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Rezension: Höher als der Himmel- Heldinnen der Berge-Joanna Croston- Callwey


Dieses reich bebilderte Buch mit einer sehr informativen, mehrseitigen Einleitung von Nadani Purandare enthält 20 spannende Geschichten über Bergsteigerinnen. Purandare beginnt ihre Einleitung mit dem Satz: "Im 19. Jahrhundert wurden Frauen in der gesamten westlichen Welt sehr restriktiv behandelt." Da muss man ihr leider zustimmen. Insofern sei Klettern, wie sie meint, ein sinnbildlicher Akt der Befreiung gewesen. Befreiung, aber zu welchem Preis? 

Joanna Croston, die Autorin, nimmt die LeserInnen mit auf die Reise zu den besagten 20 sehr wagemutigen Frauen aus der Bergsteigerwelt. Dabei beginnt sie den Reigen mit Junko Tabei und die Erstbesteigung des Mount Everest durch eine Frau. Diese Japanerin war von 1945 bis 2016 aktiv.

Zwischen der Erstbesteigung des Everest im Jahr 1953 und dem Jahr 1974 hatten es nur sechs Männer geschafft, den 8848 Meter hohen Gipfel zu erklimmen. Man liest von dem schlimmen Lawinenunglück, das Junko Tabei fast daran gehindert hat, ihr Ziel zu erreichen, doch am 16. Mai 1975 stand sie als erste Frau auf dem Gipfel. Der Ehrgeiz hatte sich offenbar gelohnt. Sie wurde als eine der einflussreichsten Frauen des Jahrhunderts anerkannt. 

Neben den Geschichten über die 20 Bergsteigerinnen gibt es jeweils Infos zur Nationalität der einzelnen Bergsteigerinnen, die Geburts- und Sterbedaten und die Jahre, wo sie aktiv waren. Infos aller Art und Fotos vom jeweiligen Berg runden das ab, was notwendig ist, um ohne Wenn und Aber anzuerkennen, dass es hier um etwas geht, was man nicht verstehen muss: Heldenmut und Heldentat. 

Liest man, welchen Strapazen und Erfrierungen darüber hinaus welchem Risiko, bei der Expedition gar zu sterben, sich die Damen aussetzten, wird man nachdenklich, wie man das nennen soll. Große Energieleistung? Ja. Großer Akt der Selbstdisziplin? Ja. Wagemut? Ja. Heldentat? Hier zögere ich. 

Darf man sein Leben für Ruhm und Ehre aufs Spiel setzen? Diese Frage muss jeder für sich beantworten.

Hierzu lese man die Geschichte von Elisabeth Revol, die bei ihrer Tour an der Westwand des Nanga Parbat sich schwere Erfrierungen an den Händen und am Fuß zugezogen hatte, sie schrappte an Amputationen vorbei. Lohnt sich das für Ruhm und Ehre? 

Dennoch oder gerade deshalb: ein absolut lesenswertes Buch mit spannenden Geschichten, tollen Fotos, einem lesenswerten Essay über die Zukunft des Kletterns, einem sehr guten Glossar, einem sogenannten Zeitstrahl, wo man einen historischen Überblick erhält und dazu noch Infos über 15 weitere Bergsteigerinnen.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Onlinebestellung: Callwey oder überall im Buchhandel erhältlich.

Vergessene Heldinnen-Frauen, die Geschichte schrieben- Stefanie von Wietersheim-Callwey


Stefanie von Wietersheim, die Autorin des vorliegenden Buches, ist Journalistin und Bestsellerautorin.

Sie stellt in ihrem Werk 23 Frauen vor, die wir kennen sollten. Wie sie in der Einleitung schreibt, handelt es sich bei diesen Persönlichkeiten um solche, die vor allem "Wandlung" vorangetrieben haben. 

Jedes Porträt umfasst einen spannend zu lesenden biographischen Part. Darüber hinaus gibt es interessante Gemäldeablichtungen oder Fotos zu den fokussierten Personen, zudem jeweils eine Schautafel, die auf bekannte Männer der Zeit verweist, in der die jeweilige Frau gelebt hat. Für Schnellleser sind zudem kurz und prägnant Fakten und Lebensdaten der einzelnen Protagonistin aufgelistet und es gibt zumeist ein Interview, genannt "Stimme aus dem Jetzt", wo ausgesuchte InterviewpartnerInnen erhellend Stellung zu der jeweils in Augenschein genommenen Dame und ihrem Tun beziehen.

