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Rezension: Wie sich Mileva Einstein Alberts Nobelpreisgeld sicherte- Anne-Kathrin Kilg-Meyer

Der Titel des gut geschriebenen Buches ist meines Erachtens nicht klug gewählt, weil der unbedarfte Leser den Eindruck erhält, Mileva Einstein sei eine raffsüchtige Frau gewesen. Das aber war sie keineswegs.

Verfasst hat das biographische Werk  Anne-Kathrin Kilg-Meyer. Sie ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familien- einschließlich Scheidungsrecht. Ihr Brotberuf mag der Grund dafür sein, dass sie das nicht einfache Leben Milevas im Buchtitel auf besagten materiellen Erfolg verdichtet. Ob sie Mileva Einstein damit ein Gefallen getan hat, möchte ich bezweifeln. 

Mileva Einstein war die Jugendliebe des Nobelpreisträgers Albert Einstein. Von Geburt an hatte sie ein Hüftleiden. Das Mädchen aus begütertem Hause war überdurchschnittlich intelligent und vielseitig begabt. Deshalb war es möglich, dass sie in einer Zeit, wo dies für Frauen eher unüblich war, Abitur machen und studieren konnte. 1896 begann sie ein Medizinstudium in Zürich, wechselte aber später an die Eidgenössische Technische Hochschule, um als einzige Frau ihres Jahrgangs Mathematik und Physik zu studieren. 

Hier lernte sie den um vier Jahre jüngeren Albert Einstein kennen. Beide verliebten sich ineinander. Als Studenten arbeiteten sie intensiv zusammen, aber im Gegensatz zu Albert Einstein bestand Mileva ihr Examen nicht. Offenbar hat es weder an Intelligenz noch Wissen gelegen, wie ihr späterer Mann bestätigte, sondern an der Frauenfeindlichkeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. 

Mileva wurde unehelich schwanger, gebar ein krankes Kind in ihrem Elternhaus fernab von Albert, der dieses Kind, das später starb, niemals sah. Das immer noch verliebte Paar heiratete wenig später und bekam zwei Söhne. 

Mileva und Albert hatten in den ersten Jahren ihre Ehe eine sehr enge Beziehung und forschten wissenschaftlich gemeinsam. Es muss für Mileva die Hölle gewesen sein als Albert sie wegen seiner Cousine Elsa verließ, um mit dieser Frau dann in Berlin zu leben. Wie geht ein Mensch mit einem solchen Vertrauensbruch, der sich weit über ein emotionales Aus erstreckt um?

Wie man erfährt, hungerte Mileva oft, um ihre Kinder gut versorgen zu können, arbeitete als Nachhilfelehrerin oder gab Musikunterricht. Albert Einstein zeigt sich ihr gegenüber in der Phase der Trennung als Mann, der in seiner  kühlen Sachlichkeit, die ihm als Schutzschild dient, ungeheuerlich und demütigend agiert. 

Wie es dazu kam, dass Mileva, die maßgeblich an Albert Einsteins Forschungen mitwirkte, das Preisgeld für den Nobelpreis erhielt, ist Thema des Buches, in dem auch deutlich wird, dass es ihr nicht um persönliche Bereicherung ging, sondern um die Absicherung ihrer beiden Söhne, um deren Erziehung sie sich erfolgreich aber auch rührend kümmerte. 

Empfehlenswert

Helga König

http://www.elisabeth-sandmann.de/

Überall im Buchhandel erhältlich

Rezension: Schauen Sie mal böse- Mario Adorf- Kiepenheuer & Witsch

Der Schauspieler Mario Adorf zählt zu jenen Menschen, die erst im fortgeschrittenen Alter optisch wirklich ausdrucksstark erscheinen und dann eine solch große Anziehungskraft an den Tag legen, wie sie in jungen Jahren noch nicht zu erahnen war.  Wie ist das möglich?

Das Leben prägt die Menschen optisch bekanntermaßen auf unterschiedliche Weise. Bewirken kann es Strahlkraft oder auch Leblosigkeit. Es ist die Seele, die das Äußere im Laufe der Jahre umformt und auf diese Weise auf das Denken und Handeln des Einzelnen reagiert.

In dem Buch "Schauen sie mal böse" erzählt der Schauspieler Mario Adorf Geschichten aus seinem Schauspielerleben. Adorf wird am 8.9.1930 85 Jahre alt, wurde in Zürich geboren und wuchs in der Eifel auf. Seit 1992 hat er nicht wenige Bücher veröffentlicht. Dies ist allerdings das erste, das ich rezensiere.

Mario Adorf trat im Laufe der letzten 60 Jahre in unzähligen Bühnenrollen und deutschen sowie internationalen Filmproduktionen auf. Ich selbst sah ihn auf der Bühne nur einmal und zwar bei den Nibelungenfestspielen in Worms im Jahre 2002. Damals mimte er auf beeindruckende Weise den alten Recken Hagen. Überzeugt hat er im jungen deutschen Film in der "Blechtrommel" und in der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum", aber auch im Fernsehvierteiler "Der große Bellheim".

