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Rezension: My Love Story- Tina Turner - Die Autobiografie-Penguin

#Tina_Turner zählt mit zwölf Grammys und rund 200 Millionen verkauften Platten zu den erfolgreichsten Popmusikerinnen aller Zeiten. 2018 erhielt die fast 80 Jährige den Grammy "Lifetime Archievement Award". 

Das vorliegende Buch hat sie gemeinsam mit der US-Bestellerautorin Deborah Davis und dem deutschen Journalisten und Buchautor Dominik Wichmann verfasst. Hier berichtet sie ausführlich von ihrem Leben und Schaffen und zwar im Rahmen von 12 Kapiteln. 

Ihre unglücklichen Jahre mit dem Musiker und Psychopathen Ike Turner, mit dem sie einst verheiratet war, spart sie nicht aus. Mit ihm hat ihre Karriere begonnen, deren Preis  sehr hoch war. Sie erzählt unverblümt Episoden aus dieser Ehe und berichtet von Ikes Gewalttätigkeit und seiner Lust, sie zu demütigen. Das geschieht ohne Hass und sehr nachdenklich. Sie hat mit diesem Gewalttätigen abgeschlossen. Unverkennbar. Aus heutiger Sicht, schreibt sie, würde sie das Zusammenleben mit Ike als Farce bezeichnen, geprägt von Übergriffen und Angst anstelle von Liebe oder auch Zuneigung. 

Der Psychopath zerstörte damals ihr Selbstvertrauen und ließ Suizidgedanken in ihr aufkommen. Die übliche Methode bei Psychopathen. Zugleich aber wurden die beiden beruflich immer erfolgreicher. Überall in den USA gaben sie Konzerte und traten in beliebten Fernsehshows auf. 1971 wurde  "Proud Mary" ein Hit und kletterte auf Platz vier in der Pop Charts. Die Gewalttätigkeit Ikes wurde dessen ungeachtet immer schlimmer. 

Tina schreibt: "Er schüttete mir heißen Kaffee ins Gesicht, was Verbrennungen dritten Grades zur Folge hatte. Meine Nase benutzte er sooft als Punchingball, dass ich beim Singen mein Blut schmeckte. Er brach mir den Kiefer. Und ich wusste gar nicht mehr wie es ist kein blaues Auge zu haben. Er glaubte er würde auf diese Weise Macht über mich ausüben."

Der Gedemütigten halfen buddhistische Übungen, sich nicht aufzuregen und stark zu bleiben und sich schließlich von ihm zu trennen. Sie resümiert "Ich war nicht nur vor Ike davongelaufen. Ich war in ein neues Leben gelaufen. Mein neues Leben.

Damals war sie fast 40 Jahre alt und entschied alleine weiterzumachen. Noch wusste sie nicht wie aber sie wusste, dass sie unbeirrt ihren Weg weiter verfolgen würde. Wie steil ihr Aufstieg werden würde, zeigte ihre glänzende Zukunft. 

Hier erzählt sie von ihren Welterfolgen, ihren Auftritten mit David Bowie, auch mit Mick Jagger und anderen mehr. Je größer ihr Erfolg wurde, umso stiller wurde es um Ike. Und dann lernte sie schließlich Erwin Bach zufällig in Bern kennen, wo sie für "Private Dancer" Werbung machte. 

Der um 16 Jahre jüngere Mann wird die Liebe ihres Lebens. Daran hat sich in den letzten 32 Jahren offenbar nichts geändert. 

Tina Turner weiß wie man auf der Bühne Zehntausende von Menschen unterhält und berichtet wie sie das macht. In allem ist sie unglaublich offen und trotz allen Leides und schlimmer Krankheiten in spürbarer Weise fröhlich und ausgesprochen sympathisch. Genau das springt auf andere Menschen über, gleichgültig ob sie singt oder schreibt oder spricht. Man nimmt ihr inneres Licht wahr und freut sich, dass es Menschen wie Tina Turner gibt. Sie ist eine Hoffnungsträgerinnen, die es sich nicht leicht gemacht hat, erfolgreich zu sein.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Im Fachhandel erhältlich

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My Love Story: Die Autobiografie

Rezension: Vom Einfachen das Beste- Franz Keller- Westend

Franz Keller, der Autor dieses äußerst klugen Buches, zählt zu den renommiertesten Sterneköchen in Deutschland. Dass der Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann das Vorwort zu diesem Werk schrieb, wundert keinen, der je bei Franz Keller gespeist hat.

