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Rezension: Schönheit besiegt Angst- Wie ich unter Haien ein freier Mensch wurde- Jean Marie Ghislain- Elisabeth Sandmann-Verlag

Der Elisabeth Sandmann-Verlag wartet in diesem Buchherbst mit zwei korrespondierenden Büchern des Belgiers Jean-Marie Ghislain auf, einerseits mit der packend geschriebenen Lebensgeschichte dieses Fotografen, die unter Mitarbeit von Valérie Pèronnet entstanden ist und andererseits mit einem Bildband primär in Schwarz-Weiß, der die Unterwassererfahrungen Ghislains eindrucksvoll dokumentiert. Der Titel des Bildbandes lautet: "Berührende Schönheit".

In den letzten Monaten habe ich bereits zwei Bücher zum Thema Angst rezensiert und möchte diesen nun ein weiteres hinzufügen, denn Ghislains Autobiografie ist letztlich ein Anti-Angst- Praxisbuch, das zeigt, dass unser Leben selbst zur Anti-Angsttherapie werden kann, wenn wir dies zulassen. 

Der Untertitel der Lebensbeschreibungen lautet "Wie ich unter Haien ein freier Mensch wurde". Genau dieser Untertitel sprach mich an und ließ mich gestern Abend schließlich das 159 Seiten umfassende Buch in einem Rutsch durchlesen. Die poetische Sprache gepaart mit dem Mut und der Abenteuerlust des Autors nahm  mich sofort gefangen und schenkte mir sehr schöne Lesestunden. 

Ghislain ist ein ungewöhnlicher Mensch, der alles andere als eine Beamtenmentalität besitzt. Der Mitte 1950 geborene Mann von beeindruckender Tatkraft verfügt im Übermaß über das, was mittels diversen Psychologieratgebern Lesern antrainiert  werden soll: Resilienz.

Ghislain, dessen Leben sich als permanenter Wechsel von Erfolg und Absturz erweist, den er packend beschreibt und der als Frauenliebling immer wieder Halt bei schönen und dabei nicht selten klugen Frauen findet, lernte seine Untiefen auszuleuchten, lernte schließlich, nachdem er bereits tollkühn gesegelt, gesurft und geflogen ist,  das Tauchen kennen und eroberte sich eine Welt, von der er zuvor keine Vorstellung hatte. 

Doch dies geschieht erst zu Ende des Buches. Zuvor nimmt man an vielen anderen Abenteuern des Autors teil, die er überall auf der Welt in den letzten Jahrzehnten erlebte. Ghislain arbeitete nach seinem Studium nicht als Fotograf, sondern schlug sich als Selfmademan und hier als Kaufmann und Unternehmensgründer, der oft viel Fortune hatte: durchs Leben. Das Glück verließ ihn immer wieder kurzzeitig, löste aber stets dramatische Veränderungen in seinem Leben  aus. durch die er neue Wege gehen konnte, um immer intensiver zu sich und seinen Ängsten vorzudringen, die irgendwo in seiner Kindheit angesiedelt waren. 

Es scheint keine bewusster Prozess gewesen zu sein. Dinge ereigneten sich einfach. Ghislain, der nicht zaudernde Mann der Tat, bemühte sich mit den Lebenssituationen, die er vorgesetzt bekam, stets auf Neue fertig zu werden und nicht depressiv aufzugeben. 

Ein Mensch, wie Jean-Marie Ghislain erscheint dem einen oder anderen Leser möglicherweise generell als angstfrei, wenn er dessen Lebensbeschreibung liest. Das jedoch ist nicht so. Es ist seine Resilienz, nicht seine vermeintliche Angstfreiheit, die ihn  stets rettet, wenn aufgrund veränderte wirtschaftlicher Umstände  blühende Firmen von ihm Knall auf Fall zusammenbrechen und er vor einem Scherbenhaufen steht.

Sein Knowhow lässt ihn immer wieder erfolgreich Neues entwickeln. Er lebt die amerikanische Erfolgsidee, die für deutsche Sicherheitsdenker so fremd ist wie ein ferner Stern. Jean- Marie Ghislain greift nach den Sternen und findet sie schließlich weltweit unter Wasser, indem er seine Angst vor Haien überwindet und fortan fotografisch ihre Schönheit besingt. 

Ein tolles Buch, sehr lehrreich, nicht nur, was die Praktiken der Angstüberwindung anbelangt, sondern auch im Hinblick auf die Tatsache, dass vieles erreichbar ist, wenn man sich nicht hängen lässt und das Leben umso erkenntnisreicher zu sein scheint, je mehr es einer Achterbahn gleicht.

