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Rezension: Maria Sibylla Merians Reise zu den Schmetterlingen-#Boris_Friedewald.

Es ist nicht das erste Buch, das ich zum Thema Maria Sibylla Merian gelesen und rezensiert habe, dennoch hat die Lektüre viel Freude bereitet, nicht zuletzt weil Boris Friedewald die Lebensgeschichte der Forscherin und Künstlerin packend und dabei in fast poetischer Sprache zu erzählen weiß. 

Bevor ich den Haupttext zu lesen begann, habe ich mich zunächst in die Bilderwelt vertieft. Vor ein paar Jahren hatte ich im Rahmen der Ausstellung "Gärten" im Staedel-Museum in Frankfurt einige Bilder im Original kennengelernt. 

Um einen raschen Überblick über das Leben Sibylla Merians zu erhalten, sollte man zunächst die chronologisch aufgeführten Lebensstationen auf den letzten Seiten studieren und sich beim Vertiefen in die Bilderwelt im Abbildungsverzeichnis auf den Seiten 136 ff nähere Infos zu den Werken beschaffen. 

Die aus Frankfurt stammende  Künstlerin Maria Sybilla Merian (1667- 1717) war die Tochter eines bekannten Landschaftsmalers, Radierers und Kupferstechers. Nachdem sie geheiratet hatte, lebte sie einige Jahre in Nürnberg und später dann in den Niederlanden. In Surinam, das sie von 1699- 1714 bereiste,  schuf sie ihr wichtigstes Werk. Sie nannte es "Metarmophosis Insectorum Surimanensum". Es erschien 1705 im 52x37 cm großen Großfolio-Format und zeigt alle dargestellten Raupen und Schmetterlinge lebensgroß. 

Die Stiche,  mit denen sie Blumen und Insekten visualisierte, sind wissenschaftlich exakt, zudem künstlerisch einfach schön. Alles, was Merian schuf, hat sie zuvor übrigens  lebend gesehen. Das ist das Besondere an den Werken dieser Künstlerin.

Interessant ist, was man im Text zu "Surinam"  liest. Dort lebten damals nur wenige englische Familien, aber 600 protestantische Holländer und 10 000 verschleppte Afrikaner, die als Sklaven auf den rund 100 Plantagen der Kolonialherren arbeiteten. Fern ab von den Zuckerrohrplantagen begann der endlose Dschungel und dort der "Sehnsuchtsort" von Maria Sibylla Merian, der Ort voller Insekten und Schmetterlinge. 

Man erfährt, wie die Künstlerin Flora und Fauna dort kennenlernte. Sie schrieb später in ihrem Buch zu einer Pflanze,  auf der sie hellseegrüne Raupen entdeckt, aus der ein Tagfalter mit langem Rüssel schlüpft: "Die Indianer, die nicht gut behandelt werden, wenn sie bei den Holländern im Dienst stehen, treiben damit ihre Kinder ab, damit ihre Kinder keine Sklaven werden, wie sie es sind. Die schwarzen Sklavinnen aus Guinea und Angola müssen sehr zuvorkommend behandelt werden, denn sonst wollen sie keine Kinder haben in ihrer Lage als Sklaven. Sie bekommen auch keine, ja sie bringen sich zuweilen um wegen der üblich harten Behandlung, die man ihnen zuteil werden lässt, denn sie sind der Ansicht, dass sie in ihrem Land als Freie geboren werden, so wie sie mich aus eigenem Mund unterrichtet haben“. 

Wie der Autor schreibt, war Merian eine ganzheitlich denkende Frau, die Zusammenhänge erkennend offenbar weit ihrer Zeit voraus war, wie ich vermute. 

Es bereitet Vergnügen all die Bilder zu bestaunen. Eines meiner Lieblingsbilder ist in Surinam entstanden und zeigt einen Granatapfel, dessen wunderschöne Blüten, eine Raupe und zwei Schmetterlinge. Das Motiv ziert, Sie sehen es oben, auch das Cover. Einfach nur zauberhaft. 

Ich will nicht zu viel verraten, sondern festhalten, dass es sich bei diesem Buch um ein informatives und dabei schönes Werk  handelt, das zu lesen und zu betrachten Freude bereitet. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Prestel-Verlag und können das Buch dort bestellen. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Wie sich Mileva Einstein Alberts Nobelpreisgeld sicherte- Anne-Kathrin Kilg-Meyer

Der Titel des gut geschriebenen Buches ist meines Erachtens nicht klug gewählt, weil der unbedarfte Leser den Eindruck erhält, Mileva Einstein sei eine raffsüchtige Frau gewesen. Das aber war sie keineswegs.

Verfasst hat das biographische Werk  Anne-Kathrin Kilg-Meyer. Sie ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familien- einschließlich Scheidungsrecht. Ihr Brotberuf mag der Grund dafür sein, dass sie das nicht einfache Leben Milevas im Buchtitel auf besagten materiellen Erfolg verdichtet. Ob sie Mileva Einstein damit ein Gefallen getan hat, möchte ich bezweifeln. 

Mileva Einstein war die Jugendliebe des Nobelpreisträgers Albert Einstein. Von Geburt an hatte sie ein Hüftleiden. Das Mädchen aus begütertem Hause war überdurchschnittlich intelligent und vielseitig begabt. Deshalb war es möglich, dass sie in einer Zeit, wo dies für Frauen eher unüblich war, Abitur machen und studieren konnte. 1896 begann sie ein Medizinstudium in Zürich, wechselte aber später an die Eidgenössische Technische Hochschule, um als einzige Frau ihres Jahrgangs Mathematik und Physik zu studieren. 