Obgleich ich nicht wenige Bücher über namhafte Frauen vergangener Zeiten gelesen habe, kannte ich nur wenige Lebensläufe der Damen, die in diesem Buch vorgestellt werden, natürlich aber die Biografien der Vorbilder für soziales oder politisches Engagement Elly-Heuss Knapp und Annemarie Renger, zweier Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren. 

Sehr spannend finde ich den Lebenslauf der Designerin Madeleine Castaing, die 1992 im Alter von 98 Jahren in ihrem Schlafzimmer starb. Sie hat einen Stil geschaffen, der ihren Namen trägt und befolgte seit 1933 eine Diät, von der anzunehmen ist, dass sie durch diese so alt werden konnte. 

Beeindruckend auch ist der Lebensweg von Doris Zinkeisen, die als erste Künstlerin das KZ Bergen-Belsen betrat, nach seiner Befreiung am 15.4.1945. Dort sei sie auf den Anblick von 13.000 Leichen und rund 60 000 entkräfteten Gefangenen getroffen und malte, was sie sah. Von diesem Alptraum sei sie den Rest ihres Lebens verfolgt worden. 

Lesenswert ist das Interview mit Charlotte Johnson, der Enkelin von Doris Zinkeisen, die erklärt, weshalb ihre Großmutter so lange vergessen war, obgleich ihre Persönlichkeit einst so prominent gewesen sei. 

Das Buch ist ein Geheimtipp für alle, die sich für Frauen interessieren, die auf unterschiedliche Art Geschichte schrieben.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Onlinebestellung:  Callwey oder überall im Buchhandel erhältlich.

Rezension: Widerstände-Jüdische Designerinnen der Moderne- Michal S. Friedländer-Hirmer


Dies ist der gleichnamige Katalog zur Ausstellung "Widerstände-Jüdische Designerinnen der Moderne", die vom 11. Jul. bis 23. Nov 2025 im Jüdischen Museum in Berlin gezeigt wird. Wie Hetty Berg, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, in ihrem Vorwort schreibt, haben zu Beginn des 20. Jahrhundert deutsch-jüdische Frauen mit ihrem schöpferischen Potential ein breites Gestaltungsspektrum bedient, von der Textilkunst über Keramik, Modedesign, Grafik bis hin zur Gold- und Silberschmiede. Mit ihrem Engagement sei es ihnen gelungen, darüber hinaus ihre eigene Emanzipation zu gestalten. Leider fanden, so Berg, die Karrieren dieser Frauen unter dem Nationalsozialismus ein jähes Ende. 

Die Kuratorin Michal Friedländer recherchierte in mehreren Ländern, um auf diese Weise Objekte und Lebenswege zu erhellen. In ihrem Essay "Wege jüdischer Designerinnen" beantwortet sie u.a. ausführlich die Frage "Warum gerieten jüdische Designerinnen in Vergessenheit?" und erörtert die sozio-demografische Situation jüdischer Frauen in Deutschland. Des Weiteren geht es darum, den Unternehmerinnengeist und die berufliche Selbstständigkeit der Jüdinnen in der damaligen Zeit zu beleuchten und schließlich um das "Staatliche Bauhaus" und die private "Schule Reimann", wo 1/3 der Studentinnen jüdisch war. In dieser Schule sei das Kursangebot groß und umfassend gewesen. Zum Mode-, Metall- und Plakatdesign, gesellten sich später zudem Fotografie, Innenraum- und Schaufenstergestaltung. Namhafte jüdische Designerinnen hätten diese Schule besucht und sich anschließend rasch etablieren können, bis zu dem Tage der Machtübernahme Hitlers. Von da an wurden die Frauen verfolgt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. 

Im Buch lernt man 60 jüdische Kunsthandwerkerinnen kennen, erfährt im Rahmen von kurzen Porträts, womit sie sich beschäftigten, liest auch Wissenswertes zu ihrer Ausbildung und ihrem Schicksal in der NS- Zeit. Nicht wenige der vorgestellten Frauen sind sogar fotografisch abgelichtet. Auch Arbeiten der Kunsthandwerkerinnen sind auf Fotos zu sehen. 

So liest man beispielsweise von der ersten Industriedesignerin Deutschlands- sie hieß Paula Straus-, die sich in den 1920er Jahren in einer Männerdomäne etabliert hatte, erfährt auch, dass sie in Auschwitz ermordet wurde.