Den Leser erwartet auf den 240 Seiten ein Mix aus Lebenserinnerungen und Lebensphilosophie, daneben politische und gesellschaftliche Betrachtungen und eine Menge Sachwissen aus dem kulinarischen Bereich.

Franz Keller tut es in der Seele weh, wenn er den Niedergang unserer Ess- und Kochkultur in den letzten Jahrzehnten beobachtet. Ihm ist bewusst, dass wir dabei sind, unsere Zeit zum Kochen und für eine vernünftige Ernährung wegzurationalisieren. Dass dies Folgen hat, wird an den Kosten erkennbar, die aufgrund von falscher Ernährung für unser Gesundheitssystem anfallen. Mittlerweile nämlich betragen diese Kosten jährlich rund siebzehn Milliarden Euro.

Für den Spitzenkoch gehören Essensqualität und Lebensqualität zusammen. Deshalb auch hat ihn seine Vita zu dem gemacht, was er heute ist: ein Mensch, der durch seine Tätigkeit glaubhaft bekundet, wie ernst es ihm mit seinem Nein im Hinblick auf industrielle Nahrungsmittelproduktion ist, weil diese den Respekt vor Tieren und Pflanzen verloren hat und uns alle letztlich krank macht.

Der gebürtige Freiburger Autor erzählt von seiner Kindheit in den 1950er Jahren, wo er im elterlichen Betrieb mit den Tieren, den Reben, dem Boden in einem sehr überschaubaren, gut funktionierenden Verwertungskreislauf lebte. Das war damals nichts Ungewöhnliches.

Heute allerdings verbannen die meisten Menschen die Nutztiere aus ihrem Leben in riesige Zucht-, Mast- und Schlachtbetriebe. Dabei, so Keller, werden die Lebens- bzw. Produktionsbedingungen, die diese Tiere erleiden müssen, bewusst unserer Alltagswahrnehmung entzogen.

Man erfährt im vorliegenden Buch wie es einst zuging auf Schlachtfesten in Oberbergen am Kaiserstuhl, wo er seine Kindheit verbrachte und erkennt sehr rasch, dass es dem Autor gelungen ist, den Kreis zu schließen, der Erfahrungen aus all seinen Lebensperioden enthält.

Für den Sohn aus einem landwirtschaftlich angelegten Betrieb am  Kaiserstuhl und heutigen Besitzer des Falkenhofs im Taunus gilt: Ein Schwein muss zwei Winter gesehen haben und es darf fett werden, ansonsten ist es einfach nur eine arme Sau.

Franz Keller möchte mit seiner Publikation bewirken, dass die Leser anfangen nachzudenken. Dabei geht es ihm darum, dass wirklich jeder Einzelne ins Grübeln kommt und sich die Frage stellt: "Was kann ich tun, damit diese Welt wenigstens hier bei uns durch mein konkretes Handeln besser wird?"  Was das im Einzelnen bedeutet, kann man dem Buch entnehmen und sich auch klar machen, dass die Preispolitik bei Lebensmitteln nach wie vor von der Billigphilosophie bestimmt wird, jedoch nicht von der Qualitätsstrategie.

Der gebürtige Badener bezeichnet sich als Genussmensch und ist als solcher seit Jahrzehnten dem echten Genuss auf der Spur. Es ist ungemein spannend seine Vita kennenzulernen, zumal er offen über den Konflikt spricht, den er mit seinem erfolgreichen, aber leider ziemlich despotischen Vater hatte, wie so viele Söhne aus jener Zeit. Dass seine Mutter als erste Frau in Deutschland im Jahre 1969 mit einem Michelin-Stern für den "Schwarzen Adler" in  Oberbergen/Kaiserstuhl geehrt wurde und das, obschon sie niemals eine Kochlehre absolviert hatte, zeigt, dass die Gabe exzellent kochen zu können, offenbar bei Franz Keller genetisch bedingt ist.