Hier lernte sie den um vier Jahre jüngeren Albert Einstein kennen. Beide verliebten sich ineinander. Als Studenten arbeiteten sie intensiv zusammen, aber im Gegensatz zu Albert Einstein bestand Mileva ihr Examen nicht. Offenbar hat es weder an Intelligenz noch Wissen gelegen, wie ihr späterer Mann bestätigte, sondern an der Frauenfeindlichkeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. 

Mileva wurde unehelich schwanger, gebar ein krankes Kind in ihrem Elternhaus fernab von Albert, der dieses Kind, das später starb, niemals sah. Das immer noch verliebte Paar heiratete wenig später und bekam zwei Söhne. 

Mileva und Albert hatten in den ersten Jahren ihre Ehe eine sehr enge Beziehung und forschten wissenschaftlich gemeinsam. Es muss für Mileva die Hölle gewesen sein als Albert sie wegen seiner Cousine Elsa verließ, um mit dieser Frau dann in Berlin zu leben. Wie geht ein Mensch mit einem solchen Vertrauensbruch, der sich weit über ein emotionales Aus erstreckt um?

Wie man erfährt, hungerte Mileva oft, um ihre Kinder gut versorgen zu können, arbeitete als Nachhilfelehrerin oder gab Musikunterricht. Albert Einstein zeigt sich ihr gegenüber in der Phase der Trennung als Mann, der in seiner  kühlen Sachlichkeit, die ihm als Schutzschild dient, ungeheuerlich und demütigend agiert. 

Wie es dazu kam, dass Mileva, die maßgeblich an Albert Einsteins Forschungen mitwirkte, das Preisgeld für den Nobelpreis erhielt, ist Thema des Buches, in dem auch deutlich wird, dass es ihr nicht um persönliche Bereicherung ging, sondern um die Absicherung ihrer beiden Söhne, um deren Erziehung sie sich erfolgreich aber auch rührend kümmerte. 

Empfehlenswert

Helga König

http://www.elisabeth-sandmann.de/

Überall im Buchhandel erhältlich

Rezension: Schauen Sie mal böse- Mario Adorf- Kiepenheuer & Witsch

Der Schauspieler Mario Adorf zählt zu jenen Menschen, die erst im fortgeschrittenen Alter optisch wirklich ausdrucksstark erscheinen und dann eine solch große Anziehungskraft an den Tag legen, wie sie in jungen Jahren noch nicht zu erahnen war.  Wie ist das möglich?

Das Leben prägt die Menschen optisch bekanntermaßen auf unterschiedliche Weise. Bewirken kann es Strahlkraft oder auch Leblosigkeit. Es ist die Seele, die das Äußere im Laufe der Jahre umformt und auf diese Weise auf das Denken und Handeln des Einzelnen reagiert.

In dem Buch "Schauen sie mal böse" erzählt der Schauspieler Mario Adorf Geschichten aus seinem Schauspielerleben. Adorf wird am 8.9.1930 85 Jahre alt, wurde in Zürich geboren und wuchs in der Eifel auf. Seit 1992 hat er nicht wenige Bücher veröffentlicht. Dies ist allerdings das erste, das ich rezensiere.

Mario Adorf trat im Laufe der letzten 60 Jahre in unzähligen Bühnenrollen und deutschen sowie internationalen Filmproduktionen auf. Ich selbst sah ihn auf der Bühne nur einmal und zwar bei den Nibelungenfestspielen in Worms im Jahre 2002. Damals mimte er auf beeindruckende Weise den alten Recken Hagen. Überzeugt hat er im jungen deutschen Film in der "Blechtrommel" und in der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum", aber auch im Fernsehvierteiler "Der große Bellheim".

Die Miniaturen zu seinem Leben im vorliegenden Buch beginnen in seiner Kindheit, fangen an mit ersten Erinnerungen, streifen die Nazizeit und erzählen dann von den Jahren als er Student war und wie es damals dazu kam, dass er Schauspieler aber auch Boxer wurde.

An seinem Beispiel wird  klar, dass großer Erfolg im Leben oftmals nicht geplant und manches, was man tut, einfach den Umständen geschuldet ist, so etwa das Boxen bei Adorf.  Dieser Autor ist kein Storyteller, sondern ein Mensch mit viel Bodenhaftung, der ungeschönt aus seinem Leben erzählt.

Mario Adorf ist ein Mann, dem Tränen vor anderen suspekt sind. Darüber schreibt er in der Miniatur "Das Weinen": "Man zeigt doch seine Tränen nicht, man wendet sich instinktiv ab, wenn man in Gesellschaft von der Rührung übermannt wird". Für ihn als Schauspieler gilt: "Tränen schnell trocknen und möglichst nicht direkt ins Publikum oder in die Kamera weinen."  

Mario Adorf, der Sohn eines italienischen Chirurgen und einer aus der Eifel stammenden Röntgenassistentin hat an Universität Mainz Philosophie, Psychologie, Kriminologie, Literatur, Musikgeschichte und Theaterwissenschaften studiert und viele Jahre benötigt, um der zu werden als den ihn sein Publikum kennt. 

Das Buch enthält neben den Erinnerungen aus seinem Schauspielerleben auch Zeichnungen von ihm, die dokumentieren, dass er  feinsinnige Ironie besitzt und sich auch selbst in Frage stellen kann.

Nachdem man die Geschichten gelesen hat, weiß man ein wenig mehr über die Hintergründe, weshalb Mario Adorf mit zunehmendem Alter an optischer Ausdruckskraft viel gewonnen hat. Er zählt nämlich zu den Menschen, die sich ihr ganzes Leben weiterentwickelt haben, weil er seinen Gaben gemäß lebt und dabei offen auch auf seine Schattenseiten schaut, die ihn in schwierigen Anfangsjahren haben überleben lassen. 

Empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu Kiepenheuer und Witsch und können das Buch bestellen.http://www.kiwi-verlag.de/buch/schauen-sie-mal-boese/978-3-462-31512-7/. Sie können das Buch aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Der leidenschaftliche Zeitgenosse- Zum Werk #Roger_Willemsen- S. Fischer-Verlage

Herausgeberin dieses Werkes ist die Publizistin, Literaturkritikerin und Moderatorin #Insa_Wilke, die 2014 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literatur ausgezeichnet wurde. 

Das Buch erschien am 13.8.2015, also vor zwei Tagen,  gerade rechtzeitig zum 60. Geburtstag des "leidenschaftlichen Zeitgenossen" Roger Willemsen. 

Roger Willemsen kennen viele und dies hat diverse Gründe, die Ines Geipel in ihrem Beitrag auf Seite 249 zusammenfasst: 

"Er schreibt Bücher, die beinah alle zu Bestsellern werden. Er tritt mit Programmen im ganzen Land auf, und die Säle sind rappelvoll. Er produziert Filme, fördert Literaturfestivals, ruft Radiosendungen ins Leben, tritt als Rate-Gast auf, moderiert die Echo-Klassik-Gala, schreibt Kolumnen, hält reden und Vorträge, macht Hörbücher und Musik-CDs. Die ideen-erotische Liste ist schier endlos. Vor allem aber weiß Roger Willemsen Themen zu setzen. Sein Credo: "Das Ich hat sich als Forderung zu verhalten." Oder auch: Das Ich ist vieles, aber wenigstens ist es vehement, engagiert, unterhaltend hochkarätig. Es ist überaus erfolgreich und nicht minder populär. Es hat ein hochprofessioneller Signalist seiner Zeit zu sein und natürlich ist es politisch. So ist er für Amnesty International, Terre de Femmes; CARE International und die UN-Flüchtlingshilfe tätig. Er ist Schirmherr des Afrikanischen Frauenvereins, unterstützt die Aktion "Deine Stimme gegen Armut", ist Pate des Kinderhospizes Bethel für sterbende Kinder und Mitglied von Attac. Es ist kein Engagement, das auf dem Papier steht. Wenn er Hilfe sagt, meint er sie konkret." (S.249). 

#Ines_Geipel ist eine der rund 30 Autorinnen und Autoren, deren Beiträge neben teilweise unveröffentlichten Selbstzeugnissen das lange Gespräch zwischen Roger Willemsen und Insa Wilke immer wieder unterbrechen und einen Gesamteindruck zum Werk sowie zur Person Roger Willemsen vermitteln. 

Die Liste der Autorinnen und Autoren ist beeindruckend, zu ihnen zählen auch die Politiker Gerhart Baum, Peter Gauweiler, Gregor Gysi, der Filmemacher Alexander Kluge, der Journalist Manfred Bissinger, der Lektor Jürgen Hosemann und andere mehr. 

Um sich einen schnellen Überblick über das Leben von Roger Willemsen zu verschaffen, hat man die Möglichkeit,  Eckdaten seiner Vita auf den letzten Seiten des Werks  zu studieren. Im Anschluss daran,  kann man sich in die umfangreiche Bibliographie seines Schaffens vertiefen, auch Fotos und visuelle Selbstzeugnisse von ihm sind zu bestaunen, um dann mit der Lektüre des Buches zu beginnen und hier sofort einen Eindruck zu gewinnen, das der Protagonist schon immer mit Sprache spielte. Das dokumentiert speziell auch eine beinahe poetische Aussage, die er im  zarten Alter von drei Jahren von sich gab:  "Kriegen wir den Schlitten, wenn es mittagt". 

Roger Willemsen erweist sich als ein besonders offener Gesprächspartner und man erfährt zunächst viel über seine Kindheit, jener Zeit als er noch davon träumte,  Förster zu werden. Seine Abiturrede ist abgedruckt und man liest sich durch sein bisheriges Leben, hält immer wieder inne, sei es um frühe Zeichnungen und Collagen von ihm zu bewundern oder ein wenig über eine seiner Antworten nachzudenken, so auch jene, weshalb er nicht lange an der Uni in München blieb. 

Er begründet: "Ich schaute eines Tages an einer Fassade hoch und merkte, dass ich diese Karyatide noch nie bemerkt hatte. Man lebt falsch, wenn man drei Jahre eine Straße entlanggeht und nie hochgeschaut hat.“ (S.73) 

Spontan denke ich an Goethe und dessen "Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre“ und meine eine Wahlverwandtschaft zu erkennen, die sich darin ausdrückt, dass beide eine erstaunliche Symbiose mit ihrem Werk eingegangen sind. 

Ich fange erst gar nicht an, eine gewisse Anzahl von Einzelbeiträgen im Buch zu skizzieren und möchte auch keineswegs das lange Gespräch zwischen ihm und Insa Wilke analysieren und bewerten. Vielmehr möchte ich über Roger Willemsens Antworten nachdenken, beispielsweise auf die Frage "Ihr Publikum erlebt sie als extrovertiert. Inwieweit brauchen Sie Einsamkeit zum Schreiben?, um auf diese Weise die Bücher, die ich von ihm kenne,  neu zu erfassen. 

Ich studiere die Handschrift des umtriebigen Autors und finde die hohe Konzentration, die sich in seiner Schrift zeigt, sehr interessant. 

