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Rezension: Vom Einfachen das Beste- Franz Keller- Westend

Franz Keller, der Autor dieses äußerst klugen Buches, zählt zu den renommiertesten Sterneköchen in Deutschland. Dass der Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann das Vorwort zu diesem Werk schrieb, wundert keinen, der je bei Franz Keller gespeist hat.

Den Leser erwartet auf den 240 Seiten ein Mix aus Lebenserinnerungen und Lebensphilosophie, daneben politische und gesellschaftliche Betrachtungen und eine Menge Sachwissen aus dem kulinarischen Bereich.

Franz Keller tut es in der Seele weh, wenn er den Niedergang unserer Ess- und Kochkultur in den letzten Jahrzehnten beobachtet. Ihm ist bewusst, dass wir dabei sind, unsere Zeit zum Kochen und für eine vernünftige Ernährung wegzurationalisieren. Dass dies Folgen hat, wird an den Kosten erkennbar, die aufgrund von falscher Ernährung für unser Gesundheitssystem anfallen. Mittlerweile nämlich betragen diese Kosten jährlich rund siebzehn Milliarden Euro.

Für den Spitzenkoch gehören Essensqualität und Lebensqualität zusammen. Deshalb auch hat ihn seine Vita zu dem gemacht, was er heute ist: ein Mensch, der durch seine Tätigkeit glaubhaft bekundet, wie ernst es ihm mit seinem Nein im Hinblick auf industrielle Nahrungsmittelproduktion ist, weil diese den Respekt vor Tieren und Pflanzen verloren hat und uns alle letztlich krank macht.

Der gebürtige Freiburger Autor erzählt von seiner Kindheit in den 1950er Jahren, wo er im elterlichen Betrieb mit den Tieren, den Reben, dem Boden in einem sehr überschaubaren, gut funktionierenden Verwertungskreislauf lebte. Das war damals nichts Ungewöhnliches.

Heute allerdings verbannen die meisten Menschen die Nutztiere aus ihrem Leben in riesige Zucht-, Mast- und Schlachtbetriebe. Dabei, so Keller, werden die Lebens- bzw. Produktionsbedingungen, die diese Tiere erleiden müssen, bewusst unserer Alltagswahrnehmung entzogen.

Man erfährt im vorliegenden Buch wie es einst zuging auf Schlachtfesten in Oberbergen am Kaiserstuhl, wo er seine Kindheit verbrachte und erkennt sehr rasch, dass es dem Autor gelungen ist, den Kreis zu schließen, der Erfahrungen aus all seinen Lebensperioden enthält.

Für den Sohn aus einem landwirtschaftlich angelegten Betrieb am  Kaiserstuhl und heutigen Besitzer des Falkenhofs im Taunus gilt: Ein Schwein muss zwei Winter gesehen haben und es darf fett werden, ansonsten ist es einfach nur eine arme Sau.

Franz Keller möchte mit seiner Publikation bewirken, dass die Leser anfangen nachzudenken. Dabei geht es ihm darum, dass wirklich jeder Einzelne ins Grübeln kommt und sich die Frage stellt: "Was kann ich tun, damit diese Welt wenigstens hier bei uns durch mein konkretes Handeln besser wird?"  Was das im Einzelnen bedeutet, kann man dem Buch entnehmen und sich auch klar machen, dass die Preispolitik bei Lebensmitteln nach wie vor von der Billigphilosophie bestimmt wird, jedoch nicht von der Qualitätsstrategie.

Der gebürtige Badener bezeichnet sich als Genussmensch und ist als solcher seit Jahrzehnten dem echten Genuss auf der Spur. Es ist ungemein spannend seine Vita kennenzulernen, zumal er offen über den Konflikt spricht, den er mit seinem erfolgreichen, aber leider ziemlich despotischen Vater hatte, wie so viele Söhne aus jener Zeit. Dass seine Mutter als erste Frau in Deutschland im Jahre 1969 mit einem Michelin-Stern für den "Schwarzen Adler" in  Oberbergen/Kaiserstuhl geehrt wurde und das, obschon sie niemals eine Kochlehre absolviert hatte, zeigt, dass die Gabe exzellent kochen zu können, offenbar bei Franz Keller genetisch bedingt ist.

Während er von seinem Vater, dem Winzer und Weinimporteur, viel über französische Weine erfahren hat, lernte er von seiner Mutter eine Menge Wissenswertes über das Kochen. Seine Kochlehre absolvierte er allerdings in der "Zähringer Burg" in Freiburg. Wie es dann weiterging und wie Franz Keller schließlich bei der Kochlegende Paul Bocus tätig werden konnte, was er von ihm erlernt hat und wie es dazu kam, dass er trotz seiner vielen Ehrungen als Küchenchef des "Schwarzen Adlers" in Oberbergen sich dazu entschied, ein eigenes Lokal in Köln zu eröffnen, zeigt,  dass man für Abnabelungen mitunter  einen hohen Preis zahlen muss. Doch die Freiheit gibt es nicht gratis, auch nicht für einen Spitzenkoch.

Franz Keller schreibt von seinen materiellen Schwierigkeiten in seinem Kölner 2 Sterne-Restaurant, sieht sich aber nicht als Opfer des geldschluckenden Spektakels, sondern als Mensch, der gelernt hat, den Wettstreit um die beste Küche als Wettstreit um Investoren und das beste Image in Frage zu stellen.

Der Höhen und Tiefen durchlebt habende Macher schreibt auch von seinen Erfahrungen auf der "Bühler Höhe", wo er als Küchenchef und Gastronomiedirektor der bestbezahlte Koch Europas war. Doch auch diese war nur eine Station zu weiteren Erkenntnissen bis er irgendwann zu Beginn der 1990er Jahre die "Adler Wirtschaft" in Hattenheim/Rheingau eröffnete und dem Sternenhimmel bewusst den Rücken zuwandte. Seit dieser Zeit stand für ihn neben Kochen und Betreuen der Gäste das Thema artgerechte Haltung und die Auswahl der Überwachung von Produzenten, Züchtern und Handel im Mittelpunkt.

Der Schritt vom Gastronom zum Bauern war nur logisch konsequent. Dabei besteht der Unterschied zwischen den Tieren von Franz Keller und denen aus der Massentierhaltung im Entwicklungs- und Reifeprozess. Das Fleisch vom Falkenhof gibt es nur in wenigen Restaurants und in der Adler Wirtschaft, die inzwischen Franz Kellers Sohn betreibt. 

Über den Falkenhof im Wispertal  liest man im letzten Teil des Buches viel Wissenwertes und hier auch wird Franz Keller in seinen Überlegungen besonders systemkritisch. Er spricht Klartext. Das zeigt welch ausgereifte Persönlichkeit er ist.

Zum Schluss gibt es noch einige gute Rezepte ohne die üblichen Hochglanz-Food-Fotos und hervorragende Betrachtungen auf dem Weg zu einer ehrlichen Küche. 

Bleibt festzuhalten: Dies ist ein sehr gutes, zum Nachdenken anregendes Buch, verfasst von einem  bewussten, lebensklugen  Menschen, der aufgrund von Eigenerfahrung und viel Sachwissen seinen Lesern wirklich Erhellendes vermitteln kann.

Maximal empfehlenswert.

Helga König

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