Man lernt u.a. eine Modezeichnung von Alice Neumann kennen, sie war Absolventin der Schule Reimann, kann auch eine Originalzeichnung von Franziska Schlopsnies bewundern, die als eine der wichtigsten Mode-Illustratorinnen der 1920er Jahre galt. Ein Titelblatt von dem Modeheft "Die Dame", aus dem Jahre 1924 zeigt eine Arbeit Steffie Nathans, auch lernt man auf Fotos wundervoll gestaltete Hüte kennen, Arbeiten der Hutmacherin Regina Friedländer, die in Berlin sich als Modetrendsetterin einen Namen machte. 

Erfreulich zu lesen, sind die Kurzbiografien all jener Kunsthandwerkerinnen, denen es gelang, den Nazis zu entkommen. So etwa die Malerin und Gebrauchsgrafikerin Gertrude Sandmann, die ihr Leben lang für die Emanzipation der Frau stark machte und in einem Versteck der Deportation der Nazis entkam.

Der Ausstellungskatalog hat wahrlich viel zu bieten. Er offenbart die kaltblütige Gesinnung der Nazis und ihr niederträchtiges Tun. Doch in erster Linie ist er eine Hommage an 60 wunderbar kreative Frauen, die Mut hatten, ihr Können  nicht zu verstecken, solange es irgend möglich war.  

Maximal empfehlenswert.

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Rezension: Goethe im Wahnsinn der Liebe- Band 3 : `Roma – Amor´, Veit Noll, Forschungsverlag Salzwedel


Nun also ist der 3. Band zum Thema "Goethe im Wahnsinn der Liebe" des Autors Veit Noll im Forschungsverlag Salzwedel erschienen. Er trägt den Untertitel `Roma – Amor´ und wartet mit einem überaus komplexen, 230seitigen Text, einer Fülle von Bildern, einem übersichtlichen Verzeichnis der Abbildungen und beeindruckend vielen Endnoten, einer ergänzenden Auswahlbibliothek bzw. eines Siglenverzeichnisses sowie dem Inhaltsverzeichnis auf.

Beginnen wir mit dem Cover: Es zeigt Aurora die Morgenröte. Der Autor erläutert dieses Bild ausführlich und dabei interessant und bringt damit zum Ausdruck, worum es in diesem Buch geht: erneut um das problematische Verhältnis der Herzogin Anna Amalia von Weimar zu Johann Wolfgang von Goethe. 

Dabei sei das Wortspiel `Roma – Amor´ der kurzgefasste Gedanke der Intention Anna Amalias im Hinblick auf Goethe. `Roma – Amor´ gebe im weitesten Sinne Goethes Konflikt tiefgründig-prägnant wieder. 
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Salzwedel 

Noll zeigt anhand einzelner Verse von Goethes "Römischen Elegien" auf, dass dieser Autor sein Leben und Dichten der Verehrung Amors geweiht und seine Geheimnisse der Dichtung anvertraut habe.

Goethe hält sich von Ende Oktober 1786 mit Unterbrechungen bis April 1788 in Rom auf und flieht offenbar vor Anna Amalia, deren "Mätresserich" er möglicherweise in Weimar vor der Romreise war. Vieles deutet darauf hin, wie man Nolls Werk entnehmen kann. Allerdings entsprach besagte "Position" offenbar nicht Goethes Selbstbild. 

Rom sei zu Goethes Fluchtpunkt und schützendem Asyl geworden bis Anna Amalia sich dort ankündigte. Er habe sich ihrem Amor-getriebenen, liebenden Ansinnen nicht gestellt. 

Man liest von Goethes Zeit in Rom, von seiner dortigen Geliebten Faustine und wer sich hinter diesem Namen vermutlich verbarg, lernt schließlich die 21 jährige Mailänderin kennen, der Goethe im Oktober 1787 in Rom begegnete. Man erfährt in der Folge, wann sie in seinen Texten erstmals auftauchte und was sie bei ihm auslöste. 

Goethes Liebesgeschichte in den "Erotica Romana/Römische Elegien" mit diesem schönen Mädchen weise, so Noll, auf eine beiderseits heimliche und "freie" Liebe auf gegenseitiger Anziehung hin.

Offenbar entstand zwischen Goethe und dem Mädchen eine tiefe Liebesbeziehung, verbunden mit einer Intimbeziehung, obschon sie einem anderen Mann versprochen war. 