Immer wieder habe ich Antworten von ihm mit dem Textmarker unterstrichen,  auch jene auf die Frage "Sie ziehen Musil immer noch Thomas Mann vor?"  Hier schreibt Willemsen: 

"Weil bei Thomas Mann die Vormacht des geglückten Satzes, des Sprechens für das Sprechen manchmal einen Selbstzweck bekommt, hinter dem die bürgerliche Erscheinung so sehr durchklingt, dass mir Musil als der radikalere Denker, schlankere Formulierer und auch ambitioniertere Nicht-Großschriftsteller sympathischer war.“ 

Schade, dass Marcel Reich-Ranicki nicht mehr lebt. Gerne hätte ich gewusst, was er bei der Buchbesprechung zu dieser Antwort gesagt hätte. 

Natürlich ist es spannend,  mehr über Willemsens Werke zu erfahren und hier auch wie dieser Autor den Begriff Kritik für sich interpretiert... 

Ich breche hier ab, denn es führt zu weit, noch mehr über den umfangreichen Inhalt des Buches auszuplaudern. 

Roger Willemsen wird heute 60 Jahre alt, wirkt optisch weitaus jünger, gleichwohl hinterlässt er den Eindruck (und zwar keineswegs erst dann, wenn man die Auflistung seiner Publikationen liest), dass er bereits 120 Jahre alt ist. Wie kann das sein? 

Er denkt, spricht und schreibt einfach schneller als andere,  offenbar weil er weiß "Wenn man heutzutage nicht flink ist, entgeht einem alles." (Zitat: John Galsworthy). 

Roger Willemsen ist sehr flink, speziell wenn er denkt und deshalb auch können wir ganz gewiss die kommenden Jahre noch viel Neues von ihm lesen. Das freut uns.

Ein sehr empfehlenswertes Buch 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu den S. Fischer-Verlagen und können das Buch bestellen.http://www.fischerverlage.de/buch/der_leidenschaftliche_zeitgenosse/9783100024220. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Rilke und die Frauen- Biografie eines Liebenden- Heimo Schwilk- Piper

Dr. Heimo Schwilk, der Autor des vorliegenden Buches, hat im letzten Jahr den italienischen Literaturpreis Premio Giovanni Comisso erhalten. Mit "Rilke und die Frauen" hat er sich in die Herzen aller Rilke-Fans geschrieben, denn sein Buch verhilft dazu, seine Poesie noch besser zu verstehen. 

Bevor ich die Biografie zu lesen begann, habe ich zunächst die 22 Abbildungen genauer studiert, um einen visuellen Eindruck von einigen  Frauen zu erhalten, die in seinem Leben eine Rolle spielten. Diese Bilder sind übrigens sehr aufschlussreich.

Dem Buch näherte ich mich, indem ich zunächst den Epilog las und hier erfuhr, dass Rilkes größter Bucherfolg bis heute eine Gesamtauflage von rund einer Million verkaufter Exemplare aufweisen kann. Es handelt sich dabei um das kleine Werk "Cornet". Hier auch las ich von seiner Verlegerin und Lektorin Katharina Kippenberg, die Rilke in ihrem Insel-Verlag gefördert hat und ihn auch im Jahrzehnt seiner Schreibhemmung zwischen Beginn und Vollendung der "Duineser Elegien" sehr förderte. Diese Frau wurde seine Biografin und ihre Texte zu Rilke sollen den besten Zugang zum Leben und Werk dieses Dichters liefern. 

Das Vorwort des Autors beginnt mit den Worten "Rilke war das, was man heute ironisch als "Frauenversteher" bezeichnen würde."

Der Dichter hatte eine besondere Begabung, primär die weiblichen Adressaten seiner Briefe in eine existentielle Komplizenschaft mit hineinzuziehen und soll übrigens mitunter bis zu 400 Briefe im Monat verfasst haben. 

Für jeden Briefpartner soll er einen anderen Ton gefunden haben. Er umwirbt Fürstinnen, Baronessen und Gräfinnen im Willen, sie dienstbar zu machen für sein dichterischen Werk, denn seine diesbezüglichen Ziele machen Mäzenatentum erforderlich. Der Autor, dem bewusst ist, dass über Rilke nahezu alles schon gesagt worden ist,  weiß, dass ein Mysterium bleibt: "die Magie eines Dichtes, der es verstand, sein Leben fast vollkommen in seinem Werk aufgehen zu lassen." 

Frauen zog er in den "Weltinnenraum" seiner Imagination hinein und transformierte sie in Dichtung. Schwilks Biografie handelt von diesen Schicksalen. Den Anfang nimmt Sophie Rilke, die Mutter des Dichters, der ihr alleine 1134 Briefe schrieb, nicht zuletzt, weil er sie verehrte. Neben seiner Mutter gab es eine Reihe von Ersatzmüttern, über die man viel erfährt, so etwa Lou Andreas-Salomé, aber auch die Fürstin von Thurn und Taxis und in späteren Jahren Nanny Wunderly-Volkart, die im wie einem Kind alle Wünsche von den Lippen abgelesen haben soll. Seine Ehe mit Clara Westhoff bleibt nicht unerwähnt. 

Rilke übrigens soll aus jeder Beziehung in neue Beziehungen geflüchtet sein. Letztlich sollte ihm die Liebe nur zur Selbststeigerung als Dichter verhelfen. In der erinnernden Distanz war es ihm möglich aus heißen Gefühlen kühl und formvollendet Kunst zu gestaltet, so Schwilk. 

Rilkes Liebesbegriff war religiös fundiert und nicht sehr erotisch. Das erklärt auch, dass er zwar viele Frauen liebte, aber kein Casanova war. Seine sexuellen Erfahrungen mit Frauen wie Lou Andreas Salomé und Clara Westhoff befriedigten ihn nicht, was wohl an ihm lag, da körperliche Liebe ihn nicht erfüllte. 