Empfehlenswert

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Elisabeth-Sandmann-Verlag und können das Buch bestellen. http://www.elisabeth-sandmann.de/buecher/biografie-und-gesellschaft/897/schoenheit-besiegt-angst

Rezension: "Denn das Leben ist die Liebe"- Marianne von Willemer und Goethe im Spiegel des West-östlichen Divans

Dies ist der Ausstellungskatalog zur Ausstellung  "Denn das Leben ist die Liebe- Marianne von Willemer und Goethe im Spiegel des West-östlichen Divans", die vom 19.09.2014 bis 23.11.2014 im Arkadensaal im Frankfurter Goethehaus Freies Hochstift stattfand. 

Das Vorwort zum Katalog hat Anne Bohnenkamp-Renken verfasst. Sie hat gemeinsam mit Henrik Birus in Verbindung mit Christoph Perels, Andrea Polaschegg und Joachim Seng diesen informationsreichen Katalog herausgegeben. 

Anlass der Ausstellung war das 200 jährige Jubiläum von Goethes Lektüre des persischen Dichters Hafis und sein Zusammentreffen mit der jungen Frankfurterin Marianne Jung, verheiratete von Willemer. In der Ausstellung ging es darum, die wechselseitige Steigerung von Poesie und Leben zu zeigen, die für das Werk des  "West-östlichen Divans" bezeichnend ist. 

Die Idee und Konzeption zur Ausstellung und zum Katalog entstanden im Dialog zwischen Anne Bohnenkamp-Renken und Henrik Birus. Aufgeklärt wird man über die Sehnsucht des Frankfurter Bürgertums im 18. Jahrhundert nach dem Morgenland und erfährt von Goethes Orientvorstellungen lange bevor er den "West-östlichen Divan" schrieb, liest welche orientalischen Gegenstände in keinem begüterten Haus damals hinwegzudenken waren und  dass morgenländischer Flair inklusive Ottomane und Diwan zum Interieur des bürgerlichen Wohnzimmers zählte. 

Der junge Goethe hatte sogar einen Latein- und Griechisch- Lehrer, dessen Onkel ein osmanischer Hauptmann war. Goethes entscheidende Begegnungen mit dem Morgenland fanden allerdings in der Literatur statt. Dabei faszinierten den jungen Goethe in erster Linie Schriften aus dem Orient, die er in der väterlichen Bibliothek vorfand. Seine frühe Beschäftigung mit dem Orient bewegte sich durchweg in einem Faszinationsraum aus Heiliger Schrift, Genialität, Poesie und morgenländischem Altertum. Insofern haben Goethes frühe gedankliche Morgenlandfahrten nur wenig mit dem "West-östlichen Divan" zu tun. 

Im Sommer 1814 las Goethe den "Diwan" von Hafis und führte zu dem Werk  "West-östlicher Diwan" von Goethe. Man erfährt u.a. von einer Übersetzung der  "Hohelieds Salomons" seitens Goethe im Jahre 1775, auch dass er sich mit dem Islam beschäftigt hat. 

Christoph Perels schreibt über die Begegnung Goethes mit Marianne von Willemer. Zu diesem Thema habe ich 2004 eine Rezension zu Dagmar von Gersdorffs "Geschichte einer Liebe" geschrieben. Perels fasst in seinem Beitrag alles Wissenswerte diesbezüglich sehr gut und komprimiert zusammen. 

Man lernt Mariannes neapolitanische Gitarre kennen, die sie an jenem Abend als Goethe in der Gerbermühle weilte, spielte und lernt auch ihren Schmuck kennen. Sehr schön zudem sind die Höchster Porzellan- Figuren, die Türkenkapelle und der Sultan und die Sultanin von Peter Melchior, der einst Goethe porträtierte. Erfreulich ist, dass diese Figuren im Buch gezeigt werden. Die Jugendfreundin Marianne Willemers Antonie Brentano erbte einst 172 solcher wertvoller Figuren von ihrem Vater. Heute sind Höchster Figuren ein Vermögen wert.

Wissenswertes erfährt man über den orientalisierten Liebesdialog "Hatem und Suleika" und kann sich mit Textinterpretationen befassen, die hier zu erörtern, den Rahmen sprengen würde, aber man begreift den Dialog durch die Textinterpretation besser und weiß einzuschätzen, wie man die Zeilen "Denn das Leben ist die Liebe/Und des Lebens Leben Geist" zu werten hat. 

