Der in New York lebende Literaturwissenschaftler Daniel Schreiber hat eine bemerkenswerte Biographie über die 2004 verstorbene amerikanische Intellektuelle Susan Sontag (geb. 1933) vorgelegt. Schreiber beginnt die Darstellung des Lebens der amerikanischen Kritikerin und Schriftstellerin mit deren Kindheit zwischen 1933- 1944. Sontag hat später in ihren Essays "On Photography" und "Where the Stress Falls" Anmerkungen zu jenen Tagen aufgezeichnet. Die Schriftstellerin wurde in New York als Tochter säkularisierter jüdischer Eltern geboren, hielt sich mit diesen ein Weile in China auf und musste nach dem frühen Tod ihres Vaters- er war Pelzhändler- den sozialen Abstieg ihrer Familie miterleben. Sie verbrachte längere Zeit in Arizona und befasste sich aufgrund ihrer Hochbegabung sehr früh mit Literatur.
1947 besucht sie dann die Hollywood High School, fühlte sich intellektuell aber unterfordert. Im Alter von 14 Jahren las sie bereits Kafka und Mann, begeisterte sich für ausländische Filme, wie Jean Cocteaus " La Belle et la bete" (1946) oder Rosselinis "Roma, citta aperta" (1945) und las eine Reihe interessanter Zeitschriften, die ihren Willen zur Intellektualität zum Ausdruck brachten. Eine Begegnung mit Thomas Mann fällt in diese Jahre, von der die Presse später immer wieder schrieb.
Im Alter von 16 Jahren wechselte Sontag auf das College, heiratete mit 17 und wurde mit 19 Mutter. Der Soziologie- Dozent Philip Rieff war für sie ihre erste große Liebe. Mit ihm führte sie ihre ersten emotionalen und intellektuellen Kämpfe aus und lebt zunächst in einer nahezu symbiotischen Ehe, doch Sontag bricht aus ihrer Ehe, die sich zwischen erotischer Repression und intellektueller Offenheit bewegt, aus, nachdem sie 1957 ihren Harvard-Magistertitel in Philosophie erworben hatte und geht nach England, um an der Oxford Universität an ihrer Dissertation zu schreiben.
Ihr Thema sind die metaphysischen Voraussetzungen von Ethik. Von Oxford gelangt sie nach Paris, der Stadt ihrer Kindheitsträume. Hier genießt sie das Boheme-Leben der Intellektuellen, vertieft sich in die kulturelle Szene und lernt, dass "die persönliche Meinungsbildung nicht weniger als ein existentielles Drama ist, das weit über das Schmieden universitärer Allianzen hinausreicht, und mehr noch, dass das Einnehmen einer intellektuellen Position auch von persönlichen Intuitionen, Vorlieben und Idiosynkrasien beeinflusst werden kann, erst recht wenn sie nicht Teil des akademischen Diskurses sind."
Zurück in New York verabschiedet sie sich endgültig von der Ehe und beginnt in New York das Leben als freie Autorin . Es dauert nicht lange und sie zählt, nicht zuletzt aufgrund ihrer brillanten Analysen und hervorragenden Essays, zu den intellektuellsten Köpfen der USA. Sie hatte Zugang zu exklusiven Zirkeln, wo sich die High Society New Yorks mit Literaten, Künstlern und Intellektuellen traf, weil sie , so vermutet Schreiber, eine unwiderstehliche Mischung aus Geist, Hipness, Sex und Schönheit ausstrahlte. Bobby Kennedy und Warren Beatty lagen ihr zu Füßen. Sontag hatte Starqualitäten, diese setzte sie gekonnt auf der medialen Bühne um. Ihr Foto zierte u.a. auch die Seiten von Vogue und Mademoiselle.
967 beendet sie ihren Roman "Todesstadion" und erhält schlechte Kritiken. Er wurde als "Existentialisten-Kitsch" bezeichnet und sollte für die nächsten 25 Jahre der Roman Sontags sein. In der Folge reiste sie nach Kuba und begeisterte sich für die Revolutionshelden Che Guevara und Fidel Castro und versuchte alsdann einen Filmkarriere mit kreativer Dynamik voranzutreiben. Ihre Essays, die sie zu dieser Zeit veröffentlichte, waren weiterhin brillant.
Zum Feminismus jener Jahre scheint sie ein ambivalentes Verhältnis gehabt zu haben. Sie sah diesen zwar als eine der wichtigsten Entwicklungen dieser Tage, doch sie bemerkte, dass in seinem Zentrum die Beschäftigung mit Mittelmäßigkeit stehe. Für sie war es eine Bewegung für die Rechte durchschnittlich begabter Frauen. Einer der meist verkauften Essays Sontags ist der Essay "Faszinierender Faschismus". Für die Essayistin waren Riefenstahls Filme Meisterwerke "weil sie die komplexen Bewegungen der Anmut und Sinnlichkeit im Bild einfangen" und die Kategorien der Propaganda und selbst der Reportage" übersteigen.
Des weiteren liest man von ihrer Krebserkrankung und den damit verbundenen materiellen Problemen und dem Essay " Krankheit als Metapher", das ein Plädoyer für den unverstellten Umgang mit Krebs und eine intellektuelle Achterbahnfahrt durch die Kulturgeschichte der Krankheit darstellt. Ab 1987 amtiert Sontag als Pen-Präsidentin. Zu diesem Zeitpunkt engagierte sich der Pen-Club sehr für die Einbürgerung der Dissidenten aus dem Ostblock. Sontag reiste zu vielen Schriftstellertreffen weltweit. Ihr Bekanntheitsgrad verstärkte sich. 1992 veröffentlichte sie ihren Roman "Der Liebhaber des Vulkans", den Schreiber in der Biographie hervorragend zusammenfasst und sich zur Kritik seitens der Presse auch auslässt.
Die Süddeutsche Zeitung sprach Sontag psychologisches Einfühlungsvermögen ab und erläutert welche Auswirkungen dies auf den Roman habe. Sontag wandte sich gegen den Krieg in Jugoslawien. Für sie ist Krieg " Lärm- wahnsinniger Lärm- und Tod überall um dich herum. In jedem Moment kann dir der Kopf weggeschossen werden und den Menschen zu deiner Rechten oder deiner Linken." Ihr Roman "In Amerika", den sie in ihrem letzten Lebensjahrzehnt verfasst, soll lt. Kritik in seinen Szenen stereotyp und eindimensional sein. Er hat nicht den Erfolg gebracht, den sie vielleicht erhoffte. Empfehlenswert ist ihr Essay "Die Leiden Anderer", hier beschäftigt sie sich eingehend mit Kriegsfotographie (Rezension Helga König) .
2003 erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am 28.12.2004 stirbt die große Essayistin an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Ihre Lebensgefährtin war die berühmte Fotografin Annie Leibovitz.
Das Buch bietet eine Fülle von Fakten, die man unmöglich alle in einer zeilenbegrenzten Rezension ausloten kann. Schreiber ist es gelungen ein vielschichtiges Bild von dieser komplizierten Intellektuellen zu zeichnen, die es als schöne , kluge Frau nicht leicht hatte in einer Männerdomäne Fuß zu fassen und als geistig ebenbürtig respektiert zu werden.
Sehr empfehlenswert
Helga König
Überall im Handel erhältlich
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