Die Miniaturen zu seinem Leben im vorliegenden Buch beginnen in seiner Kindheit, fangen an mit ersten Erinnerungen, streifen die Nazizeit und erzählen dann von den Jahren als er Student war und wie es damals dazu kam, dass er Schauspieler aber auch Boxer wurde.

An seinem Beispiel wird  klar, dass großer Erfolg im Leben oftmals nicht geplant und manches, was man tut, einfach den Umständen geschuldet ist, so etwa das Boxen bei Adorf.  Dieser Autor ist kein Storyteller, sondern ein Mensch mit viel Bodenhaftung, der ungeschönt aus seinem Leben erzählt.

Mario Adorf ist ein Mann, dem Tränen vor anderen suspekt sind. Darüber schreibt er in der Miniatur "Das Weinen": "Man zeigt doch seine Tränen nicht, man wendet sich instinktiv ab, wenn man in Gesellschaft von der Rührung übermannt wird". Für ihn als Schauspieler gilt: "Tränen schnell trocknen und möglichst nicht direkt ins Publikum oder in die Kamera weinen."  

Mario Adorf, der Sohn eines italienischen Chirurgen und einer aus der Eifel stammenden Röntgenassistentin hat an Universität Mainz Philosophie, Psychologie, Kriminologie, Literatur, Musikgeschichte und Theaterwissenschaften studiert und viele Jahre benötigt, um der zu werden als den ihn sein Publikum kennt. 

Das Buch enthält neben den Erinnerungen aus seinem Schauspielerleben auch Zeichnungen von ihm, die dokumentieren, dass er  feinsinnige Ironie besitzt und sich auch selbst in Frage stellen kann.

Nachdem man die Geschichten gelesen hat, weiß man ein wenig mehr über die Hintergründe, weshalb Mario Adorf mit zunehmendem Alter an optischer Ausdruckskraft viel gewonnen hat. Er zählt nämlich zu den Menschen, die sich ihr ganzes Leben weiterentwickelt haben, weil er seinen Gaben gemäß lebt und dabei offen auch auf seine Schattenseiten schaut, die ihn in schwierigen Anfangsjahren haben überleben lassen. 

Empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu Kiepenheuer und Witsch und können das Buch bestellen.http://www.kiwi-verlag.de/buch/schauen-sie-mal-boese/978-3-462-31512-7/. Sie können das Buch aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Der leidenschaftliche Zeitgenosse- Zum Werk #Roger_Willemsen- S. Fischer-Verlage

Herausgeberin dieses Werkes ist die Publizistin, Literaturkritikerin und Moderatorin #Insa_Wilke, die 2014 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literatur ausgezeichnet wurde. 

Das Buch erschien am 13.8.2015, also vor zwei Tagen,  gerade rechtzeitig zum 60. Geburtstag des "leidenschaftlichen Zeitgenossen" Roger Willemsen. 

Roger Willemsen kennen viele und dies hat diverse Gründe, die Ines Geipel in ihrem Beitrag auf Seite 249 zusammenfasst: 

"Er schreibt Bücher, die beinah alle zu Bestsellern werden. Er tritt mit Programmen im ganzen Land auf, und die Säle sind rappelvoll. Er produziert Filme, fördert Literaturfestivals, ruft Radiosendungen ins Leben, tritt als Rate-Gast auf, moderiert die Echo-Klassik-Gala, schreibt Kolumnen, hält reden und Vorträge, macht Hörbücher und Musik-CDs. Die ideen-erotische Liste ist schier endlos. Vor allem aber weiß Roger Willemsen Themen zu setzen. Sein Credo: "Das Ich hat sich als Forderung zu verhalten." Oder auch: Das Ich ist vieles, aber wenigstens ist es vehement, engagiert, unterhaltend hochkarätig. Es ist überaus erfolgreich und nicht minder populär. Es hat ein hochprofessioneller Signalist seiner Zeit zu sein und natürlich ist es politisch. So ist er für Amnesty International, Terre de Femmes; CARE International und die UN-Flüchtlingshilfe tätig. Er ist Schirmherr des Afrikanischen Frauenvereins, unterstützt die Aktion "Deine Stimme gegen Armut", ist Pate des Kinderhospizes Bethel für sterbende Kinder und Mitglied von Attac. Es ist kein Engagement, das auf dem Papier steht. Wenn er Hilfe sagt, meint er sie konkret." (S.249). 

#Ines_Geipel ist eine der rund 30 Autorinnen und Autoren, deren Beiträge neben teilweise unveröffentlichten Selbstzeugnissen das lange Gespräch zwischen Roger Willemsen und Insa Wilke immer wieder unterbrechen und einen Gesamteindruck zum Werk sowie zur Person Roger Willemsen vermitteln. 

