Dieses bemerkenswerte Buch der Autorin Dr. Ulrike Müller befasst sich mit den Salonfrauen zwischen der Romantik und der Moderne. Nach einer umfangreichen und sehr erhellenden Einleitung kann man sich in vier Abschnitten über besagte Frauen kundig machen.
Dr. Müller bemerkt zum Schluss ihrer Einleitung übrigens, dass das Buch tendenziös sei. Sie möchte nämlich nicht nur einen möglichst sachgerechten Eindruck von Salons und Salonnièren, Kulturgeschichte und weiblichen Lebensleistungen zwischen Romantik und Moderne vermitteln, sondern zudem über das Faktische hinausgehen, weil sie von der Leidenschaft für die Utopie des Salons ergriffen sei. Damit steht sie nicht allein. Auch mich treibt der Salongedanke schon seit langer Zeit um und ich bin heute mehr den je überzeugt, dass man ihn zeitgemäß virtuell umsetzen könnte, wenn man bestimmte Grundbedingungen einhält.
Zunächst geht Dr. Ulrike Müller der Frage nach, was man unter einem Salon überhaupt zu verstehen hat. Dieser Raum wurde einst von Frauen initiiert und gestaltet. Motor der Salonkultur war der Bildungshunger der Frauen, die einst keinen Zugang zu Gymnasien und Universität hatten. Die Salonniéren boten ihren Gästen und sich Freiraum für intellektuellen Gedankenaustausch, Dichtung, Philosophie, Politik, Musik und bildende Kunst.
Man erfährt im Buch nicht nur aus welchen gesellschaftlichen Gruppierungen die Salondamen kamen, sondern auch woher der Begriff "Salon" kommt und wann die Salonkultur ihren Anfang nahm. Wissen sollte man dabei, dass von Beginn an der Salon mit der die Idee einer europäischen Einheit verbunden war und sich zu Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend von den Höfen emanzipierte.
Die 18 Porträts der Damen werden in vier Kapitel untergliedert:
Die Sprach- und Sprechlustigen: Literatur und mehr
Die Intellektuellen: Zwischen Politik und Philosophie
Musen, Mütter, Meistersängerinnen: Schwerpunkt Musik
Jägerinnen und Sammlerinnen: Schwerpunkt bildende Kunst.
Diesen Porträts vorgeschaltet sind in den vier Kapiteln jeweils ein allgemeine Erläuterungen. Hier werden dann noch weitere Damen mit wenigen Worten kurz vorgestellt.
Die 18 Protagonistinnen des Buches werden hervorragend skizziert und man erhält ein recht gutes Bild von dem, was die einzelnen Damen umtrieb und worum es ihnen ging. Rahel Varnhagen war beispielsweise eine Vertreterin der Aufklärung. Sie glaubte an die Menschenrechte, an die Humanisierung durch Bildung und zwar auf der Basis einer Form von Erkenntnis, die auch Gefühlserfahrung, Intuition, das Unbewusste und den Traum einschließt, (vgl.: S.27). Eine Frau ganz nach meinem Geschmack. Man wünscht sich, dass alle Frauen im Hier und Jetzt diese Klugheit besäßen. George Sands Werben für die intellektuelle und erotische Selbstbestimmung finde ich sehr mutig. Solche Frauen waren die Wegbereiterinnen für ein neues Frauenbild, das leider noch immer nicht vollständig umgesetzt ist.
Fanny Lewald (1811-1889) war eine der ersten Berufsschriftstellerinnen. Sie kritisierte nicht nur die bürgerliche Mädchenerziehung, sondern setze sich auch für die weiblichen Arbeitskräfte der unteren Stände ein, die für wenig Geld in Fabriken und Haushalten arbeiteten, (S. 62). Eine ebenfalls kluge und dabei sozial engagierte Frau. Von solchen Frauen können wir alle heute noch lernen.
Das Buch endet übrigens mit dem Porträt Gertrude Steins. In ihrem Salon in Paris begründeten Matisse und Picasso ihre Freundschaft.
Wenn gebildete Menschen sich entspannt an Orten, die dazu einladen, begegnen, kann sich viel Bereicherndes für alle entwickeln, wie all die Beispiele im Buch zeigen. Die Voraussetzung ist der Wille positiv aufeinander zuzugehen und sich mit intellektuellen oder musischen Themen in aufgeklärter Runde ernsthaft auseinander zu setzen.
Alles setzt Gesprächskultur voraus. Diese ist in heutigen Zeiten offenbar zumeist nur noch rudimentär vorhanden. Menschen hören einander nicht mehr zu, weil ihr überbordendes Ego sie daran hindert. Es wird neuerdings zu viel gepöbelt, leider auch in angeblich gebildeten Kreisen. Das ist sehr bedauerlich. Alles deutet darauf hin, dass die emotionale und soziale Entwicklung von Menschen archaischen Mustern gewichen ist. Offenbar ist der Zenit der Zivilisation schon lange überschritten.
Empfehlenswert.
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