An dieser Biographie habe ich viele Wochen lang gelesen und mich an mancherlei erinnert, was in punkto fortschreitendem Feminismus in den letzten Jahrzehnten für viel Aufregung sorgte. Ich war nicht immer einer Meinung mit den Positionen Alice Schwarzers, so etwa was die Bilder Helmut Newtons anbelangt. Möglicherweise bin ich in dieser Hinsicht zu blauäugig. Wie liberal dürfen wir sein?
Natürlich habe ich mir voller Neugierde zunächst die vielen Privatbilder im Buch angesehen. Alice war eine attraktive junge Frau. Ein Männertyp mit einem gutaussehenden, intelligenten Franzosen an ihrer Seite. Frauen ihres Typs sind in jenen Tagen eigentlich nicht auf die Barrikaden gegangen. Warum auch? Sie bekamen von Männern doch die Welt zu Füßen gelegt? So jedenfalls die landläufige Meinung.
Hatte Alice Schwarzer von Anfang an eine Mission oder entwickelte sie sich allmählich zu der Frau, die wir heute alle kennen? Diese Frage erhoffte ich durch die Lektüre des Buches beantwortet zu bekommen und bin diesbezüglich nicht enttäuscht worden.
Mit großem Interesse las ich von Schwarzers Kindheitseindrücken und ihrer Jugend. Der Weg als Journalistin war ihr nicht vorbestimmt. Sie besuchte die Handelsschule und war kaufmännisch tätig, wie so viele Mädels ihres Alters, aber sie besaß neben ihrer Intelligenz genügend Ehrgeiz einen Weg zu finden, auch ohne Abitur studieren zu können. In Frankreich ist dies möglich und so studierte sie vier Jahre hindurch Psychologie und Soziologie in Vincennes, nicht zuletzt auch bei Michel Foucault. Das Studium wird ihr bei ihren späteren gesellschaftspolitischen Betrachtungen sehr geholfen haben, war eventuell auch die Eintrittskarte für die Gesellschaftskreise, in denen sie sich später bewegte. Man kennt den akademischen Dünkel, der auch Franzosen nicht fremd ist. Waren ihre Freunde Sartre und Beauvoir von diesem Dünkel beseelt?
Schwarzer legte bei allem Intellektualismus immer Wert auf schicke Kleidung. Ein wenig eitel erwähnt sie dies, wenn auch verdeckt, immer wieder, wenn es um ihre jungen Jahre geht. Die Liebe zu hübschen Klamotten outet sie als Mensch, der um Attraktivität bemüht ist. Das macht sie mir zusätzlich sympathisch, weil sie mir zeigt, dass sie als Königin der Feministinnen, nie vergessen hat, dass sie stets eine Frau war mit entsprechenden Vorlieben. Geschminkt sein und ungeschminkt reden ist für sie kein Widerspruch. Kleingeistigkeit, die sich in gegenteiligen Forderungen oft schon ablesen kann, ist ihr fremd.
Ich möchte an dieser Stelle nicht das Buch nacherzählen. Gefragt habe ich mich natürlich wie groß der Einfluss Simone de Beauvoirs auf sie war und ob sie ohne diese Freundschaft möglichweise nicht zu einer Feministin, sondern eventuell zu einer Chefredakteurin bei "der Bunten" geworden wäre. Wie sehr werden wir im Laufe unseres Lebens durch andere geprägt? Was trieb Schwarzer zunächst an? Der Wunsch aus der Masse ihrer Geschlechtsgenossinnen herauszuragen oder der Wunsch ihren Geschlechtsgenossinnen zu helfen?
Dass sie uns allen geholfen hat, steht außer Zweifel. Sie schuf Bewusstsein in Sachen Schwangerschaftsabbruch und lässt trotzdem in ihrem Buch nicht unerwähnt, dass noch heute Abtreibung rechtswidrig ist, (vgl.: S.237). Sie schuf Bewusstsein durch ihr Buch "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen", das in zwölf Sprachen übersetzt wurde. Ich las es sofort, nachdem es veröffentlicht wurde und diskutierte den Inhalt mit Freundinnen. Schwarzer wurde zu unserem Vorbild, wenn es um freie Sexualität und die ökonomische Unabhängigkeit der Frau ging.
Ihre Karriere als Journalistin, Autorin und Verlegerin finde ich ebenso bewundernswert, wie ihr Engagement als Feministin. In ihren Betrachtungen ist sie immer noch am Puls der Zeit. Sie ist eine Selfmadewoman und als solche ein Vorbild. Ich habe die meisten ihrer Bücher gelesen und schätze ihren analytischen Verstand, der auch für die vorliegende Biographie bezeichnend ist.
Zudem liebe ich an ihr die heitere Gelassenheit, die sie auf all den Fotos und in Fernsehsendungen zum Ausdruck bringt. Als ich sie im letzten Jahr in Frankfurt auf der Buchmesse sah, wurde mir bewusst, dass es ihr Esprit ist, der sie so ungemein jung wirken lässt. Ihre Aura ist spürbar voller Jugend. Die Schützin wird dieses Jahr 70 Jahre alt. In ihrer Biographie zeigt sie, wie sie in den letzten Jahrzehnten die Pfeile aus ihrem Köcher mit viel Verstand einsetzte, um den alten Adam vom Thron zu holen. Es ist ihr gelungen. Adam lebt noch. Die Bewegung hat ihm gut getan. Er ist ein anderer geworden. Bravo, Alice Schwarzer!
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