Den Erstdruck des "West-östlichen Divan" lernt man kennen, liest auch über Marianne Willemers Leben nach der Begegnung mit dem Dichter, kann sich anschließend in die Kataloginformationen vertiefen und erhält auf diese Weise eine Vorstellung davon, was alles in der Ausstellung zu sehen war. Dabei gewesen ist auch die Reinschrift von  "Ginkgo Biloba" mit den beiden Ginkgo-Blättern aus dem Jahre 1815. 

Empfehlenswert.

Rezension: Ricarda Huch- Die Summe des Ganzen- Leben und Werk. Katrin Lemke- Weimarer Verlagsgesellschaft

Die in  Jena lebende Autorin Katrin Lemke  recherchierte zu der Schriftstellerin #Ricarda_Huch (1864- 1947) im Deutschen Literaturarchiv Marbach, im Jenaer Stadtarchiv und in privaten Sammlungen. 

Auf der Innenseite des Klappentextes listet sie die Ehrungen ihrer Protagonistin auf, die  mit diesen auf beeindruckende Weise als eine der großen Gestalten der deutschen Literatur gewürdigt wurde.

Von Ricarda Huch, die um die Jahrhundertwende als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen galt, habe ich bislang nur ein Buch gelesen - "Der Fall Deruga"-, das mich damals sehr fasziniert hatte und  Ursache war, nun  diese Biografie zu lesen, die seitens Katrin Lemke anlässlich des 150. Geburtstages der vielgeehrten Schriftstellerin verfasst wurde.

Ricarda Huch  stammte aus einer niedersächsischen Kaufmannsfamilie und ist eine der ersten Frauen überhaupt, die  in Zürich studierte und promovierte. Zunächst  Lehrerin der deutschen Sprache, lebte sie später als freie Schriftstellerin an unterschiedlichen Orten.

Man liest von ihrer Liebe zu Richard Huch, dem Mann ihrer älteren Schwester. Diese Liebe war Anlass für das Studium in Zürich, um der unglücklichen Liebe zu entgehen und ihre intellektuellen Fähigkeiten, ihrer Lernfreude und ihrem Hunger nach eigener Charakterbildung und persönlicher Geltung Tribut zu zollen. Die junge Frau heiratete einen Zahnarzt in Wien, von dem die sich aber wieder trennte, um 1907 mit dem geschiedenen Mann ihrer Schwester die Ehe zu schließen, den sie noch immer liebte. Nach 20 Jahren des Getrenntsein finden die beiden zueinander, aber tief im Inneren misstrauen sie sich.

In ihrem erster Roman "Ludolf Ursleu, dem Jüngeren" thematisiert sie den Niedergang einer hanseatischen Patrizierfamilie. Lemke zitiert aus diesem Buch, wie auch aus anderen Huch-Texten, die aufzuzählen, nicht Gegenstand der Rezension sein kann. Ihr Interesse gilt  soviel nur: Luther, Nietzsche, Shakespeare, Keller, Fontane, Lassalle, Bakunin, der Heiligen Schrift und dem Romantischen Sozialismus.

Auf Seite 98 fand ich ein Gedicht von Ricarda Huch, das ich hier zitieren möchte, weil es Emotionen anspricht, die jeder der unglücklich geliebt hat oder liebt,  gewiss kennt:

"Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen
Sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,
Und während Tage und Jahre verstreichen,
Werden sie Stein.

Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,
Sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende Schwere
Bis in den Traum.

Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
Da blüht nichts mehr.“

Die vielen Fotos im Buch, die den Text begleiten, zeigen auch visuell den Werdegang dieser intelligenten, vielfältig interessierten Protagonistin, die mit dem philosophischen Essay "Urphänomene" eines ihrer letzten Bücher schrieb, in dem sie über die Quellen menschlicher Existenz nachdenkt. Dieses Buch habe ich mir vorgenommen im kommenden Jahr zu lesen und dazu auch eine Rezension zu verfassen. 

PS: In die, auf die aufklappbaren Buchdeckel eingebunden ist ein Stadtspaziergang durch Jena, der Bezug auf die Schriftstellerin nimmt und das nicht ohne Grund...

Empfehlenswert.

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag und können das Buch dort bestellen: http://www.verlagshaus-roemerweg.de/Weimarer_Verlagsgesellschaft/Katrin_Lemke-Ricarda_Huch-EAN:9783865397126.html. Sie können es aber auch bei ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.