Doch ich möchte nicht zu viel verraten..., vielleicht nur so viel, dass der Leser sich nicht nur auf eine eloquente Biographie, sondern auch auf Original- Rilke Textauszüge freuen darf

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu Piper und können dort das Buch bestellen. Sie können es aber auch direkt beim Buchhändler und die Ecke ordern.http://www.piper.de/buecher/rilke-und-die-frauen-isbn-978-3-492-05637-3

Rezension: Reinhold Würth- Der Patriarch in seiner Verantwortung- Claus Detjen- Frankfurter Allgemeine Buch

Der Journalist Claus Detjen hat Gespräche mit dem Unternehmer und Mäzen Reinhold Würth geführt, die er in diesem Buch im Rahmen von neun Kapiteln der Allgemeinheit zugänglich macht. Reinhold Würth wurde am 20. April 2015 achtzig Jahre alt. In den Gesprächen mit dem Autor verleiht dieser Einblicke in die Ideen und Positionen, die über die Rolle des Unternehmers hinaus, den Bürger, den Mäzen und den Familienvater aus dem Verständnis von Verantwortung leiten. 

Zunächst aber hat man Gelegenheit sich in einen kleinen Essay von Hans Magnus Enzensberger zu vertiefen, der den Titel "Von außen gesehen. R. W. zum Achtzigsten" trägt. Dort liest man bereits sehr Sympathisches über Würth: "Er schätzt seine Unabhängigkeit. Nie wollte er an die Börse gehen. Den Usancen der Finanzindustrie misstraut er ebenso wie Managern, die ihr Unternehmen so leicht wechseln wie ihr Hemd. Von Anfang an hat er langfristig gedacht…"

Claus Detjen schreibt dann in der Folge, dass Reinhold Würth in dem Konzern, den er geschaffen hat, lebt und für Annäherungen an ihn die Distanzen nicht gering seien. Der Unternehmer und Mäzen verfüge über eine liberale Grundhaltung. Er sieht im Mangel an politischem Mut einen Verfall des Liberalismus in Deutschland. 

Die Gespräche, die Detjen mit Reinhold Würth führte, sind in diesem Buch zusammengefasst. Der Unternehmer spricht auch über seine Misserfolge, Rückschläge, Enttäuschungen und Grenzerfahrungen und verbindet autobiografische Erinnerungen mit Sachberichten sowie erzählerischen Passagen. 

Würth zählt zu den Persönlichkeiten, die Ansehen, Einfluss und Erfolg selbst herbeigeführt haben. Dabei liegt sein Haupterfolg darin, dass er das Verkaufen als den schönsten Beruf der Welt begreift. Er liebt den Umgang mit Menschen, seinen Produkten und das Reisen und schätzt Leistung als eine Selbstverständlichkeit für Sinnerfüllung. 

Wie man erfährt, hat kein anderes Unternehmen so viele fest angestellte Verkäufer wie die Würth-Gruppe: über 30. 000. Diese Gruppe ist eine komplexe Verkaufsmaschine, die aus über 400 einzelnen und verbundenen Firmen besteht. 

Würth unternehmerische Aktivitäten sind auf Gewinn ausgerichtet und insofern gehört seine Kunstsammlung mit ihren zentralen Beständen dem Konzern bzw. der Gruppe. Dabei möchte er Menschen in der Arbeitswelt inspirieren, ihren Lebenssinn über den Alltag hinaus zu orientieren.

Im Rahmen der neun Kapitel erfährt man u.a. wie der Patriarch für die Familie vorsorgt,  auch weshalb Würth sich für Politik interessiert. Er äußert sich hier  im Hinblick auf seine liberale Grundeinstellung, setzt sich diesbezüglich für die Förderung von Eliten ein, weil eine freie Gesellschaft diese benötigt, spricht über das Versagen der FDP und erläutert zudem, weshalb zu viel Staat die Eigenverantwortung der Bürger zerstört. 

Doch ich möchte nicht zu viel verraten von dem Menschen, der sehr neugierig zu sein scheint und daraus ein Erfolgskonzept entwickelt hat. Den  wichtigsten Satz, der Würths Resilienz dokumentiert, möchte ich hier wiedergeben: 

Rückschläge passieren, aber das darf einen nicht davon abhalten,  Ziele weiter zu verfolgen, sich neue Ziele vorzunehmen. Mein Ziel ist es immer geblieben, besser zu sein als der Durchschnitt."

Seine unglaubliche Energie bezieht Reinhold Würth übrigens aus dem Willen, die Aufgaben zu erfüllen, die er angenommen hat und denen er sich stellen will. Damit überzeugt er als Mann von großer innerer Stärke. 

Empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen sie zum Verlag und können das Buch bestellen.http://www.fazbuch.de/. Sie können es jedoch auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Kollwitz- Yuri Winterberg- Sonya Winterberg- C. Bertelsmann

Am 22.4.2015 verstarb die Künstlerin Käthe Kollwitz. Zum Anlass ihres 70. Todestages ist bei C. Bertelsmann eine Biographie mit dem Titel "Kollwitz" erschienen. Es ist die Arbeit des Schriftstellers und preisgekrönten Drehbuchautors Yury Winterberg und seiner Frau Sonya, die als Journalistin tätig ist. Gemeinsam publizieren die beiden seit zwanzig Jahren zeitgeschichtliche Themen. 

