geplättet wird und das Buch auch nicht sogleich zur Seite legt, weil man das Depressive aus Furcht vor Ansteckung scheut.


Ausführlich lernt man das Leben und Wirken des in Frankfurt an der Oder geborenen Schriftstellers Heinrich von Kleist (1877-1811) kennen, liest von seiner Herkunft- er war der Sohn eines preußischen Hauptmanns, und gehörte einem pommerschen Adelsgeschlecht an. Schwermut scheint in der Familie genetisch bedingt gewesen zu sein, denn auch sein Vetter beging Selbstmord. Mit diesem Vetter wurde er als Knabe gemeinsam unterrichtet.


Über seine Militärlaufbahn liest man. Am 1. Juni 1792 rückte er als Gefreiter des Potsdamer Garderegiments Nr. 15 ein und nahm am Rheinfeldzug teil. Er quittierte den Dienst, studierte Jura und brach ab. Man wird über seine sogenannte Kantkrise informiert, die dazu führte, dass sein rationalistisches Weltbild zerbrach und liest auch von der dann folgenden Hinwendung zum Subjektivismus und Irrationalismus, die sich darin äußerte, dass Kleist sich von der Wissenschaft ab- und der Dichtung zuwandte.


Die einzelnen Stationen von Kleists Leben leuchtet Blamberger facettenreich aus und man hat Gelegenheit viel Wissenswertes über seine Werke in Erfahrung zu bringen.


Ob der melancholische Kleist, der sein Leben lang mit dem Todesgedanken spielte, sein Leben im Schreiben tatsächlich verfehlt glaubte, sei dahin gestellt. Vielleicht ging es ihm bei seinem Selbstmordprojekt tatsächlich ab einem gewissen Zeitpunkt um seinen Nachruhm, wobei ich aber fast meine, dass seine Eindrücke auf den Schlachtfeldern seine Todessehnsüchte hervorgerufen haben. Vermutlich war der sensible Kleist sein Leben lang schwer traumatisiert. Eine Therapie hätte ihm gut getan. Sie hätte seine Lebensumstände sicher positiv verändert.


Ein Buch, das sich zu lesen lohnt.

Empfehlenswert.

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Rezensionen:Luise Rinser: Ein Leben in Widersprüchen (Gebundene Ausgabe)

Jose Sanchez de Murillo hat eine bemerkenswerte Biographie über die deutsche Schriftstellerin Luise Rinser (1910- 2002) geschrieben. Die Lebensbeschreibung untergliedert er in fünf Kapitel. Diese lauten:
-Kindheit und Jugend in den Zeiten des Umbruchs. 1910-10029

-Im Chaos der Nazizeit. 1930-1945

-Literarischer Durchbruch im zerstörten Deutschland. 1945-1948

-Die Pein der Heimatlosigkeit. 1959-1995

-Rückzug ins Schweigen. 1995-2002

Rinser spielte über ein halbes Jahrhundert als Integrationsfigur und moralische Instanz eine wichtige Rolle in der deutschen Gesellschaft, lässt uns der Autor dieses Buches wissen und begründet diese Aussage durch seine Biographie auch glaubhaft. Zudem macht er neugierig auf die Werke dieser Autorin, die für Menschen meiner Generation in den 1970ern und 1980ern geradezu ein Lesemuss waren.

Die einzelnen Stationen ihres Lebens werden detailliert beschrieben, müßig sie hier nachzuerzählen. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle Ihre Verhaftung im Oktober 1944 seitens der Nazis zu erwähnen. Sie wurde aufgrund so genannter "Wehrkraftzersetzung" denunziert und schildert ihre Eindrücke in ihrem "Gefängnistagebuch" von 1946. Meines Erachtens ist diese Zeit das Schlüsselerlebnis für ihr weiteres Leben, Schreiben und politisches Engagement.

Man liest von ihren Kontakten zu anderen Schriftstellern wie Hermann Hesse und Ernst Jünger, ihren Ehen, ihren Kindern und ihren Freundschaften, so nicht zuletzt mit dem Philosophen Jose Sanches de Murillo, dem Autor der Biographie, der aufgrund seiner Nähe zu dieser Schriftstellerin viel Erhellendes den Lesern offenbart, dass die Widersprüche im Leben Rinsers begreifbar macht.