Während er von seinem Vater, dem Winzer und Weinimporteur, viel über französische Weine erfahren hat, lernte er von seiner Mutter eine Menge Wissenswertes über das Kochen. Seine Kochlehre absolvierte er allerdings in der "Zähringer Burg" in Freiburg. Wie es dann weiterging und wie Franz Keller schließlich bei der Kochlegende Paul Bocus tätig werden konnte, was er von ihm erlernt hat und wie es dazu kam, dass er trotz seiner vielen Ehrungen als Küchenchef des "Schwarzen Adlers" in Oberbergen sich dazu entschied, ein eigenes Lokal in Köln zu eröffnen, zeigt,  dass man für Abnabelungen mitunter  einen hohen Preis zahlen muss. Doch die Freiheit gibt es nicht gratis, auch nicht für einen Spitzenkoch.

Franz Keller schreibt von seinen materiellen Schwierigkeiten in seinem Kölner 2 Sterne-Restaurant, sieht sich aber nicht als Opfer des geldschluckenden Spektakels, sondern als Mensch, der gelernt hat, den Wettstreit um die beste Küche als Wettstreit um Investoren und das beste Image in Frage zu stellen.

Der Höhen und Tiefen durchlebt habende Macher schreibt auch von seinen Erfahrungen auf der "Bühler Höhe", wo er als Küchenchef und Gastronomiedirektor der bestbezahlte Koch Europas war. Doch auch diese war nur eine Station zu weiteren Erkenntnissen bis er irgendwann zu Beginn der 1990er Jahre die "Adler Wirtschaft" in Hattenheim/Rheingau eröffnete und dem Sternenhimmel bewusst den Rücken zuwandte. Seit dieser Zeit stand für ihn neben Kochen und Betreuen der Gäste das Thema artgerechte Haltung und die Auswahl der Überwachung von Produzenten, Züchtern und Handel im Mittelpunkt.

Der Schritt vom Gastronom zum Bauern war nur logisch konsequent. Dabei besteht der Unterschied zwischen den Tieren von Franz Keller und denen aus der Massentierhaltung im Entwicklungs- und Reifeprozess. Das Fleisch vom Falkenhof gibt es nur in wenigen Restaurants und in der Adler Wirtschaft, die inzwischen Franz Kellers Sohn betreibt. 

Über den Falkenhof im Wispertal  liest man im letzten Teil des Buches viel Wissenwertes und hier auch wird Franz Keller in seinen Überlegungen besonders systemkritisch. Er spricht Klartext. Das zeigt welch ausgereifte Persönlichkeit er ist.

Zum Schluss gibt es noch einige gute Rezepte ohne die üblichen Hochglanz-Food-Fotos und hervorragende Betrachtungen auf dem Weg zu einer ehrlichen Küche. 

Bleibt festzuhalten: Dies ist ein sehr gutes, zum Nachdenken anregendes Buch, verfasst von einem  bewussten, lebensklugen  Menschen, der aufgrund von Eigenerfahrung und viel Sachwissen seinen Lesern wirklich Erhellendes vermitteln kann.

Maximal empfehlenswert.

Helga König

Überall im Fachhandel erhältlich


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Vom Einfachen das Beste: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden

Rezension Peter J. König: Über Mut, Verantwortung und Kraft der Träume-SCHIMON PERES-S. Fischer

Dieses äußerst lesenswerte Buch, erschienen im S. Fischer Verlag ist die letzte Publikation des Mannes, der wie kaum ein zweiter seine ganze Kraft, lebenslänglich für das Land Israel und seine Menschen eingesetzt hat,-#Schimon_Peres-. 

Gestorben im Jahre 2016 hat der 93jährige ein Leben mit vielen Entbehrungen, Enttäuschungen, aber überwiegend kaum vorstellbarer politischer Erfolge gelebt, das ihn vom einem kleinen Ort namens Wischnews im damaligen Polen, mehrfach in die höchsten Staatsämter im neu entstandenen Staat Israel geführt hat, anfänglich als engster Vertrauter und Mitarbeiter des Staatsgründers Ben Gurion. Zuvor war seine Familie 1934 nach Palästina ausgewandert, wo er unter sehr entbehrungsreichen Bedingungen in einem Kibbuz sowohl die Schule absolvierte, aber noch viel prägender das Leben in der Gemeinschaft auch unter der Bedrohung durch palästinensische Bauern erleben musste. Diese sahen in der Kibbuz-Bewegung den Verlust ihrer seit Jahrhunderten angestammten Heimat. 