Die Autoren recherchierten seit 2010 die Lebensgeschichte der berühmten Graphikerin und Bildhauerin und haben dabei zahlreiche unbekannte Details entdeckt, so etwa Korrespondenzen in Archiven im In- und Ausland. Die Biographie ist nach den einleitenden Worten in 13 Abschnitte untergliedert und enthält eine Vielzahl von Schwarz-Weiß-Fotos, die dem Leser die Künstlerin, ihr Umfeld, ihre Werke, ihre Handschrift, ja sogar die Innenfläche ihrer rechten Hand nahebringen. 

Käthe Kollwitz war eine Ostpreußin. Sie wurde in Königsberg geboren, dem Ort, wo Immanuel Kant einst an der Universität lehrte und die Studenten wissen ließ, was er unter Aufklärung verstand. 

In der Einleitung wird zuallererst auf Augen der Ostpreußin hingewiesen. Diese sollen Menschen in den Bann gezogen haben. Kollwitz wird als unkonventionell beschrieben und es scheint generell eine geradezu hypnotische Ausstrahlung von ihr ausgegangen zu sein. 

Die vorliegende Biographie möchte nicht mit den vielen kunsthistorischen Arbeiten über Käthe Kollwitz konkurrieren. Die Autoren setzen bewusst den Schwerpunkt auf die Vita der Künstlerin. Dabei wird das Kollwitz`sche Werk in erster Linie herangezogen, um Verbindungen zur Lebensgeschichte aufzuzeigen.

Grundlage der vorliegenden Arbeit sind umfangreiche Selbstzeugnisse der Künstlerin, ihre Tagebücher, Briefe, autobiographischen Schriften, aber auch Zeugnisse aus dem Alltagsleben von Käthe Kollwitz. Viele Dokumente werden im Buch erstmals ausgewertet. 

Wer sich mit dem Leben dieser beeindruckenden Frau näher befassen möchte, ist mit diesem Werk gut beraten. Die Biographie  verleiht beste Einblicke in einzelne Zeitfenster, die diese Frau sehr unkonventionell mit Leben ausfüllte und hier nicht nur als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste berufen wurde, sondern auch als erste Frau den Orden "Pour le Mérite" erhielt. 

Der Künstler Ernst Barlach hat dem schwebenden Engel im Güstrower Dom- ein Mahnmal für die Toten im Ersten Weltkrieg-  unbewusst die Gesichtszüge von Käthe Kollwitz verliehen. 

Nach der Lektüre des Buches weiß man auch weshalb.

Empfehlenswert.

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum C.Bertelsmann-Verlag und können das Buch bestellen http://www.randomhouse.de/Buch/Kollwitz-Die-Biografie/Yury-Winterberg/e446036.rhd.
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Rezension: Lyonel Feininger- Christiane Weber

Gestern schrieb ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" in der Rubrik "Gedanken zur Ethik und Kultur“ anlässlich des 144. Geburtstags von Ernst Barlach einen kleinen Beitrag, um an diesen, durch die Nazis verfemten Künstler zu erinnern.

Was hat Barlach mit Feininger gemeinsam?

Auch Feiningers Werke galten bei den Nazis als "entartet“, auch dieser Künstler war verfemt. 

Von dem Kubisten Lyonel Feininger (1871- 1956) hörte ich erstmals im Alter von 20 Jahren. Eine Journalistin aus Weimar, die in Darmstadt lebte, berichtete mir von diesem Künstler, den sie sehr schätzte und schenkte mir ein Druck eines  seiner Ölbilder, das übrigens im vorliegenden Buch visualisiert worden ist. Es handelte sich dabei um eine Abbildung von Feiningers Ölgemälde mit dem Titel "Ober-Weimar" aus dem Jahre 1921. 

In der Einführung von Christiane Weber, sie ist Kulturredakteurin der Thüringischen Landeszeitung, erhält man einen Überblick bezüglich Feiningers Biografie. Der Künstler wurde in New York geboren, verbrachte jedoch den größten Teil seines Lebens in Deutschland. Ich möchte an dieser Stelle sein Leben nicht nacherzählen, wohl aber erwähnen, dass es seine 2. Frau war, die ihn nach Weimar führte, denn Julia Berg studierte dort an der Kunstgewerbeschule. 

1919, er und Julia hatten mittlerweile drei Söhne, ließ Feininger sich in Weimar nieder. Über seine Weimarer Zeit und über seinen weiteren Schaffensraum an der Ostsee sowie vieles andere mehr erfährt man in diesem reich bebilderten Buch, in dem auch immer wieder Zitate von Feininger eingebunden sind, die neben den Werksabbildungen und den alten Fotos diesen wunderbaren Künstler dem Leser besonders lebendig nahebringen.

Wenn Feininger ohne seine Familie in Weimar war, lebte er völlig für seine Kunst. Er erkundete mit seinem Fahrrad die Umgebung und hielt alles in seinen Bildern fest. Selbst in schwierigen Zeiten beharrte er darauf, seine Gabe in seinen Werken perfekt auszudrücken, weil die Kunst für ihn  nicht Luxus, sondern eine Notwendigkeit war.

Feininger malte Stillleben, Häuser, Landschaften, seltener Menschen, kannte viele berühmte Künstler und nahm gemeinsam mit den Protagonisten des Blauen Reiters 1913 auf Einladung von Franz Marc am "Ersten Deutschen Herbstsalon" in der Berliner Galerie "Der Sturm" teil.

Der Kosmopolit wurde 1919 zur Gründung des Staatlichen Bauhauses als erster Bauhaus-Meister von Walter Gropius nach Weimar berufen. Dort leitete er die Druckwerkstatt. Man staunt über die vielseitige Befähigung dieses Mannes, der anfänglich als Karikaturist gearbeitet hat und erst mit 36 Jahren überhaupt zur Malerei kam.

Nicht uninteressant für Reisende sind die letzten Seiten des Buches. Hier kann man sich auf den Spuren Feiningers durch Weimar und das Weimarer Land, an die Ostsee nach Usedom und auch nach Quedlinburg begeben und erfährt, was es dort im Hinblick auf den Künstler, zu besichtigen gibt.

1937 verließ Lyonel Feininger gemeinsam mit seiner bedrohten jüdischen Frau das braune Deutschland und ging in die USA. Seine Kunst galt bei den Nazis als entartet, ähnlich wie die Kunst vieler anderer hervorragender Künstler. 378 seiner Werke wurde konfisziert.

Wenn der Plebs regiert, ist kein Raum für Kunst und geistvolle Literatur. Das war in allen Zeiten so. Der zerstörungswütige Plebs strebt stets das Ende der Zivilisation  und  Kultur an. Das muss sich jeder der Kunst und Kultur verbundene Mensch klar machen. Deshalb gilt: 

"Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, dass im Ernstfall, im ernstesten Falle, genügend Helden zur Stelle sein werden.“ (Erich Kästner). Bereits Ovid ermahnte nicht grundlos: "Wehret den Anfängen". Insofern ist es wichtig an all die Verfemten  stets aufs Neue zu erinnern und frühzeitig  Zerstörern des "Guten, Wahren und Schönen"  das  Handwerk zu legen.

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zur Weimarer Verlagsgesellschaft und können das Buch bestellen: http://www.verlagshaus-roemerweg.de/Weimarer_Verlagsgesellschaft/Seite_2.html. Sie können es aber auch  direkt beim Buchhändler  ordern.

Rezension: Schönheit besiegt Angst- Wie ich unter Haien ein freier Mensch wurde- Jean Marie Ghislain- Elisabeth Sandmann-Verlag

Der Elisabeth Sandmann-Verlag wartet in diesem Buchherbst mit zwei korrespondierenden Büchern des Belgiers Jean-Marie Ghislain auf, einerseits mit der packend geschriebenen Lebensgeschichte dieses Fotografen, die unter Mitarbeit von Valérie Pèronnet entstanden ist und andererseits mit einem Bildband primär in Schwarz-Weiß, der die Unterwassererfahrungen Ghislains eindrucksvoll dokumentiert. Der Titel des Bildbandes lautet: "Berührende Schönheit".

In den letzten Monaten habe ich bereits zwei Bücher zum Thema Angst rezensiert und möchte diesen nun ein weiteres hinzufügen, denn Ghislains Autobiografie ist letztlich ein Anti-Angst- Praxisbuch, das zeigt, dass unser Leben selbst zur Anti-Angsttherapie werden kann, wenn wir dies zulassen. 

Der Untertitel der Lebensbeschreibungen lautet "Wie ich unter Haien ein freier Mensch wurde". Genau dieser Untertitel sprach mich an und ließ mich gestern Abend schließlich das 159 Seiten umfassende Buch in einem Rutsch durchlesen. Die poetische Sprache gepaart mit dem Mut und der Abenteuerlust des Autors nahm  mich sofort gefangen und schenkte mir sehr schöne Lesestunden. 

Ghislain ist ein ungewöhnlicher Mensch, der alles andere als eine Beamtenmentalität besitzt. Der Mitte 1950 geborene Mann von beeindruckender Tatkraft verfügt im Übermaß über das, was mittels diversen Psychologieratgebern Lesern antrainiert  werden soll: Resilienz.

Ghislain, dessen Leben sich als permanenter Wechsel von Erfolg und Absturz erweist, den er packend beschreibt und der als Frauenliebling immer wieder Halt bei schönen und dabei nicht selten klugen Frauen findet, lernte seine Untiefen auszuleuchten, lernte schließlich, nachdem er bereits tollkühn gesegelt, gesurft und geflogen ist,  das Tauchen kennen und eroberte sich eine Welt, von der er zuvor keine Vorstellung hatte. 

Doch dies geschieht erst zu Ende des Buches. Zuvor nimmt man an vielen anderen Abenteuern des Autors teil, die er überall auf der Welt in den letzten Jahrzehnten erlebte. Ghislain arbeitete nach seinem Studium nicht als Fotograf, sondern schlug sich als Selfmademan und hier als Kaufmann und Unternehmensgründer, der oft viel Fortune hatte: durchs Leben. Das Glück verließ ihn immer wieder kurzzeitig, löste aber stets dramatische Veränderungen in seinem Leben  aus. durch die er neue Wege gehen konnte, um immer intensiver zu sich und seinen Ängsten vorzudringen, die irgendwo in seiner Kindheit angesiedelt waren. 

Es scheint keine bewusster Prozess gewesen zu sein. Dinge ereigneten sich einfach. Ghislain, der nicht zaudernde Mann der Tat, bemühte sich mit den Lebenssituationen, die er vorgesetzt bekam, stets auf Neue fertig zu werden und nicht depressiv aufzugeben. 

Ein Mensch, wie Jean-Marie Ghislain erscheint dem einen oder anderen Leser möglicherweise generell als angstfrei, wenn er dessen Lebensbeschreibung liest. Das jedoch ist nicht so. Es ist seine Resilienz, nicht seine vermeintliche Angstfreiheit, die ihn  stets rettet, wenn aufgrund veränderte wirtschaftlicher Umstände  blühende Firmen von ihm Knall auf Fall zusammenbrechen und er vor einem Scherbenhaufen steht.

