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Rezension: Höher als der Himmel- Heldinnen der Berge-Joanna Croston- Callwey


Dieses reich bebilderte Buch mit einer sehr informativen, mehrseitigen Einleitung von Nadani Purandare enthält 20 spannende Geschichten über Bergsteigerinnen. Purandare beginnt ihre Einleitung mit dem Satz: "Im 19. Jahrhundert wurden Frauen in der gesamten westlichen Welt sehr restriktiv behandelt." Da muss man ihr leider zustimmen. Insofern sei Klettern, wie sie meint, ein sinnbildlicher Akt der Befreiung gewesen. Befreiung, aber zu welchem Preis? 

Joanna Croston, die Autorin, nimmt die LeserInnen mit auf die Reise zu den besagten 20 sehr wagemutigen Frauen aus der Bergsteigerwelt. Dabei beginnt sie den Reigen mit Junko Tabei und die Erstbesteigung des Mount Everest durch eine Frau. Diese Japanerin war von 1945 bis 2016 aktiv.

Zwischen der Erstbesteigung des Everest im Jahr 1953 und dem Jahr 1974 hatten es nur sechs Männer geschafft, den 8848 Meter hohen Gipfel zu erklimmen. Man liest von dem schlimmen Lawinenunglück, das Junko Tabei fast daran gehindert hat, ihr Ziel zu erreichen, doch am 16. Mai 1975 stand sie als erste Frau auf dem Gipfel. Der Ehrgeiz hatte sich offenbar gelohnt. Sie wurde als eine der einflussreichsten Frauen des Jahrhunderts anerkannt. 

Neben den Geschichten über die 20 Bergsteigerinnen gibt es jeweils Infos zur Nationalität der einzelnen Bergsteigerinnen, die Geburts- und Sterbedaten und die Jahre, wo sie aktiv waren. Infos aller Art und Fotos vom jeweiligen Berg runden das ab, was notwendig ist, um ohne Wenn und Aber anzuerkennen, dass es hier um etwas geht, was man nicht verstehen muss: Heldenmut und Heldentat. 

Liest man, welchen Strapazen und Erfrierungen darüber hinaus welchem Risiko, bei der Expedition gar zu sterben, sich die Damen aussetzten, wird man nachdenklich, wie man das nennen soll. Große Energieleistung? Ja. Großer Akt der Selbstdisziplin? Ja. Wagemut? Ja. Heldentat? Hier zögere ich. 

Darf man sein Leben für Ruhm und Ehre aufs Spiel setzen? Diese Frage muss jeder für sich beantworten.

Hierzu lese man die Geschichte von Elisabeth Revol, die bei ihrer Tour an der Westwand des Nanga Parbat sich schwere Erfrierungen an den Händen und am Fuß zugezogen hatte, sie schrappte an Amputationen vorbei. Lohnt sich das für Ruhm und Ehre? 

Dennoch oder gerade deshalb: ein absolut lesenswertes Buch mit spannenden Geschichten, tollen Fotos, einem lesenswerten Essay über die Zukunft des Kletterns, einem sehr guten Glossar, einem sogenannten Zeitstrahl, wo man einen historischen Überblick erhält und dazu noch Infos über 15 weitere Bergsteigerinnen.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Onlinebestellung: Callwey oder überall im Buchhandel erhältlich.

Vergessene Heldinnen-Frauen, die Geschichte schrieben- Stefanie von Wietersheim-Callwey


Stefanie von Wietersheim, die Autorin des vorliegenden Buches, ist Journalistin und Bestsellerautorin.

Sie stellt in ihrem Werk 23 Frauen vor, die wir kennen sollten. Wie sie in der Einleitung schreibt, handelt es sich bei diesen Persönlichkeiten um solche, die vor allem "Wandlung" vorangetrieben haben. 