Noch vor der Gründung des Staates Israel lernte er als Vertreter seines Kibbuz bei den regelmäßigen Treffen der zionistischen Bewegung den späteren Staatsgründer und Visionär Ben Gurion kennen, der in Perez auf Anhieb einen jungen, engagierten Gleichgesinnten sah, der sich ganz für die jüdische Sache einsetzte und wie er der Überzeugung war, dass die in Europa verfolgten Juden nur in einem neu zu gründenden jüdischen Staat ein neues Zuhause finden würden. Die Voraussetzungen dazu waren alles andere als sicher und praktikabel, da die Protektoratsmacht Großbritannien nicht bereit war ein selbstständiges Israel zu akzeptieren. 

In dieser Phase entstand der jüdische, militante Widerstand gegen die Briten in Palästina. Erst mit der Gründung des Staates und der Anerkennung durch die Vereinten Nationen haben die englischen Truppen das Land verlassen, worauf unmittelbar nach der Verkündung des jungen Israel ein erster Angriff der Nachbarstaaten Syrien, Jordanien und Ägypten erfolgte, der aber nicht das gewünschte Ziel erreichte, den Staat Israel von der Landkarte auszuradieren. 

Schimon Perez, der später Verwaltungswissenschaften an der Harvard Universität studiert hat, wurde gleich zu Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den arabischen Nachbarn von Ben Gurion mit der Verteidigung des Landes beauftragt, obwohl er nie eine militärische Ausbildung absolviert hat. Zuvor war er in die Knesset, dem israelischen Parlament gewählt worden, um dann schließlich im Jahre 1959 stellvertretender Verteidigungsminister zu werden. Gemäß seiner Grundeinstellung hat der begnadete Analytiker sich nie davor gescheut, auch die unmöglichsten Problemstellungen anzupacken, immer letztendlich von dem Gelingen überzeugt zu sein. 

Dies hat er in den immer wiederkehrenden, kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten bewiesen, aber noch viel entscheidender bei dem Versuch endlich Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Welche vielfältigen und fast aussichtslosen Bemühungen Perez dabei nicht gescheut hat, davon erzählt er selbst sehr ausführlich. Kein Politiker in Israel hat so viele Ministerämter inne gehabt, zumal Perez auch viermal Ministerpräsident des Landes war und schließlich mit über 80 Jahren auch noch Staatspräsident wurde. 1994 hat er den Friedensnobelpreis für die Aussöhnung um den Frieden in Nahost erhalten

Aber was viele nicht wissen, und davon erzählt Perez hier ganz im Detail, ist, dass er es war, der Israel von einem armen Agrarstaat zu einem weltweiten Zentrum von Hightech und Innovation gepusht hat, mit technischen Entwicklungen sowohl im militärischen, aber noch weitaus mehr im zivilen Bereich, sei es in Medizin- oder Robotertechnik, aber auch bei der künstlichen Intelligenz. Israel gilt heute als eines der führenden Länder in Sachen Startups, gleich hinter Silicon Valley. Auch hat Perez die Franzosen überzeugen können, dass sie ihr Wissen und ihr Können im Bereich nuklearer Kenntnisse mit Israel teilen, für zivile Zwecke, aber auch für die Entwicklung von Atombomben, was offiziell nie bestätigt wurde, aber was letztendlich zur atomaren Abschreckung geführt hat und höchstwahrscheinlich zum Überleben des Staates Israel.

Das Buch zeigt deutlich, Schimon Perez war ein ganz außergewöhnlicher Mensch, ein Mann von höchster Intelligenz und großem Weitblick, neugierig und allem Wissen zugetan, dabei aber auch ein echter Menschenfreund, der mehr als verlässlich war, sowohl in der Politik, als auch in seinem Privatleben, seiner Frau und seinen Kindern gegenüber, ebenso seinen Freunden, die er in einer großen Vielzahl besaß. Ohne diese wäre es kaum möglich gewesen, so viel in seinem politischen Leben zu bewegen. 

