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Rezension:Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (Gebundene Ausgabe)

"Wer zynisch und verachtend mit seinen Kunden umspringt, behandelt in gleicher Weise seine Mitarbeiter."

(Götz W. Werner) Dies ist die überaus spannend zu lesende Autobiographie des Gründers und Aufsichtsratsmitglieds der dm-Drogeriemärkte, Goetz Werner, der am 5. Februar seinen 70. Geburtstag feiern wird. Schon nach wenigen Seiten wird klar, dass dieses Buch weitaus mehr als das verkörpert, was man üblicherweise unter einer Autobiographie versteht, denn es ist zugleich ein unglaublich gut geschriebenes, praktisches Betriebslehrebuch, aber auch ein Ratgeber für angewandte Ethik.

Untergliedert in einen Prolog, 16 Kapitel und einem Epilog, entfaltet sich das Leben und Wirken dieses humanistisch handelnden, in vieler Hinsicht erfolgreichen Kaufmanns, der zunächst über Evidenzerlebnisse nachdenkt, denen er immer eine besondere Achtung schenkt, weil sie richtungsweisend für ein erfolgreiches Leben sind. Evidenz verschafft Goetz W. Werner Erkenntnis, nämlich die das Richtige zu tun. Der Autor empfiehlt, sich für Evidenzerlebnisse zu sensibilisieren, indem man in die Welt hinausgeht, offen sowie neugierig schaut und sich darauf einlässt, wer oder was uns begegnet und wofür man sich erwärmt, (vgl.: S.16).

Liest man diese Autobiografie, so stellt man alsbald fest, dass Götz W. Werner sich stets sehr offen gegenüber allem Neuen gezeigt hat und eine sehr kluge Strategie sein eigen nennt, nämlich sich nicht überstürzt von Altem zu trennen, wenn das Neue ihn auf seinem Weg weiterbringt. Dabei allerdings hat er stets die Menschen im Auge, mit denen er zu tun hat, die für ihn niemals Mittel, sondern stets Ziel seiner Handlungen sind.

Der in Heidelberg geborene Drogist schreibt von den Anfängen seines Berufslebens, vom Betrieb seines Vaters, den er umkrempeln wollte als er erkannte, dass der gesamte Einzelhandel im Umbruch war. Als sein Vater seine Idee nicht mittragen wollte ging Werner seinen eigenen Weg und eröffnete 1974 seinen ersten Laden, nachdem die Preisbindung gefallen war. Man liest von seinem Konzept mit weniger Waren mehr Umsatz zu tätigen, aufgrund attraktiverer Preise und er vergisst dabei nicht zu erwähnen, dass der Umsatz letztlich der Applaus der Kunden ist.

Der Unternehmer berichtet wie er seine Firma aufgebaut hat und welche Kriterien er bei den Bewerbungen für das Filialnetz seiner Führungskräfte als wichtig erachtet hat. Er schreibt von bestimmten Handlungsmustern des unternehmerischen Erfolgs und warnt vor empirischem Handeln, weil man stets neue Fähigkeiten benötigt, um auf die Herausforderungen des Marktes zu reagieren, (vgl.: S.56).

Der Autor schreibt auch wie er zum anthroposophischen Denken kam und wie ihm klar wurde, dass er dieses Denken in sein unternehmerisches Handeln umsetzen müsse. Unter Anthroposophie besteht man übrigens die Weisheit vom Menschen. Für Werner ist sie zur Quelle geworden, um die Welt und die Menschen besser zu verstehen. Sie veranlasste ihn lösungsorientiert und nicht problemorientiert zu handeln. Für diesen Unternehmer gilt: "Wenn ein Unternehmer die Welt und seine Mitmenschen nicht liebt, wird er auf Dauer nicht erfolgreich sein." (Zitat S.66)

 Man liest vom Werner`schen Kundengrundsatz, der ihn immer wieder vor Herausforderungen gestellt hat. Sein Ziel war es "Kundenbedürfnisse zu veredeln", d. h. Bedürfnisse zu befriedigen ohne sie "billig zu stimulieren", (vgl.S.70). Für ihn war klar: "Wer den Menschen nur zum Mittel macht, nicht zum Zweck, wird nicht den Menschen bedienen, sondern den Geldbeutel", (Zitat S.72). Werner legte von je her Wert auf ehrliche Kommunikation, was man ihm völlig abnimmt, wenn man dieses Buch gelesen hat.

Man erfährt wie er schon früh ökologisch und nachhaltig dachte und handelte, liest Wissenswertes zu Alnatura- Produkten, die in seinen Märkten angeboten werden, erfährt auch Näheres zu den dm-eigenen Produkten und der Idee, die dahinter steht.

Natürlich schreibt er auch über seine beiden Frauen und seinen sieben Kinder. Einfach hat dieser Mann er sich nicht gemacht als seine erste Frau krank wurde, sich trennte und schließlich Selbstmord beging. Werner ist ein Familienmensch ohne kostspielige, exklusive Hobbys, ein Mensch, der es versteht zwischen Berufs- und Privatleben keine künstliche Trennlinie zu ziehen, ein Mensch mit viel Herz. Sehr berührend.