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Salzwedel
Noll vertieft sich in Goethes Texte und lässt den Leser an seinen Interpretationen Anteil nehmen. Viele Personen aus Goethes Lebenskreis, so auch die Künstlerin Angelika Kaufmann bleiben nicht unerwähnt. Seine Schrift über das "Römischen Karneval" kommt ebenfalls zur Sprache. Diese Schrift soll Goethe der römischen Liebsten gewidmet haben. 

Wie es dann weitergeht mit den beiden, erfährt man auf den Folgeseiten und auch, was die Gründe für die Beendigung der Beziehung waren. Bei allem soll Goethe in Rom erstmals unbeschränkt glücklich gewesen sein, das sei u.a. seinem Lebensrésumé in den Gesprächen mit Eckermann zu entnehmen.

Noll hält die römische Liebste Anna Amalia entgegen.

Im Hinblick auf die Herzogin erläutert der Autor das gemeinsame Interesse an Kunst seitens Goethes und Anna Amalias. Allerdings habe sich Goethe durch die Kunst von Anna Amalia frei machen wollen, wohingegen Anna Amalia über die Kunst und Goethes Künstlerfreunde Goethes Nähe suchte und sich bemüht habe, ihn an sich zu binden. 

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Salzwedel
Auch darüber erfährt man im Buch Näheres und über das, was nach der Italienreise in Weimar geschah. Goethes autobiographischer Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" wird seitens Noll in seinem Werk auch analysiert und zwar im Hinblick auf das Doppelverhältnis Charlotte von Stein und Anna Amalia, die laut der jungen Gräfin Henriette von Egolffstein Charlotte regelrecht hasste. Wer könnte sich hinter den Roman- Figuren Mignon und Philine verbergen? Veit Noll gibt uns Auskunft.

Bei allen Anspannungen, die Goethes nicht monogamen Liebesleben geschuldet waren, gibt es viel Entspannendes im Hinblick auf die Gestaltungskonzeptionen von Gebäuden wie Schloss Tiefurt, Goethes Wohnhaus am Frauenplan, vor allem dem Römischen Haus und der Parkgestaltung in Erfahrung zu bringen, speziell im Hinsicht auf die gegenseitige Beziehung von Goethe und Anna Amalia. 

Die Fülle bemerkenswerter Abbildungen verhilft dazu, den Geist von Weimar zu Zeiten Goethes zu erfassen, sich an der Sinnesfreude Anna Amalias, dokumentiert durch ihre präferierten Kunstobjekte, zu erfreuen und sich zugleich zu erinnern, dass es da ja auch noch dieses Bild in Goethes Wohnhaus gab, jenes mit dem grünen Vorhang mit dem Titel "Die Aldobrandinische Hochzeit". Eine Abbildung davon findet sich im Buch. 

Goethe soll sich in Bezug auf die Deutung des Bildes in Schweigen gehüllt haben. Interessant, was es seitens Veit Noll dazu zu sagen gibt…! 

Der 3. Band "Goethe im Wahnsinn der Liebe" ist alles in allem ebenso spannend zu lesen, wie die beiden Bände zuvor, übrigens auch dann, wenn man nicht alle Originaltexte von Goethe gelesen hat.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Matteo Thun Stories-Texte von Sherin Kneifl- Callwey


Auf der Rückseite dieses spannend zu lesenden Werks macht folgende Aussage von Matteo Thun neugierig auf das Buch: "Ich will keine Architekturbibel schreiben. Ich möchte Geschichten erzählen, was mich und meine Arbeit ausmacht."

Es sind übrigens 72 Geschichten, in denen der Südtiroler über seine Architektur, sein Design, seine Werte und Wahrheiten spricht. 

Thun leitet ein Architektur- und Designbüro, wo er sich als eine der einflussreichsten Stimmen und Talente seiner Generation (geb. 1952) etablieren konnte. Den kurzweiligen Texten von Sherin Kneifl, die im Plauderton daherkommen, sind private Fotos, Illustrationen und anderes Bildmaterial beigegeben. Hier liest man eingangs sogleich von dem sogenannten "Bozner Engel", der den Eltern Matteo Thuns zu Beginn der 1950er Jahre finanzielle Sicherheit brachte. 

Dass die Familie adelig ist, bedeutete keineswegs, dass sie die Füße hochlegen konnte. Gute Ideen und viel Fleiß führten dazu, dass seine Eltern und später auch er sich in der Branche einen Namen machten.