Wenn er auch nicht immer das Gewünschte erreicht hat, Israel hat ihm unendlich viel zu verdanken, obwohl sein größtes Ziel, das friedliche und gedeihliche Zusammenleben mit den arabischen Nachbarn nur zum Teil erreicht worden ist. Und was Schimon Perez nie von sich selbst gesagt hätte, seine Erzählungen hier über sein Leben zeigen es eindeutig, er war zweifelsohne eine der herausragendsten Persönlichkeiten der neueren Geschichte.

Sehr empfehlenswert

Peter J. König

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Mein Leben für Israel: Über Mut, Verantwortung und die Kraft der Träume

Rezension: Der Vorhang fiel- Lebenswege einer Künstlerin durch drei Diktaturen- Gerti Michaelis Rahr

Die mittlerweile 96 jährige Künstlerin Gerti Michaelis Rahr erzählt im vorliegenden Buch ihre ereignisreiche Lebensgeschichte. 1921 wurde sie in Stettin/Westpreußen geboren und lebt heute unweit von Leutkirch im Allgäu. 

Bereits als Kind erhielt die spätere Ballettmeisterin Tanzunterricht. Sie hatte Glück, denn ihr Vater war ein musikalisch veranlagter Mensch, wie sie schreibt und förderte ihre Begabung. Erzogen wurde sie liberal, besuchte – was damals für Mädchen noch unüblich war- das Gymnasium und engagierte sich im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen nicht im "Bund Deutscher Mädchen (BDM)" sondern hatte fast ausschließlich Ambitionen für ihre künstlerische Tätigkeit. 

Als 19 jährige verlegte sie ihren Wohnsitz nach Weimar, wo sie sich in der dortigen Musikhochschule als Gasthörerin eintrug. Ihr Theaterengagement am Weimarer Nationaltheater ließ es nicht zu, alle Fächer belegen zu können. Die Autorin berichtet davon, dass der konstant klassische Spielplan dort ein Höchstmaß an tänzerischer Technik und Ausdruck abverlangte. Dabei war das Weimarer Nationaltheater offenbar immer ausverkauft und das fünfundsiebzig Mann starke Staatsorchester beflügelte Gerti, zu bis dahin nicht gekannten Leistungen. 

Nicht unerwähnt lässt die Autorin, dass das Nationaltheater Weimar neben dem Nürnberger Opernhaus sowie der Bayreuther Oper zu Hitlers Lieblingsbühnen zählten. Trotz dieser Tatsache, sei er während ihrer Spielzeit in Weimar aber nicht aufgetaucht. Sie lernte allerdings eine Reihe anderer hochrangiger Nazis in Weimar kennen unter anderem die Frau des Lagerkommandanten von Buchenwald, die berüchtigte Ilse Koch-, deren dissoziale Persönlichkeit mehr als nur schockierend war. 

Gerti Michaelis Rahr erzählt von ihren Eindrücken damals,  auch von ihrer Zeit am Theater in Guben und vom Kennenlernen ihres ersten Mannes,  dem ungarischen Diplomaten Andreas Török von Szendrö, der zu diesem Zeitpunkt auf Schloss Bärenklau in Guben lebte, weil die ungarische Gesandtschaft und das Konsulat dort einige Räume angemietet hatte. 

Was zunächst ein wenig nach Märchen klingt, spitzt sich in der Folge allerdings immer mehr zu einem Drama zu, denn diese Liebesgeschichte war an viel Leid gebunden, das von außen auf die beiden einstürzte. Gerti musste wie all ihre weiblichen Theaterkolleginnen Ende des Krieges  in einer Munitionsfabrik arbeiten. Sie berichtet von der Grausamkeit der Nazis selbst kriegsgefangenen Kindern gegenüber und von der Drohung, die ihr widerfuhr, ins Arbeitslager geschickt zu werden, wenn sie weiterhin Mitgefühl gegenüber diesen Kindern an den Tag legen würde. 