Er schreibt in seinem Buch auch von seinem Umgang mit seinen Mitarbeitern und wie er sich vom Hierarchiebewusstsein in seiner Firma verabschiedete, um es in ein Prozessbewusstsein zu verwandeln. Die Folge dieser Verwandlung ist, dass der Maßstab der Mitarbeiter nicht mehr der Chef, bzw. Vorgesetzte, sondern der Kunde ist, (vgl. S. 101). Für Werner heißt Wirtschaft füreinander tätig zu sein und Arbeit ist für ihn dazu da, dass man sich entwickelt, dass man über sich hinauswächst, (vgl. S.103).

Man liest über professionelles Projektmanagement und auch über die beiden Dinge, die ein erfolgreicher Unternehmer benötigt: Eine klare Vision und die liebe zum Detail, (vgl. S.125). Dabei ist beides gleich wichtig. Er schreibt darüber, wie notwendig es ist, dass Mitarbeiter angstfrei über Verbesserungen in der Firma reden können. Nur so kann ein Unternehmen sich täglich neu erfinden und Schwachstellen beseitigen. Werner weiß, dass konstruktive Unzufriedenheit mit herrschenden Umständen die Voraussetzung für Innovation darstellt, (vgl.: 134). Er ist selbstbewusst genug, sich dieser konstruktiven Unzufriedenheit zu stellen, um zu lernen.

 Er schreibt über die vier Schritte von Veränderung und verdeutlicht, dass der richtige Rhythmus zwischen Kontinuität und Kreativität die eigentliche Herausforderung erfolgreichen Unternehmertums darstellt. Geistesgegenwart ist wichtig. Werner ist immer präsent, bewusst zukunftsgewandt und lösungsorientiert. Für ihn, der an Reinkarnation glaubt, besteht das Leben in Aufgaben, die es zu lösen gilt und er weiß, dass es immer einen Weg gibt, für einen Menschen, der wirklich unternehmerisch disponiert ist, (vgl. S.151).

Werner vermutet, dass seine sportliche und unternehmerische Grundhaltung ihn vor großen Krisen bewahrt hat. Weil er stets sensibel für Veränderungen war, kann er auf eine kontinuierliche Entwicklung ohne wesentliche Rückschläge zurückblicken, (vgl.: S. 151).

Es führt zu weit, auf all die Einzelheiten seines im Buch dargelegten, betriebswirtschaftlich sinnvollen Handels einzugehen. Erwähnen möchte ich allerdings die "dialogische Führung". Werner erkannte, dass am Abteilungsdenken die Gemeinschaft zerbricht und es anstelle von Kooperation nur Konkurrenz gibt in Firmen mit diesem Grundmuster, das kontraproduktiv ist für den Firmenerfolg. Ein wesentlicher Teil der Entwicklung bestand für Werner in seinem Unternehmen in der Reflexion des Tuns, der Organisation und Firmenkultur. Für ihn ist es wichtig, dass Mitarbeiter aus eigener Einsicht und eigener Verantwortung handeln. Bei dem von ihm bevorzugten dialogischen Führungsstil geht es darum, dass im Gespräch auch immer Sinn vermittelt wird. Die Art dieses Umgangs fördert die Selbstbestimmung des Einzelnen.

Werner schreibt auch von dem Wechselspiel zwischen Wachsen und Schrumpfen und darüber, dass Frauen viel eher bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, während Männer zunächst fragen, wer eigentlich dafür zuständig ist, (vgl.: S. 198).

Es ist schon interessant zu lesen, dass der Umbau und die Verflachung der Hierarchie ein wesentlicher Schritt für den weiteren Erfolg vom dm war. Das hatte ich fast vermutet, nachdem ich viele Jahre als Kundin meine Personalbeobachtungen dort angestellt habe. Ich kenne sonst keinen Markt, der so viel Freundlichkeit und Harmonie ausstrahlt. Das ist sicher auch ein Ergebnis der Prozessorientierung.

Werner hat sich viele Gedanken über den Wert der Arbeit eines Jeden gemacht und er begreift ein Unternehmen als einen sozialen Organismus. Diesen Gedanke, den er näher ausführt (S. S. 225ff) sollten sich viele Unternehmer bewusst machen. Es würden manche Schwierigkeiten nicht entstehen, weil man den nötigen Respekt voreinander spürt, um bereits zu sein, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Werner streift auch die Fehlentwicklungen bei Schlecker, deren Ursachen sehr schnell klar werden. Aber auch Werners Idee eines Grundeinkommens bleibt im Buch nicht ausgespart und auch nicht seine Professur und der Rückzug aus dem operativen Geschäft seiner Firma. Doch ich möchte nicht zu viel verraten...

Besonders gut gefallen hat mir nachstehender Gedanke des Autors, mit dem ich die Rezension beenden möchte:"Der Mensch ist ein Wesen auf der Suche nach Sinn. Er braucht eine spezifische Aufgabe, die darauf wartet, von ihm gelöst zu werden. Er lebt in der Hingabe an eine solche Aufgabe." (Zitat: S. 256)

Ich bin völlig fasziniert von Götz W. Werner, dessen Lebensklugkeit und dessen großes soziales Engagement mich völlig gefangen nimmt. Seine Autobiografie kann man nicht genug loben.

Ein Buch, das ich nachdrücklich empfehle.

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