Der Autor geht auf viele ihrer Werke ein, auch auf ihr politisches und humanitäres Engagement bis zu ihrem Lebensende und ihre Auseinandersetzung mit religiösen Fragen, aber auch die widersprüchlichen Seiten Rinsers bleiben nicht ausgespart, wie ich bereits erwähnte. Doch lesen Sie bitte selbst und bilden sich auf diese Weise eine Meinung, besonders wie man ihre Haltung während der NS-Zeit vor ihrer Inhaftierung zu werten hat. Diesbezüglich möchte ich nicht vorweggreifen.

Empfehlenswert.

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Rezension: Papierküsse: Briefe eines jüdischen Vaters aus der Haft 1942/43 (Gebundene Ausgabe)

 Dieses Buch enthält 24 Briefe und zwei Postkarten sowie die Biografie des ungarischen Architekten jüdischer Herkunft, Pali Meller (18.6.1902- 31.3.1943). Die Briefe schrieb Meller aus seiner dreizehn Monate andauernden Gefangenschaft im Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort hatten ihn die Nazis wegen eines gefälschten Herkunftsnachweises und wegen sogenannter "Rassenschande" inhaftiert. Insgesamt wurden mehr als 2000 jüdische und nichtjüdische Männer wegen sogenannter "Rassenschande" verurteilt. Das Strafmaß betrug zumeist zwischen einem Jahr Gefängnis und acht Jahren Zuchthaus. Dabei wurden jüdische wurden härter als deutsche Delinquenten bestraft. In einigen Fällen wurde auch eine Höchststrafe von bis zu 15 Jahren, Entmannung und sogar die Todesstrafe verhängt, (vgl.: S. 121).


Der hochgebildete, sehr liebevolle Vater zweier Kinder, des 11 jährigen Sohnes Paul und der 7 jährigen Tochter Barbara, die aus der Ehe mit seiner früh verstorbenen holländischen Ehefrau Petronella stammten, die katholisch war, wie auch die beiden Kinder, war von bürgerlicher Herkunft. Sein Vater war übrigens Zahnarzt.


Pali studierte in Wien, Stuttgart, Karlsruhe und Rom und wurde ein angesehener Architekt, der vor seiner Verhaftung bei Otto Barning in Berlin tätig war. Dorothea Zwirner berichtet in ihrer 29 Seiten umfassenden biographischen Skizze sehr einfühlsam vom große Bemühen dieses Vaters seine Kinder vor den Nazis zu schützen, indem er verheimlichte, dass er jüdischer Herkunft war. Schlussendlich wurde er, wie so viele Juden in Deutschland in jenen schlimmen Zeiten, denunziert und geriet in die Justizmühle des braunen Packs. Seine Haushälterin Franziska Schmitt nahm sich der Kinder an, währenddessen Pali aus der Haft heraus nur noch brieflich mit Paul und Barbara kommunizieren konnte.


In diesen Briefen offenbart er sich als liebevoller Vater, der mit viel Wärme und aufmunternden Worte seinen beiden Kindern Zuspruch schenkt. Beim Lesen und Schreiben motiviert er Paul und Babara subtil stets besser zu werden. Er tadelt sie an keiner Stelle, ermahnt sie nur ab und an leise, beispielsweise im Hinblick auf die korrekte Schreibweise von Worten etc., verpackt solche Mahnung aber stets mit Lob. Dieser überaus nachdenkliche Vater, der selbst in seinen dunkelsten Stunden sein positives Wesen nicht verliert, transportiert in den Briefen an seinen Kindern unendlich viel Liebe und Zuversicht. Diese Briefe berühren das Herz eines jeden Lesers.


Pali Meller zählt zu den rund 20 000 Justizgefangenen, die durch Mangelernährung, Vernachlässigung und Zwangsarbeit in der Nazizeit ums Leben gekommen sind. Er starb an Lungentuberkulose in der Haftanstalt Brandenburg-Görden im Alter von 41 Jahren. Ein Opfer der Nazis, denen das Wort Toleranz fremd war.


Liest man die Briefe dieses Mannes an seine Kinder, macht sich Empörung breit und man möchte laut aufschreien bei dem Gedanken an das, wozu die größenwahnsinnigen Nazis imstande waren.

