Die Journalistin Annette Kerckhoff porträtiert in diesem Buch insgesamt 48 Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen, Ordensfrauen und Krankenschwestern, Hebammen, Apothekerinnen und Heilerinnen, sowie Pionierinnen aus unterschiedlichen Ländern, die aufgrund ihrer Beharrlichkeit, Kreativität, Eigeninitiative und ihres Durchhaltevermögens zu Vorbildern all der Frauen wurden, die sich durch Widerstände von ihren Zielen nicht abhalten lassen möchten.
Das Vorwort zum Buch hat Dr. Marianne Koch verfasst und die sechs Seiten umfassende Einleitung stammt von Annette Kerckhoff. Hier erfährt man, dass im alten Ägypten auch Frauen als Priesterärztinnen tätig waren und in Europa seit etwa 300 v. Chr. Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen und Kinder behandeln durften. In Europa auch entwickelten sich im 1. Jahrtausend Klöster, die zu wichtigen Zentren der Heilkunde wurden, in denen man die Werke von Hippokrates und Galen kopierte und übersetzte.
Man liest im 3. Kapitel des Buches Näheres zu Ordensfrauen, wie Hildegard von Bingen (1098-1179), für die Körper, Geist und Seele untrennbar miteinander verbunden waren und sich gegenseitig beeinflussten. Für die Äbtissin bedeutete Gesundheit auch, die eigene innere Haltung zu läutern, d.h. gegen Charakterschwächen anzugehen. Ihr war klar, dass Depression und Dummheit, Jähzorn, Missgunst und Unzufriedenheit den Geist verdürben, auf die Organe abträglich wirkten und schädlich für die Gesundheit seien. Voraussetzung dafür gesund zu bleiben, sei das Bemühen ein besserer Mensch zu werden, (vgl.: S. 71). Interessant auch ist, dass Hildegard schrieb, dass ein maßloser Lebensstil die meisten Krankheiten verursacht. Wie recht sie doch hatte. Man erfährt in diesem Porträt sehr viel über das Denken dieser Ordensfrau, für die die Seele der Dreh- und Angelpunkt war, den man bei jeder Krankheit, jeder Heilung nicht außer Acht lassen dürfe, (vgl.: S.72).
Man lernt im Buch gleich zu Beginn die erste promovierte Ärztin Deutschland kennen. Es handelt sich hierbei um Dorothea Erxleben (1715-1762), die es unter schwierigsten Bedingungen schaffte, ihren Weg zu machen. Friedrich der Große eröffnete ihr nach Bittgesuchen den Weg. Erst im darauf folgenden Jahrhundert dann durfte die erste Frau in der westlichen Welt offiziell Medizin studieren. Elisabeth Blackwell (1821-1910) wollte Frauenärztin werden, nachdem eine Freundin ihrer Familie starb. Es war ein langer Weg bis sie ihre erste kleine Ambulanz in einem ärmeren Viertel von New York eröffnen konnte. Liest man die Porträts anderer Ärztinnen in der Folge, stellt man fest, dass Frauen, die studieren wollten und es dann auch tatsächlich taten, mit großem Misstrauen begegnet wurde.
Es hat mich gefreut, dass man die Schwedin Elsa Brandström erwähnt, die im 1. Weltkrieg aufgrund von ihr in Schweden aufgebauten Hilfsorganisationen die medizinische Versorgung der Kriegsgefangenen speziell in Sibirien damals erheblich verbesserte und auch gefreut, dass man Wissenswertes über Rahel Hirsch (1870-1953), der ersten Professorin Deutschlands für Medizin und auch über das Leben und Werk von insgesamt fünf Nobelpreisträgerinnen für Medizin erfährt.
Das Porträt Katharina Kepplers (1546-1622) hat mich zutiefst berührt. Die Mutter des berühmten Astronomen war eine Heilerin, deren Ruf systematisch demontiert wurde. Die Verleumdungsklage ihrer Kinder scheiterte. Sie sollte als Hexe verbrannt werden. Ihr Sohn legte eine hundertseitige Verteidigungsschrift vor und schaffte es seine Mutter vor der Folter und dem Scheiterhaufen zu bewahren, obschon man ihr die Folterinstrumente bereits vorgelegt hatte, um sie zu einem Geständnis zu bewegen.
Anna Freuds Leben und Werk wird übrigens auch vorgestellt. Sie beschäftigte sich ihr Leben lang mit der Entwicklung von Kindern. 1974 resümiert sie: "Die Anwendung des psychoanalytischen Wissens auf die Kindererziehung ist eine mehr oder weniger anerkannte Tatsache geworden und hat in vielfacher Verkleidung ihren Eingang in die Lehrpläne der Kindergärtnerinnen und Sozialarbeiter gefunden", (Zitat. S.135).
All die Frauen, die man im Buch kennenlernt, waren beseelt davon, ihren Mitmenschen zu helfen. Die Kräuterfrau Hester Jonas (1573-1635) wurde verleumdet, gefoltert und verbrannt. Sie ist ein Beispiel dafür, was mit Kräuterfrauen in der frühen Neuzeit geschah.
Die Psychiaterin Alice Ricciardi- von Platen musste in Österreich hilflos zusehen, wie ihre Patienten im Rahmen des Euthanasie-Programms von den Nazis getötet wurden und verfasste 1948 darüber einen Bericht "Die Tötung Geisteskranker in Deutschland", der erst in dem 1990er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Margarete Mitscherlich, über die man im Buch auch Wissenwertes erfährt und die viele Leser, aufgrund des 1967 erschienen Buches "Die Unfähigkeit zu trauern", das sie gemeinsam mit ihrem Gatten verfasste, kennen, hat u.a. auch das Buch mit dem Titel "Über die Mühsal der Emanzipation" geschrieben. Der Titel des Buches von Mitscherlich könnte im Grunde das Leitmotto für all die 48 Frauen- Porträts sein und es wäre alles andere als an den Haaren herbeigezogen.
Ein interessantes Buch, das ich gerne gelesen habe.
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