Jedes Porträt umfasst einen spannend zu lesenden biographischen Part. Darüber hinaus gibt es interessante Gemäldeablichtungen oder Fotos zu den fokussierten Personen, zudem jeweils eine Schautafel, die auf bekannte Männer der Zeit verweist, in der die jeweilige Frau gelebt hat. Für Schnellleser sind zudem kurz und prägnant Fakten und Lebensdaten der einzelnen Protagonistin aufgelistet und es gibt zumeist ein Interview, genannt "Stimme aus dem Jetzt", wo ausgesuchte InterviewpartnerInnen erhellend Stellung zu der jeweils in Augenschein genommenen Dame und ihrem Tun beziehen.

Obgleich ich nicht wenige Bücher über namhafte Frauen vergangener Zeiten gelesen habe, kannte ich nur wenige Lebensläufe der Damen, die in diesem Buch vorgestellt werden, natürlich aber die Biografien der Vorbilder für soziales oder politisches Engagement Elly-Heuss Knapp und Annemarie Renger, zweier Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren. 

Sehr spannend finde ich den Lebenslauf der Designerin Madeleine Castaing, die 1992 im Alter von 98 Jahren in ihrem Schlafzimmer starb. Sie hat einen Stil geschaffen, der ihren Namen trägt und befolgte seit 1933 eine Diät, von der anzunehmen ist, dass sie durch diese so alt werden konnte. 

Beeindruckend auch ist der Lebensweg von Doris Zinkeisen, die als erste Künstlerin das KZ Bergen-Belsen betrat, nach seiner Befreiung am 15.4.1945. Dort sei sie auf den Anblick von 13.000 Leichen und rund 60 000 entkräfteten Gefangenen getroffen und malte, was sie sah. Von diesem Alptraum sei sie den Rest ihres Lebens verfolgt worden. 

Lesenswert ist das Interview mit Charlotte Johnson, der Enkelin von Doris Zinkeisen, die erklärt, weshalb ihre Großmutter so lange vergessen war, obgleich ihre Persönlichkeit einst so prominent gewesen sei. 

Das Buch ist ein Geheimtipp für alle, die sich für Frauen interessieren, die auf unterschiedliche Art Geschichte schrieben.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Onlinebestellung:  Callwey oder überall im Buchhandel erhältlich.

Rezension: Widerstände-Jüdische Designerinnen der Moderne- Michal S. Friedländer-Hirmer


Dies ist der gleichnamige Katalog zur Ausstellung "Widerstände-Jüdische Designerinnen der Moderne", die vom 11. Jul. bis 23. Nov 2025 im Jüdischen Museum in Berlin gezeigt wird. Wie Hetty Berg, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, in ihrem Vorwort schreibt, haben zu Beginn des 20. Jahrhundert deutsch-jüdische Frauen mit ihrem schöpferischen Potential ein breites Gestaltungsspektrum bedient, von der Textilkunst über Keramik, Modedesign, Grafik bis hin zur Gold- und Silberschmiede. Mit ihrem Engagement sei es ihnen gelungen, darüber hinaus ihre eigene Emanzipation zu gestalten. Leider fanden, so Berg, die Karrieren dieser Frauen unter dem Nationalsozialismus ein jähes Ende. 

Die Kuratorin Michal Friedländer recherchierte in mehreren Ländern, um auf diese Weise Objekte und Lebenswege zu erhellen. In ihrem Essay "Wege jüdischer Designerinnen" beantwortet sie u.a. ausführlich die Frage "Warum gerieten jüdische Designerinnen in Vergessenheit?" und erörtert die sozio-demografische Situation jüdischer Frauen in Deutschland. Des Weiteren geht es darum, den Unternehmerinnengeist und die berufliche Selbstständigkeit der Jüdinnen in der damaligen Zeit zu beleuchten und schließlich um das "Staatliche Bauhaus" und die private "Schule Reimann", wo 1/3 der Studentinnen jüdisch war. In dieser Schule sei das Kursangebot groß und umfassend gewesen. Zum Mode-, Metall- und Plakatdesign, gesellten sich später zudem Fotografie, Innenraum- und Schaufenstergestaltung. Namhafte jüdische Designerinnen hätten diese Schule besucht und sich anschließend rasch etablieren können, bis zu dem Tage der Machtübernahme Hitlers. Von da an wurden die Frauen verfolgt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. 