Es ist wichtig immer wieder an die Menschenrechte und an Toleranz zu erinnern und Terror, wo auch immer er auf dieser Welt sich gerade zuzammenbraut, den Boden zu entziehen. Es ist wichtig sich mit dem Begriff Verantwortung jeden Tag erneut auseinanderzusetzen. Pali Meller besaß viel Verantwortung. Ihm und seiner Familie wurde großes Unrecht angetan.

Sehr empfehlenswert. Sollte zur Pflichtlektüre in Schulen werden.

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Rezension: Elizabeth II. - Ein Leben auf dem Thron. Ihr Erinnerungsalbum (Gebundene Ausgabe)

Mit diesem Erinnerungsfotoalbum möchte "The Royal Collection" das diamantene Thronjubiläum von Königin Elisabeth II. von England, der höchsten Repräsentantin Großbritanniens, würdigen.

Das Buch wird Fans der englischen Krone gewiss entzücken, denn es enthält eine Vielzahl von offiziellen aber auch privaten Fotos der Queen und zwar von ihrem Babyalter an bis zum heutigen Tage. Man lernt ihre Puppen kennen, auch Abbildungen von Originalbriefen, die sie als Kind und als Teenager schrieb und kann sich ihres Schmuckes und diverser Kleidern erfreuen, den sie zu bestimmten Anlässen getragen hat, denn dies alles ist abgebildet.


Die Fotos sind in chronologischer Reihenfolge abgelichtet und werden durch erklärende Texte ergänzt. Dass Elisabeth ein sehr hübsches Kind und ein ebenso hübsches junges Mädchen war, wird auf den Bildern deutlich. Sie war also eine Bilderbuchprinzessin. Das wird ihr von Kind an viel Neid eingebracht haben.

Man liest von ihrer Verlobung mit ihrem Cousin dritten Grades, Lieutenant Philip Mountbatten im Jahre 1947 und lernt ihren Verlobungsschmuck kennen, auch das Brautkleid und das Diamantdiadem ihrer Mutter, das sie anlässlich ihrer Hochzeit noch im gleichen Jahr trug.

Elisabeth mit liebevollem Blick auf ihren neugeborenen Sohn Prince Charles im Winter 1948 sowie diverse andere Familienbilder zeigen sie als eine gefühlvolle Frau, die später in den Hintergrund rückte, nachdem sie 1953 zur Königin von England gekrönt wurde. Jetzt musste sie vor allem Contenance wahren.

Über die Krönung erfährt man viel Wissenswertes. Man lernt die Insignien, die als "äußerer, sichtbarer Ausdruck der inneren geistigen Gnade" gelten, auf Fotos kennen und erlebt die Krönung, die damals geschätzte zwanzig Millionen Menschen im Fernsehen verfolgten.

Imposant sind die Bilder aus dem Jahre 1961. Damals stattete die Queen dem indischen Subkontinent ihren ersten Staatsbesuch ab. Abgelichtet ist sie auf dem Rücken eines prunkvoll geschmückten Elefanten.

Alle wichtigen Erlebnisse Elisabeths von 1926 bis zum Jahr 2012 werden visualisiert. Für jedes Jahr steht ein Blatt des Albums zur Verfügung.

Zurückhaltung ist erkennbar, wenn es um gemeinsame Fotos mit ihrer Schwiegertochter Diana geht. In gewisser Weise ist das verständlich.

Für Handtaschenfans ist das Buch eine wahre Fundgrube, denn Elisabeth wartet stets mit ausgesucht geschmackvollen Objekten auf.

Das Buch ist gelungen, denn die Texte sind keineswegs überzogen huldigend ausgefallen, aber sie zeugen von großem Respekt für diese Frau, die es im Leben gewiss nicht einfach hatte. Man soll sich vom Pomp nicht blenden lassen und sich klar machen, dass dort wo viel Licht erstrahlt, bekanntermaßen auch der Schatten kein geringer ist. Die Sentenz der Queen, die ich in die Kopfzeile gesetzt habe, spricht diesbezüglich Bände.