Die Liste der Autorinnen und Autoren ist beeindruckend, zu ihnen zählen auch die Politiker Gerhart Baum, Peter Gauweiler, Gregor Gysi, der Filmemacher Alexander Kluge, der Journalist Manfred Bissinger, der Lektor Jürgen Hosemann und andere mehr. 

Um sich einen schnellen Überblick über das Leben von Roger Willemsen zu verschaffen, hat man die Möglichkeit,  Eckdaten seiner Vita auf den letzten Seiten des Werks  zu studieren. Im Anschluss daran,  kann man sich in die umfangreiche Bibliographie seines Schaffens vertiefen, auch Fotos und visuelle Selbstzeugnisse von ihm sind zu bestaunen, um dann mit der Lektüre des Buches zu beginnen und hier sofort einen Eindruck zu gewinnen, das der Protagonist schon immer mit Sprache spielte. Das dokumentiert speziell auch eine beinahe poetische Aussage, die er im  zarten Alter von drei Jahren von sich gab:  "Kriegen wir den Schlitten, wenn es mittagt". 

Roger Willemsen erweist sich als ein besonders offener Gesprächspartner und man erfährt zunächst viel über seine Kindheit, jener Zeit als er noch davon träumte,  Förster zu werden. Seine Abiturrede ist abgedruckt und man liest sich durch sein bisheriges Leben, hält immer wieder inne, sei es um frühe Zeichnungen und Collagen von ihm zu bewundern oder ein wenig über eine seiner Antworten nachzudenken, so auch jene, weshalb er nicht lange an der Uni in München blieb. 

Er begründet: "Ich schaute eines Tages an einer Fassade hoch und merkte, dass ich diese Karyatide noch nie bemerkt hatte. Man lebt falsch, wenn man drei Jahre eine Straße entlanggeht und nie hochgeschaut hat.“ (S.73) 

Spontan denke ich an Goethe und dessen "Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre“ und meine eine Wahlverwandtschaft zu erkennen, die sich darin ausdrückt, dass beide eine erstaunliche Symbiose mit ihrem Werk eingegangen sind. 

Ich fange erst gar nicht an, eine gewisse Anzahl von Einzelbeiträgen im Buch zu skizzieren und möchte auch keineswegs das lange Gespräch zwischen ihm und Insa Wilke analysieren und bewerten. Vielmehr möchte ich über Roger Willemsens Antworten nachdenken, beispielsweise auf die Frage "Ihr Publikum erlebt sie als extrovertiert. Inwieweit brauchen Sie Einsamkeit zum Schreiben?, um auf diese Weise die Bücher, die ich von ihm kenne,  neu zu erfassen. 

Ich studiere die Handschrift des umtriebigen Autors und finde die hohe Konzentration, die sich in seiner Schrift zeigt, sehr interessant. 

Immer wieder habe ich Antworten von ihm mit dem Textmarker unterstrichen,  auch jene auf die Frage "Sie ziehen Musil immer noch Thomas Mann vor?"  Hier schreibt Willemsen: 

"Weil bei Thomas Mann die Vormacht des geglückten Satzes, des Sprechens für das Sprechen manchmal einen Selbstzweck bekommt, hinter dem die bürgerliche Erscheinung so sehr durchklingt, dass mir Musil als der radikalere Denker, schlankere Formulierer und auch ambitioniertere Nicht-Großschriftsteller sympathischer war.“ 

Schade, dass Marcel Reich-Ranicki nicht mehr lebt. Gerne hätte ich gewusst, was er bei der Buchbesprechung zu dieser Antwort gesagt hätte. 

Natürlich ist es spannend,  mehr über Willemsens Werke zu erfahren und hier auch wie dieser Autor den Begriff Kritik für sich interpretiert... 

Ich breche hier ab, denn es führt zu weit, noch mehr über den umfangreichen Inhalt des Buches auszuplaudern. 

Roger Willemsen wird heute 60 Jahre alt, wirkt optisch weitaus jünger, gleichwohl hinterlässt er den Eindruck (und zwar keineswegs erst dann, wenn man die Auflistung seiner Publikationen liest), dass er bereits 120 Jahre alt ist. Wie kann das sein? 

Er denkt, spricht und schreibt einfach schneller als andere,  offenbar weil er weiß "Wenn man heutzutage nicht flink ist, entgeht einem alles." (Zitat: John Galsworthy). 

Roger Willemsen ist sehr flink, speziell wenn er denkt und deshalb auch können wir ganz gewiss die kommenden Jahre noch viel Neues von ihm lesen. Das freut uns.

Ein sehr empfehlenswertes Buch 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu den S. Fischer-Verlagen und können das Buch bestellen.http://www.fischerverlage.de/buch/der_leidenschaftliche_zeitgenosse/9783100024220. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.