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Rezension: Picassos Friseur- Monika Czernin, Melissa Müller- Diogenes

Die Autorinnen dieses spannend zu lesenden Buches sind Melissa Müller und Monika Czernin. Frau Müller, in Wien geboren, lebt heute als Schriftstellerin und Drehbuchautorin in München und hat bereits diverse Bestseller verfasst, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden sind. Monika Czernin, eine gebürtige Klagenfurterin, ist eine renommierte Filmemacherin und Autorin. Auch ihre Bücher sind Bestseller. Was noch? Die beiden Frauen haben bereits mehrere Dokumentarfilme gemeinsam realisiert. Das Vorwort zum Buch hat André Heller verfasst. 

Diese Doppelbiografie ist die Geschichte einer Freundschaft und zwar zwischen dem Ausnahmekünstler Pablo Picasso und Eugenio Arias, seinem Friseur.

Eugenio Arias hatte als Widerstandkämpfer im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft und nannte als ausgemachte Leseratte eine beachtliche Bibliothek sein Eigen. Gemeinsam war den beiden Freunden spanischer Herkunft die Liebe zum Stierkampf, die Liebe zur Freiheit und dem Frieden, für den beide sich - jeder auf seine Art- bewundernswert einbrachten. 

Man lernt Eugenio als warmherzigen, humorvollen, unbeirrbaren, unbestechlichen, gradlinigen Menschen voller Lebensfreude kennen, der genau deshalb eine Sonderstellung in Picassos Leben einnahm. Dieser liebte es, wenn sein Freundeskreis aus Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten bestand. Um seinen Tisch versammelten sich, so erfährt man, Intellektuelle, Künstler, Stierzüchter und Handwerker und dieser Personenkreis war auch um ihn herum beim Stierkampf.

Zu Eugenio verhielt Picasso sich generell anders, als zu seinen Frauen und sonstig engen Freunden, bei denen er nicht selten seinen Narzissmus auslebte und überaus verletzend sein konnte. 

Zwischen Arias und Pablo war Augenhöhe angesagt und dies hing damit zusammen, dass Eugenio seine Unabhängigkeit von Picasso schon früh durch sein selbstbewusstes Verhalten verdeutlichte. 

Ihr gemeinsames Interesse- der Stierkampf- ist eines der Hauptthemen des Buches, hier aber auch zu anderen Themen kann man immer wieder auch  Originaltexte- Erinnerungen Eugenios- lesen, die in die Texte der Autorinnen  geschickt eingeflochten sind und begreift  so die Freude der beiden an der Fiesta, die aus heutiger Sicht für Nicht-Spanier nicht nachvollziehbar ist. 

Man liest des Weiteren vom Spanischen Bürgerkrieg, der dazu führte, dass die Freunde ihr Heimatland verlassen mussten, wobei Picasso seinen "acte de résistance" von seinem sicheren Atelier aus führte, während Arias an vorderster Front kämpfte. Picasso begriff die "Kunst als Waffe des Angriffs und der Verteidigung gegen den Feind." Beide hatten sich unabhängig voneinander irgendwann zum Kommunismus bekannt, wobei ihre tiefe Bindung an die Heimat, ihre Sehnsucht nach einem demokratischen Spanien offenbar die unmittelbare Motivation gewesen sei, der Partei beizutreten. So wollten sie zeigen, dass sie sich gegen den Faschisten Franco positioniert hatten. 

Arias sei ein Sozialromantiker gewesen, dazu ein Alltagsphilosoph, der einem gedanklichen Gebilde fern jeglicher realsozialistischer Wirklichkeit anhing. Picassos Gedankengänge seien komplexer gewesen. Darüber liest man auch Wissenswertes. 

Spannend auch das Thema #Guernica. Am 26.4.1937 kostete der Angriff deutscher Flieger dort Hunderten von Menschen das Leben. Man erfährt mehr zu diesem Terroranschlag und zum "wichtigsten Bild der modernen Kunst". Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Arias als Hauptmann in Aragonien gegen Franco. 

Seite für Seite liest man mehr über das, was beide zu dem machte, was sie später waren, liest von den vielen Spaniern, die in Frankreich Zuflucht suchten, aber auch von den 10 000 Spaniern die nach Mauthausen deportiert wurden. 

Man erfährt von der tiefen Mitmenschlichkeit und Großzügigkeit Picassos, der mit den materiellen Erfolgen seiner Arbeit nicht geizte und spanischen Migranten half, wo er nur konnte. Der gesellige Maler soll aus dem Wechselspiel zwischen Geselligkeit und Einsamkeit seine Kraft und Kreativität gezogen, dabei aber wenig Zeit an die Alltäglichkeiten des Lebens verschwendet haben. 

Spannend über die Unterschiede in der Lebenseinstellung der beiden Freunde zu lesen, auch was die Liebe anbelangte. 

Arias lernte von Picasso sehen, liest man und auch, dass er keine Picasso-Ausstellung versäumte. Was sehen lernen im Sinne von Picasso bedeutet, liest man in Erinnerungen von Arias auf Seite 197. 

Dass Eugenio Arias seinem Freund zu Ehren nach dessen Tod ein Museum gewidmet hat, zeigt die Tiefe dieser Freundschaft. 

Ein beeindruckendes Buch, das in die Welt der Kunst führt und begreifbar macht wie facettenreich diese aber die Menschen, die sie schaffen, sein können.  Vor allem zeigt es, dass Freundschaft in Seelenverwandtschaft begründet liegt und viel mit gegenseitigem  Respekt und Wertschätzung zu tun hat.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König 

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