Bedenkt man, dass diese Frau, die am 21.4.2012 sechundachtzig alt wird, noch immer als oberste Repräsentantin Großbritanniens weltweit tätig ist und sich bemüht, stets diszipliniert die Contenance zu wahren, obschon eine Meute von neidischen Schreiberlingen ihr pausenlos Fehler nachweisen möchte und sie Verletzungen nicht zeigen darf, um die Würde des Königshauses zu wahren, dann ahnt man die Demut dieser Frau und ihre innere Größe.

Man sollte ihr mit etwas Nachsicht begegnen, denn sie ist ein Mensch, die ihren Job wirklich gut macht.

Empfehlenswert.

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Rezension:Der Fall Selpin: Die Chronik einer Denunziation (Gebundene Ausgabe)

Vor einigen Tagen habe ich mich auf dieser Plattform zum Tun von Denunzianten in Bezug auf Sophie Scholl geäußert. In diesem Zusammenhang las ich in der Folge Friedemann Beyers vorliegendes Buch "Der Fall Selpin"- Chronik einer Denunziation.

Zu Ende des Buches findet man folgende Gedanken, die ich für so wichtig erachte, dass ich sie an dieser Stelle zitieren möchte: "Die Neigung zur Denunziation findet sich überall dort, wo es im menschlichen Zusammenleben um Macht geht. Dabei verdrängen wir, wie dünn der Firnis unseres zivilisierten Verhaltens ist. Wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen."(....)"Wie gehen wir miteinander um? Wie tragfähig sind Beziehungen? Wem können wir (ver)trauen? Wie fair bleiben Menschen auch dann noch, wenn aus Zuneigung Hass wird? Diese Fragen stellen sich, in wechselnden Zusammenhängen und unabhängig von politischen Rahmenbedingungen, täglich neu." (Zitat S. 210)

Dieser Schlussbetrachung Friedemann Beyers, dem ehemaligen Filmjournalisten und Fernsehredakteur und geschäftsführenden Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung stimme ich hundertprozentig zu. Über seine gestellten Fragen sollte man lange nachdenken und in Gesprächsrunden nach Antworten suchen.

Das Buch thematisiert das Leben des erfolgreichen Regisseurs Herbert Selpin, der aufgrund der Denunziation durch seinen Freund ins Mahlwerk der Nazibürokratie geriet, weil er so genannte "wehrkraftzersetzende Äußerungen" gemacht hatte. Bis heute ist unklar, ob Selpin sich aus Verzweiflung in seiner Zelle selbst erhängte oder ob Nazischergen ihn auf diese Weise hinterhältig ermordet haben.

Der Autor möchte mit seinem Buch historische Wahrheitsfindung betreiben. Was ihm gelingt, ist eine sehr gute Darstellung der Funktionsweise der Filmwelt in der braunen Zeit und eine Verdeutlichung dessen, dass Menschen in allen Zeiten stets analog handeln, wenn es um ihre Abgründe geht.

Die Kontrahenten in diesem Denunziationsdrama beschreibt der Autor wie folgt:

Selpin war ein Teamspieler von athletischem Körperbau, körperlich und mental durchtrainiert, impulsiv, emotional, angriffslustig, reaktionsschnell, risikofreudig, konfliktfähig, omipräsent (vgl.: S. 202).

Der Denunziant Walter Zerlett-Offenius hingegen war ein Mann von fragiler Gestalt, der unter psychosomatischen Beschwerden litt. Er war rachitisch veranlagt und Neurastheniker, ein Asket mit labilem Charakter, prinzipientreu bis zum Starrsinn, ein Pedant mit narzisstischem Ego, der sich dandyhaft stilisierte und an den selbst gesetzten oder an ihn herangetragenen Erwartungen nicht gerecht wurde, (vgl.: S.202).

Wie konnten Menschen, die so unterschiedlich waren, zunächst Freunde werden? Wie reagieren solche Freunde im Konfliktfall? Werden aus schwachen Menschen vom Schlage Zerletts leichter Denunzianten, weil sie sich letztlich immer an den Stärkeren hinterhältig aus Neid rächen möchten? Das sind Fragen, die mich seit der Lektüre des Buches umtreiben. Wie behutsam müssen wir mit schwachen Menschen umgehen? Wie schnell sind sie verletzt? Sind ihnen alle hinterhältigen Mittel recht, wenn sie sich rächen wollen?

Empfehlenswert.

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