Seine Doktorarbeit hatte "Summa cum Laude" zum Ergebnis. Diesem Erfolg gesellten sich im Laufe seines Lebens eine Vielzahl weiterer hinzu, wobei der Zufall auch eine Rolle spielte, z.B. als er 1979 den Designer Ettore Sottas zufällig traf, dem er seinen ersten Auftrag für die Designfabrik Alessi verdankte und hier verschiedene Produkte zu entwerfen, die zu Ikonen wurden. In diesem Zusammenhang lernte Thun übrigens Ideenskizzen anzufertigen. 

Auf den Seiten 50/51 kann man seine Rara Avis Collection, Memphis 1981 bestaunen und liest dazu vorab Wissenswertes, auch, dass sie wenig später von renommierten Museen angekauft und als Modernariat ausgestellt wurde. 

Neben den beruflichen Highlights lernt man immer auch die Sportbegeisterung des Überfliegers kennen, der sich vieles zutraute und getraute in seinem bisherigen Leben. So erzählt er auch von seiner Zeit an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, 1983-2000, von seinen Begegnungen mit Karl Lagerfeld und mit Keith Haring, liest von bemerkenswerten Auftraggebern aber auch von den Objekten, die er für diese schuf, so etwa für Campari und hier von einem speziellen Shaker, der genauer beschrieben wird und den man auf einem Foto näher studieren kann.

Interessant auch finde ich die von Thun kreierte Espresso-Tasse für die Firma Illy, wovon es zwischenzeitlich 500 verschiedene Editionen gibt, Sammlerstücke aber auch das Synonym für den Brand. 

Weitere Erfolge machen Staunen und nachdenklich der Satz des Designers, der da lautet:"Man sieht wie aus Zufällen und dem Irrationalen etwas Großartiges entstehen kann."Fortune ist stets ein guter Anfang, was folgt, ist harte Arbeit und Können, wenn das Ergebnis Erfolg heißen soll.

Doch lesen Sie bitte selbst und staunen, was einen begabten und vielseitig kreativen Menschen ausmacht, so etwa auch die Tatsache, seit 2004 sich in Mailand primär zu Fuß oder per Klapprad zu bewegen wie 90% seiner Mitarbeiter dort und den Autos ade gesagt zu haben. 

Viel Bewegung, bewegt eben auch das kreative Hirn. Die Zeichen der Zeit zu erkennen, setzt ein aufgewecktes Hirn und einen klugen Verstand voraus.  

Matteo Thun hat seine Frau Susanne vor 42 Jahren kennengelernt. Abgebildet ist das Paar auf einem Foto mit ihren Mailänder Fahrrädern. Sehr aussagekräftig für die geistige Haltung, die mehr als nur sympathisch rüberkommt.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Irans Töchter-Leyla Piedayesh, Stefanie von Wietersheim, Neda Rajabi- Callwey


Dieses Buch beginnt mit zwei Fotos, die poetische Facetten Persiens zeigen und an Hafis erinnern: Rosenblätter, ein altes Teppichmuster und eine Schale mit Granatäpfeln. All das ist lange her, weiß man. "Frau, Leben Freiheit!", darum geht es jetzt im Iran. 

Leyla Piedayesh, eine Modemacherin mit iranischen Wurzeln hat das Vorwort zum Buch verfasst. Die Einleitung stammt von Stefanie von Wietersheim, der es darum geht, mit diesem Buch anhand von Texten und Bildern aufzuzeigen, wie 19 Frauen mit iranischen Wurzeln hier in Deutschland ihren Weg gemacht haben und gerade auch deshalb dies für ihre unterdrückten Schwestern im Iran sehnlichst wünschen. Gemeinsam mit all diesen 19 Frauen erhebt sie ihre Stimme für die vielen unterdrückten Frauen im Iran im Sinne des kämpferischen Mottos "Frau, Leben, Freiheit", der feministischen Variante des französischen "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit".  

Alle Frauen im Buch verfolgten die Entwicklung in der Heimat ihrer Eltern "voller Schmerz, Spannung, aber auch mit Hoffnung." Dort kämpften Frauen aber auch Männer gegen Versklavung, Entrechtung, Folter, die Unterdrückung und Kontrolle von Frauen rund um den Globus. Sie kämpften nicht zuletzt gegen Auspeitschung, die Gleichstellung vor dem Gesetz, für Pressefreiheit und für die Rechte der LGTBQIA+-Community. 