Ihr weiteres Schicksal führt sie nach Berlin und von dort nach Dresden, wo ihre Mutter und ihre Schwester, die Bombennächte des Februars 1945 überlebt hatten. Die Autorin beschreibt, was sie in dieser zerstörten Stadt sieht, während sie ihre Angehörigen sucht.“Die Menschen (…) erstickten, verkohlten, schrumpften zusammen. Zum Teil konnte man erst nach Tagen die überhitzten Keller von außen öffnen und die Leichen auf den Trümmern überdeckten Straßen platzieren.Der Anblick brachte mich immer wieder an den Rand der Ohnmacht“. 

Ihre Mutter und ihre Schwester will Gerti in einem Häuschen außerhalb Berlins unterbringen. In Berlin üben mittlerweile die Tataren Rache dafür, was die Deutschen den Russen angetan hatten, vergewaltigen Frauen und verwüsten die Stadt.

Gerti, die einen gefälschten, ungarischen Pass besitzt und als Ehefrau von Andreas gilt, wird von den marodierenden Soldaten in Ruhe gelassen, doch wird sie nach Kriegsende mit ihrem späteren Ehemann in ein Internierungslager in die Nähe von Moskau verschleppt. 

An ein freies Leben und an Aufbau ist für sie nach der Kapitulation demnach nicht zu denken. Sie bangt erneut um ihre Zukunft. Auch von ihren Eindrücken damals und jenen, die sie später in Ungarn sammeln konnte, schreibt sie packend, sogar, dass man sie in Ungarn des Landesverrates verdächtigt hat. 

Die Herkunft ihres Mannes ist nun im kommunistisch gewordenen Ungarn alles andere als ein Vorteil.  Gerti, die 24 jährige, faktisch noch unverheiratete Künstlerin befindet sich in einem fremden Land, deren Sprache sie nicht spricht und berichtet, was sich dann in der Folge ereignet, schreibt von ihrer Eheschließung, von der Geburt ihrer beiden Kinder, den Schikanen der örtlichen Parteizentrale und ihrer Tätigkeit als Ballettmeisterin in Ungarn, die ihr einige schwierige Prüfungen abverlangte. Mit einer beachtlichen Dissertation in Französisch und Ungarisch erlangte die Künstlerin das Diplom "Pädagogin und Ballettmeisterin für klassisches Ballett und ungarischen Volkstanz", der dem Titel einer Professorin entsprach. 

Sie schreibt von ihrer erfolgreichen, beruflichen Tätigkeit, schreibt aber auch von den vielen Schattenseiten in ihrem Leben in Ungarn, dem Aufstand des ungarischen Volkes im Jahre 1956 gegen das kommunistische Regime und der Tatsache, dass es damals für sie und ihre Familie keine Fluchtmöglichkeiten gab. 

Erst 1963 kommt sie nach Deutschland zurück und wieder steht ihr und ihrer Familie ein Neuanfang ins Haus. Erneut sind die Herausforderungen riesig, erneut geht Gerti ihren Weg und lernt, nach dem Tode ihres Gatten, einen anderen Mann kennen, mit sie entspanntere Zeiten erlebt, die man beinahe als Ausgleich für das, was zuvor über sie hereingebrochen ist, begreifen könnte. 

Wann stehen Beziehungen unter einem guten einem guten Stern? Wenn man an Bürden, die man gemeinsam vom Schicksal auferlegt bekommt, wächst?  Oder doch eher, wenn man problemlos liebend, die Leichtigkeit des Seins genießen kann?

Dies ist ein äußerst spannend zu lesendes Buch von einer Frau, die sich aufgrund von politischen Unwägbarkeiten nicht unterkriegen ließ, sich selbst treu blieb, ihre Mitmenschlichkeit nicht verleugnete und sich nicht an Unrechtsregime anpasste, jedoch durch sie erfahren hat, wie inhuman Menschen sein können, wenn man ihnen Macht  gibt.

Sehr empfehlenswert

Helga König

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Der Vorhang fiel: Lebenswege einer Künstlerin durch drei Diktaturen

Rezension: Mit Wagemut und Wissensdurst- Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen- Felicitas von Aretin- Elisabeth Sandmann

Die Autorin dieses spannenden Buches in die Historikerin Dr. Felicitas von Aretin. Sie leitet die Pressestelle der Freien Universität Berlin, ist zudem im Bereich Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft tätig und verantwortet seit 2015 die Abteilung Medien und Kommunikation am Deutschen Jugendinstitut in München. 