Im Buch lernt man 60 jüdische Kunsthandwerkerinnen kennen, erfährt im Rahmen von kurzen Porträts, womit sie sich beschäftigten, liest auch Wissenswertes zu ihrer Ausbildung und ihrem Schicksal in der NS- Zeit. Nicht wenige der vorgestellten Frauen sind sogar fotografisch abgelichtet. Auch Arbeiten der Kunsthandwerkerinnen sind auf Fotos zu sehen. 

So liest man beispielsweise von der ersten Industriedesignerin Deutschlands- sie hieß Paula Straus-, die sich in den 1920er Jahren in einer Männerdomäne etabliert hatte, erfährt auch, dass sie in Auschwitz ermordet wurde.

Man lernt u.a. eine Modezeichnung von Alice Neumann kennen, sie war Absolventin der Schule Reimann, kann auch eine Originalzeichnung von Franziska Schlopsnies bewundern, die als eine der wichtigsten Mode-Illustratorinnen der 1920er Jahre galt. Ein Titelblatt von dem Modeheft "Die Dame", aus dem Jahre 1924 zeigt eine Arbeit Steffie Nathans, auch lernt man auf Fotos wundervoll gestaltete Hüte kennen, Arbeiten der Hutmacherin Regina Friedländer, die in Berlin sich als Modetrendsetterin einen Namen machte. 

Erfreulich zu lesen, sind die Kurzbiografien all jener Kunsthandwerkerinnen, denen es gelang, den Nazis zu entkommen. So etwa die Malerin und Gebrauchsgrafikerin Gertrude Sandmann, die ihr Leben lang für die Emanzipation der Frau stark machte und in einem Versteck der Deportation der Nazis entkam.

Der Ausstellungskatalog hat wahrlich viel zu bieten. Er offenbart die kaltblütige Gesinnung der Nazis und ihr niederträchtiges Tun. Doch in erster Linie ist er eine Hommage an 60 wunderbar kreative Frauen, die Mut hatten, ihr Können  nicht zu verstecken, solange es irgend möglich war.  

Maximal empfehlenswert.

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Rezension: Goethe im Wahnsinn der Liebe- Band 3 : `Roma – Amor´, Veit Noll, Forschungsverlag Salzwedel


Nun also ist der 3. Band zum Thema "Goethe im Wahnsinn der Liebe" des Autors Veit Noll im Forschungsverlag Salzwedel erschienen. Er trägt den Untertitel `Roma – Amor´ und wartet mit einem überaus komplexen, 230seitigen Text, einer Fülle von Bildern, einem übersichtlichen Verzeichnis der Abbildungen und beeindruckend vielen Endnoten, einer ergänzenden Auswahlbibliothek bzw. eines Siglenverzeichnisses sowie dem Inhaltsverzeichnis auf.

Beginnen wir mit dem Cover: Es zeigt Aurora die Morgenröte. Der Autor erläutert dieses Bild ausführlich und dabei interessant und bringt damit zum Ausdruck, worum es in diesem Buch geht: erneut um das problematische Verhältnis der Herzogin Anna Amalia von Weimar zu Johann Wolfgang von Goethe. 

Dabei sei das Wortspiel `Roma – Amor´ der kurzgefasste Gedanke der Intention Anna Amalias im Hinblick auf Goethe. `Roma – Amor´ gebe im weitesten Sinne Goethes Konflikt tiefgründig-prägnant wieder. 
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Salzwedel 

Noll zeigt anhand einzelner Verse von Goethes "Römischen Elegien" auf, dass dieser Autor sein Leben und Dichten der Verehrung Amors geweiht und seine Geheimnisse der Dichtung anvertraut habe.

Goethe hält sich von Ende Oktober 1786 mit Unterbrechungen bis April 1788 in Rom auf und flieht offenbar vor Anna Amalia, deren "Mätresserich" er möglicherweise in Weimar vor der Romreise war. Vieles deutet darauf hin, wie man Nolls Werk entnehmen kann. Allerdings entsprach besagte "Position" offenbar nicht Goethes Selbstbild. 

Rom sei zu Goethes Fluchtpunkt und schützendem Asyl geworden bis Anna Amalia sich dort ankündigte. Er habe sich ihrem Amor-getriebenen, liebenden Ansinnen nicht gestellt. 