Sein Knowhow lässt ihn immer wieder erfolgreich Neues entwickeln. Er lebt die amerikanische Erfolgsidee, die für deutsche Sicherheitsdenker so fremd ist wie ein ferner Stern. Jean- Marie Ghislain greift nach den Sternen und findet sie schließlich weltweit unter Wasser, indem er seine Angst vor Haien überwindet und fortan fotografisch ihre Schönheit besingt. 

Ein tolles Buch, sehr lehrreich, nicht nur, was die Praktiken der Angstüberwindung anbelangt, sondern auch im Hinblick auf die Tatsache, dass vieles erreichbar ist, wenn man sich nicht hängen lässt und das Leben umso erkenntnisreicher zu sein scheint, je mehr es einer Achterbahn gleicht.

Empfehlenswert

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Elisabeth-Sandmann-Verlag und können das Buch bestellen. http://www.elisabeth-sandmann.de/buecher/biografie-und-gesellschaft/897/schoenheit-besiegt-angst

Rezension: "Denn das Leben ist die Liebe"- Marianne von Willemer und Goethe im Spiegel des West-östlichen Divans

Dies ist der Ausstellungskatalog zur Ausstellung  "Denn das Leben ist die Liebe- Marianne von Willemer und Goethe im Spiegel des West-östlichen Divans", die vom 19.09.2014 bis 23.11.2014 im Arkadensaal im Frankfurter Goethehaus Freies Hochstift stattfand. 

Das Vorwort zum Katalog hat Anne Bohnenkamp-Renken verfasst. Sie hat gemeinsam mit Henrik Birus in Verbindung mit Christoph Perels, Andrea Polaschegg und Joachim Seng diesen informationsreichen Katalog herausgegeben. 

Anlass der Ausstellung war das 200 jährige Jubiläum von Goethes Lektüre des persischen Dichters Hafis und sein Zusammentreffen mit der jungen Frankfurterin Marianne Jung, verheiratete von Willemer. In der Ausstellung ging es darum, die wechselseitige Steigerung von Poesie und Leben zu zeigen, die für das Werk des  "West-östlichen Divans" bezeichnend ist. 

Die Idee und Konzeption zur Ausstellung und zum Katalog entstanden im Dialog zwischen Anne Bohnenkamp-Renken und Henrik Birus. Aufgeklärt wird man über die Sehnsucht des Frankfurter Bürgertums im 18. Jahrhundert nach dem Morgenland und erfährt von Goethes Orientvorstellungen lange bevor er den "West-östlichen Divan" schrieb, liest welche orientalischen Gegenstände in keinem begüterten Haus damals hinwegzudenken waren und  dass morgenländischer Flair inklusive Ottomane und Diwan zum Interieur des bürgerlichen Wohnzimmers zählte. 

Der junge Goethe hatte sogar einen Latein- und Griechisch- Lehrer, dessen Onkel ein osmanischer Hauptmann war. Goethes entscheidende Begegnungen mit dem Morgenland fanden allerdings in der Literatur statt. Dabei faszinierten den jungen Goethe in erster Linie Schriften aus dem Orient, die er in der väterlichen Bibliothek vorfand. Seine frühe Beschäftigung mit dem Orient bewegte sich durchweg in einem Faszinationsraum aus Heiliger Schrift, Genialität, Poesie und morgenländischem Altertum. Insofern haben Goethes frühe gedankliche Morgenlandfahrten nur wenig mit dem "West-östlichen Divan" zu tun. 

Im Sommer 1814 las Goethe den "Diwan" von Hafis und führte zu dem Werk  "West-östlicher Diwan" von Goethe. Man erfährt u.a. von einer Übersetzung der  "Hohelieds Salomons" seitens Goethe im Jahre 1775, auch dass er sich mit dem Islam beschäftigt hat. 

Christoph Perels schreibt über die Begegnung Goethes mit Marianne von Willemer. Zu diesem Thema habe ich 2004 eine Rezension zu Dagmar von Gersdorffs "Geschichte einer Liebe" geschrieben. Perels fasst in seinem Beitrag alles Wissenswerte diesbezüglich sehr gut und komprimiert zusammen. 

Man lernt Mariannes neapolitanische Gitarre kennen, die sie an jenem Abend als Goethe in der Gerbermühle weilte, spielte und lernt auch ihren Schmuck kennen. Sehr schön zudem sind die Höchster Porzellan- Figuren, die Türkenkapelle und der Sultan und die Sultanin von Peter Melchior, der einst Goethe porträtierte. Erfreulich ist, dass diese Figuren im Buch gezeigt werden. Die Jugendfreundin Marianne Willemers Antonie Brentano erbte einst 172 solcher wertvoller Figuren von ihrem Vater. Heute sind Höchster Figuren ein Vermögen wert.

Wissenswertes erfährt man über den orientalisierten Liebesdialog "Hatem und Suleika" und kann sich mit Textinterpretationen befassen, die hier zu erörtern, den Rahmen sprengen würde, aber man begreift den Dialog durch die Textinterpretation besser und weiß einzuschätzen, wie man die Zeilen "Denn das Leben ist die Liebe/Und des Lebens Leben Geist" zu werten hat. 

Den Erstdruck des "West-östlichen Divan" lernt man kennen, liest auch über Marianne Willemers Leben nach der Begegnung mit dem Dichter, kann sich anschließend in die Kataloginformationen vertiefen und erhält auf diese Weise eine Vorstellung davon, was alles in der Ausstellung zu sehen war. Dabei gewesen ist auch die Reinschrift von  "Ginkgo Biloba" mit den beiden Ginkgo-Blättern aus dem Jahre 1815. 

Empfehlenswert.