Das Buch, in dem insgesamt 21 Frauen porträtiert werden, ist in fünf Kapitel untergliedert. Jedes Kapitel beginnt mit einem, es stets kurz erläuternden Vorspann, dem dann die entsprechenden biographischen Texte folgen, in die auch immer Fotos eingebunden sind. 

Die Kapitel lauten: 

Frauen drängen in Männerdomänen 
Pionierinnen der Naturwissenschaften 
Frauen in Kultur und Medien 
Im Einsatz für das Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft 
Selbstständige und Unternehmerinnen 

Im Vorspann des 1. Kapitels erfährt man sogleich, dass die erste Frau, die 1867 in Zürich das Medizinstudium mit einem Doktorgrad abschloss, eine Russin war und es die Russinnen gewesen sind, die letztlich auch für viele Deutsche und Schweizerinnen den Weg frei machten, um vor 1900 in der Schweiz zu studieren. Es waren die prestigeträchtigen Fächer wie Medizin, Jura, Architektur und Theologie, in denen der Widerstand gegen das Frauenstudium besonders groß war, deshalb wichen die Frauen in diesen Studiengängen auf Familienrecht, Innenarchitektur und Gynäkologie aus. 

Man lernt im ersten Kapitel drei Frauen kennen, die gegen den Strom geschwommen sind. Die Porträts hier nachzuzeichnen, würde bedeuten, die Neugierde zu schmälern. Das allerdings möchte ich nicht, dennoch werde ich zwei Frauen, die im Buch porträtiert sind,  stellvertretend für alle hier anführen. 

Marietta Blau war eine österreichische Physikerin, trotz ihrer Fähigkeiten wurde sie wegen des zunehmenden Antisemitismus nicht habilitiert. Sie schaffte es, am Tag des Einmarsches von Hitlers Truppen mit dem letzten Zug nach Oslo abzureisen und emigrierte 1944 in die USA, wo sie in der Industrie arbeitete und später dann Professorin wurde. Das Leben ging auch weiterhin sehr unfair mit ihr um. Sie erhielt nicht die ihr gebührende Wertschätzung durch einen Nobelpreis, sondern der Brite Cecil Powell wurde damit ausgezeichnet, obschon dessen Forschungen auf den Studien Blaus beruhten. Krank  und mit einer Minimalrente,  da sie als NS-Opfer nicht entschädigt wurde, starb sie vereinsamt und verarmt in Wien. Ihre Bedeutung für die Kernphysik wurde lange nicht anerkannt. 

Dann lernt man beispielsweise im 4. Kapitel die deutsche Psychoanalytikerin Frieda Fromm-Reichmann kennen, die von 1926- 1931 mit dem Soziologen Erich Fromm verheiratet war. Auch sie war Jüdin und musste 44 jährig in die USA emigrieren. Auch sie hatte es nicht einfach, obschon sie erfolgreich therapeutisch arbeitete, als Ausbildungsanalytikerin und Dozentin in New York und Washington forschte und als Supervisorin tätig war. Sie wurde von ihren Kollegen der klassischen Psychoanalyse angefeindet. Zudem wurde sie schwerhörig und dadurch schließlich ebenfalls sehr einsam. 

Deutlich wird, dass ohne  Mentor oder eine Mentorin an der Seite, es  kaum möglich war, sich  auf das Terrain von Männern zu begeben und  sich dort einen Namen zu machen.

Ein interessantes Buch, das auf Frauen aufmerksam macht, die ungeachtet aller Steine, die man ihnen in den Weg legte, ihren Weg zu gehen versuchten und sich vielleicht ein Stück Freiheit erkämpften, wenn auch fast immer zu einem hohen Preis.

Dass einige der Frauen sehr gute Netzwerkerinnen waren,  zeigt, dass sie erkannten,  wie notwendig bei allem Können Rückhalt ist, um Anfeindungen standzuhalten.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Mit Wagemut und Wissensdurst: Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen