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Rezension: #Andreas_Bader- Stern

Das Autorenteam Stern/Herrmann befasst sich mit dem Leben des einstigen Staatsfeindes Andreas Baader. Dabei enthalten sich die Autoren im vorliegenden Buch jeglicher subversiver Betrachtungen, sondern schildern die Fakten wertneutral. Damit hat der Text in erster Linie chronistischen Charakter. Aufgrund unzähliger Interviews, Briefe und Gerichtsprotokolle wird versucht ein Persönlichkeitsprofil Baaders zu erstellen und in diesem Zusammenhang bestimmte Facetten der 68er Bewegung zu fokussieren. Das Hauptaugenmerk legen die Autoren allerdings auf die vielschichtige Persönlichkeit Andreas Baaders, den die damalige Presse in einem geradezu Furcht erregenden Licht erscheinen ließ.

War Baader wirklich ein solch gewalttätiges, nur schnelle Autos im Kopf habendes, intellektuell unterbelichtetes, Frauen verachtendes, selbstverliebtes Ekelpaket? Der damalige BKA-Präsident Horst Herold hat sich lange mit der Person Baaders beschäftigt. Er hielt ihn für sehr intelligent und vorausschauend, für den perfekten Guerilla -Kämpfer. Historisch lasse es sich mit dem Rechtsanwalt Mirabeau,dem Vertrauten von Robespierre während der französischen Revolution vergleichen.( S. 172)

Der 1943 geborene Baader wuchs als Halbwaise auf. Sein Vater, ein promovierter Historiker, kam aus der russischen Gefangenschaft nicht mehr zurück. Man erklärte ihn nach dem Kriege für tot. Baaders Vater war nachgewiesenermaßen kein Nazi. Das Einzelkind Andreas war laut dem FAZ- Journalisten Jürgen Busche, der ihn im Stammheimer Gerichtssaal oft erlebt hatte, ein "typisches Produkt einer Frauenerziehung, gut im Beobachten und strategischen Kommunizieren, aber auch im Beschimpfen und Ausnutzen der Schwächen anderer."(S. 207) Busch resümiert , dass der Top-Terrorist kein harter Junge im landläufigen Sinne war und alles andere als ein typischer Macho und auf keinen Fall ein Killer. Dass er sich die Wimpern tuschte, bedeutete laut Busche noch nicht, dass er Dandyallüren hatte. Dazu fehlten ihm die Geduld, das Pedantische des Auftritts und die Akkuratesse, begründet hier der FAZ-Journalist. Bis es zu seiner politischen Ambitionierung kam, schien er in jeder Beziehung jahrelang desorientiert gewesen zu sein.

Baader, der in München aufwuchs, war ein renitentes Kind, das sich früh schon mit den damals autoritären Lehrern anlegt, schulische Leistungen verweigert, oft das Gymnasium (u.a. das Maximilianasgynasium) wechseln muss und schließlich ohne Abitur seinen schulischen Werdegang beendet. Sein ehemaliger Klassenleiter Hötzl diagnostizierte dennoch , dass er eine überdurchschnittliche Intelligenz besitze, fähig sei zu logischem Denken und kritischen Urteilen und seine Phantasie gut entwickelt sei.(S. 31) Was ist schief gelaufen? Wer hat hier versagt? Weshalb musste ein Mensch mit solchen Qualitäten im Alter von 34 Jahren sterben?

Der 19jährige Schönling Baader hatte Freunde in der Schwabinger Bohème (u.a. Holm von Czittritz und den Schauspieler Peter Vogel) und besuchte in München kurzfristig eine Kunstschule. Er spielte mit dem Gedanken Journalist oder Schriftsteller zu werden. Zu diszipliniertem Arbeiten fehlte ihm damals die notwendige Erkenntnis. Aufgrund von Verwicklungen in die "Schwabinger Krawalle" verlässt er München und zieht nach Berlin, wo er einen weiteren Ausbildungsversuch in einer Kunstschule startet. Er lernt 1964 die Malerin Ello Henkel-Michel und deren Gatten Manfred Henkel, ebenfalls ein Maler, kennen und bewohnt von nun an mit dem Ehepaar gemeinsam deren Wohnung. Irgendwann wird er Ellos Geliebter. Baader hält sich zu dieser Zeit in der Berliner Bohème-Szene auf und gibt vor schriftstellerisch tätig zu sein. Versorgt wird er jetzt durch die Einkünfte Ellos, die von ihm ein Kind erwartet. Baaders Tochter Suse wird 1965 geboren.

Zu diesem Zeitpunkt brodelt es schon heftig in der Studentenszene. Aufgebracht durch die Napalmangriffe der Amerikaner auf vietnamesische Kinder und immer mehr verärgert über die erneut in Amt und Würden hockenden Altnazis, kommt es zu den ersten Studentendemonstrationen. Darüber schreibt Stern. Auch bringt er die Schahdemonstration zur Sprache, als der Student Benno Ohnesorg seitens eines Zivilbeamten erschossen wird. Die Empörung über den Tod Ohnesorgs führte zu den Kampfaktionen der Studenten, in der Andreas Baader die Rolle seines Lebens fand.

Stern schreibt von der Kommune 1 und der allmählichen Politisierung Baaders, von der so genannten Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt und dem Beginn der Übertragung von Che Guevaras Konzept der Propaganda der Schüsse auf die Metropolen in Westeuropa. Baaders Ziel war es hier eine Avantgarde-Position einzunehmen. Seine diesbezügliche Selbstinszenierung bezieht er filmischen Vorbildern, wie etwa der "Schlacht um Algier". In der Szene wird er Alain Delon genannt.

Aufgrund der Brandstiftung werden die insgesamt vier Brandstifter verhaftet. Zu diesen zählt auch seine spätere Geliebte und Weggefährtin Gudrun Ensslin. Die Häftlinge verbüßen eine ungewöhnlich hohe Haftstrafe. Dies führt dazu , dass es zu heftigen Protesten kommt und sich die Stimmung im Land immer mehr zuspitzt. Nach der Haftentlassung engagiert sich Baader für das Ende der traditionell repressiven Heimerziehung in der Bundesrepublik, in diesem Zusammenhang lernt er auch die Journalistin Ulrike Meinhof kennen, die sich ähnlich wie Ensslin und andere intellektuelle Frauen der linken Szene diesem Leitwolf mit Sex-Appeal kritiklos unterordnen.

Da erneute Inhaftierung droht, flüchten Baader und Ensslin durch halb Europa, kehren schließlich nach Berlin zurück und gründen 1970, gemeinsam mit den Rechtsanwalt Horst Maler die Rote-Armee-Fraktion. Diese definiert sich als Stadtguerilla und befasst sich zunächst mit Banküberfällen, Waffenkäufen, Einrichten illegaler Wohnungen, Beschaffung von Ausweisdokumenten. Im Mai 1972 kommt es dann zu Bombenattentaten gegen amerikanische Militäreinrichtungen und den Springer-Konzern. Noch im gleichen Monat wird Baader verhaftet. Ausführlich berichtet Jörg Hermann von den dann folgenden Geschehnissen im Gefängnis, den vielen unergiebigen Hungerstreiks, der Veränderung Baaders zu einem auf das Geistige und auf die Schriftstellerei bezogenen Menschen. Der Umzug nach Stammheim und der Besuch Jean-Paul Sartres werden ebenfalls detailliert thematisiert.

Hat es in Stammheim wirklich eine Isolationsfolter gegeben? Wie sahen die Beziehungsmuster der Häftlinge Baader, Ensslin, Raspe, Meinhof und Möller aus? War Baader auch im Gefängnis der Leitwolf? Blieb er der Strippenzieher der RAF trotz der dicken Gefängnismauern? Diesen Fragen geht Herrmann in seinen umfangreichen Ausführungen nach und berichtet spannend von den Prozesstagen, den Verteidigern, zu denen u.a. der spätere Bundesinnenminister Schilly zählte, und zitiert dabei aus den Gerichtsprotokollen.


Das Buch endet mit der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer durch die RAF und die Ermordung des Lufthansakapitäns Schuhmann durch palästinensische Terroristen. Diese hatten eine vollbesetztes Flugzeug gekidnappt, um die Gefangenen von Stammheim freizupressen. Aus gleichem Grund wurde Schleyer gefangengehalten. Eine GSG-9 -Einheit befreite in Mogadischuh die Passagiere. Daraufhin haben sich die Häftlinge von Stammheim (Meinhof nahm sich schon im Vorjahr das Leben) noch in der selben Nacht selbst getötet, weil sie es offenbar nicht mehr ertragen konnten , weiterhin im Gefängnis leben zu müssen.
Dies war schon erstaunlich für den 34 jährigen Andreas Baader, dessen Persönlichkeitsprofil auf einen verstärketen Lebenswillen hinweist. Im Ausland hatte sein Tod damals Spekulationen ausgelöst. Bilden Sie sich bitte selbst ein Urteil darüber , ob die Autoren die Vermutungen und Legenden vollständig ausräumen konnten.


Könnte Schleyer noch am Leben sein, wenn man die Häftlinge rechtzeitig außer Landes verwiesen hätte? War diese Machtprobe notwendig? Hätte man die Gewalteskalation der 2. RAF- Generation verhindern können, wenn man in den 60ern bereits den Dialog mit diesen jungen Menschen gesucht hätte? Lesen Sie dieses Buch, dann werden sie sicher Antworten auf diese Fragen finden.
Empfehlenswert.

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