Man liest von Goethes Zeit in Rom, von seiner dortigen Geliebten Faustine und wer sich hinter diesem Namen vermutlich verbarg, lernt schließlich die 21 jährige Mailänderin kennen, der Goethe im Oktober 1787 in Rom begegnete. Man erfährt in der Folge, wann sie in seinen Texten erstmals auftauchte und was sie bei ihm auslöste. 

Goethes Liebesgeschichte in den "Erotica Romana/Römische Elegien" mit diesem schönen Mädchen weise, so Noll, auf eine beiderseits heimliche und "freie" Liebe auf gegenseitiger Anziehung hin.

Offenbar entstand zwischen Goethe und dem Mädchen eine tiefe Liebesbeziehung, verbunden mit einer Intimbeziehung, obschon sie einem anderen Mann versprochen war. 

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Salzwedel
Noll vertieft sich in Goethes Texte und lässt den Leser an seinen Interpretationen Anteil nehmen. Viele Personen aus Goethes Lebenskreis, so auch die Künstlerin Angelika Kaufmann bleiben nicht unerwähnt. Seine Schrift über das "Römischen Karneval" kommt ebenfalls zur Sprache. Diese Schrift soll Goethe der römischen Liebsten gewidmet haben. 

Wie es dann weitergeht mit den beiden, erfährt man auf den Folgeseiten und auch, was die Gründe für die Beendigung der Beziehung waren. Bei allem soll Goethe in Rom erstmals unbeschränkt glücklich gewesen sein, das sei u.a. seinem Lebensrésumé in den Gesprächen mit Eckermann zu entnehmen.

Noll hält die römische Liebste Anna Amalia entgegen.

Im Hinblick auf die Herzogin erläutert der Autor das gemeinsame Interesse an Kunst seitens Goethes und Anna Amalias. Allerdings habe sich Goethe durch die Kunst von Anna Amalia frei machen wollen, wohingegen Anna Amalia über die Kunst und Goethes Künstlerfreunde Goethes Nähe suchte und sich bemüht habe, ihn an sich zu binden. 

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Salzwedel
Auch darüber erfährt man im Buch Näheres und über das, was nach der Italienreise in Weimar geschah. Goethes autobiographischer Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" wird seitens Noll in seinem Werk auch analysiert und zwar im Hinblick auf das Doppelverhältnis Charlotte von Stein und Anna Amalia, die laut der jungen Gräfin Henriette von Egolffstein Charlotte regelrecht hasste. Wer könnte sich hinter den Roman- Figuren Mignon und Philine verbergen? Veit Noll gibt uns Auskunft.

Bei allen Anspannungen, die Goethes nicht monogamen Liebesleben geschuldet waren, gibt es viel Entspannendes im Hinblick auf die Gestaltungskonzeptionen von Gebäuden wie Schloss Tiefurt, Goethes Wohnhaus am Frauenplan, vor allem dem Römischen Haus und der Parkgestaltung in Erfahrung zu bringen, speziell im Hinsicht auf die gegenseitige Beziehung von Goethe und Anna Amalia. 

Die Fülle bemerkenswerter Abbildungen verhilft dazu, den Geist von Weimar zu Zeiten Goethes zu erfassen, sich an der Sinnesfreude Anna Amalias, dokumentiert durch ihre präferierten Kunstobjekte, zu erfreuen und sich zugleich zu erinnern, dass es da ja auch noch dieses Bild in Goethes Wohnhaus gab, jenes mit dem grünen Vorhang mit dem Titel "Die Aldobrandinische Hochzeit". Eine Abbildung davon findet sich im Buch. 

Goethe soll sich in Bezug auf die Deutung des Bildes in Schweigen gehüllt haben. Interessant, was es seitens Veit Noll dazu zu sagen gibt…! 

Der 3. Band "Goethe im Wahnsinn der Liebe" ist alles in allem ebenso spannend zu lesen, wie die beiden Bände zuvor, übrigens auch dann, wenn man nicht alle Originaltexte von Goethe gelesen hat.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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