Es handelt sich bei den Frauen um sehr gut ausgebildete Personen, deren Biographien man den letzten Seiten des Buches entnehmen kann. 

In den einzelnen Porträts zuvor geht es nicht nur um Familiengeschichten und Politik, sondern auch um Musik, Literatur, Bildende Kunst, Mode, köstliche Speisen, Farben, Gerüche, wie Frau von Wietersheim zusammenfasst und hinzufügend bemerkt, eben um Schöpfungen, die unserer Seele Nahrung geben, in hellen und in düsteren Zeiten. 

Ich habe das Buch nicht chronologisch gelesen, sondern mich beim ersten Blättern auf die Bilderwelt konzentriert, die meine Neugierde auf die eine oder andere Person dann besonders weckte und so am Ende der Lektüre mir die Frage gestellt, weshalb ich so vorgegangen bin. Waren es die Bilder oder die Berufe?

So begann ich mit dem Textstudium bei dem Interview der Photographin und Künstlerin Neda Rajabi. Sie hat alle Protagonistinnen im Buch abgelichtet. Die gebürtige Iranerin offenbart im Gespräch, was für sie als Fotografin bei dem Buch-Projekt wichtig gewesen sei, auch erzählt sie Familiäres, ihre Erfahrung mit Diskriminierung hierzulande, äußert sich aber auch zu persischen Teppichen und schließlich zu ihrer Einstellung zu "Sisterhood". 

Alle Frauen im Buch beeindrucken durch ihre Berufe, die im Iran vermutlich zum Teil für  Frauen undenkbar wären. So etwa der Beruf von Paramida, der Königin der Clubs, die weltweit am DJ-Pult Platten auflegt. Ihr Anspruch in ihrem Job besteht darin, einen persönlichen, weiblichen Vibe rüberbringen, auch wenn Techno als sehr Maskulin gelte. 

Überaus spannend zu lesen ist das Porträt der Journalistin, Moderatorin und Buchautorin Natalie Amri, die seit vielen Jahren bereits aus dem Mittleren Osten für das deutschsprachige Publikum berichtet. Die studierte Orientalistin arbeitete zunächst in Teheran an der Deutschen Botschaft und später bei der ARD. Vor kurzem hat sie in Kassel die Auszeichnung des "Glas der Vernunft" erhalten. Zu den Preisträgern zählen übrigens Hans-Dietrich Genscher und Pavel Kohout. In ihrer Rede habe sie über Mut und Angst gesprochen, Eigenschaften, die nach ihrer Meinung zu ihrem Beruf gehören. Amri wurde, wie sie schreibt, während ihrer Arbeit im Iran mehrfach bedroht und verhaftet, auch wurde ihr die Ausreise verwehrt. Darüber hinaus wurde sie in Eritrea von Schergen in ein Verließ gebracht. Das alles habe sie nur noch mutiger werden lassen. 

Die Schauspielerin und Sängerin Jasmin Tabatabai berichtet u.a., was sie politisiert hat und alle weiteren Protagonistinnen berichten eine ganze Menge Wissenswertes, was sie als freie Menschen auszeichnet, die diese Freiheit auch für ihre Schwestern im Iran möchten. Deutlich wird, dass  jede der Protagonistinnen  auf ihre Art einen Beitrag leistet. 

Alle Frauen verraten dazu noch ein iranisches Kochrezept, was der Emanzipation ja keinen Abbruch tut.

… und wenn die Architektin Apameh Schönauer den Satz "Frauen- Frauenfreundschaften sind" mit den Worten "für mich eine Bereicherung"  beendet,  sagt sie etwas ungemein Wichtiges, weil nur so Solidarität unter Frauen möglich ist. Diese Solidarität ist für die Iranerinnen derzeit das zentrale Mittel, um die feministische Revolution glücken zu lassen. Der Gegenwind ist alles andere als ein laues Lüftchen. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König


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Rezension: Mensch Prantl- Ein autobiographisches Kalendarium- Heribert Prantl- Langenmüller



Der im Sommer 1953 geborene Heribert Prantl war Richter und Staatsanwalt, bevor er 1988 politischer Kommentator und Leitartikler bei der Süddeutschen Zeitung wurde. 25 Jahre lang leitete er dort die Redaktion der Innenpolitik, baute das Ressort "Meinung" auf und war beinahe 10 Jahre hindurch Mitglied der Chefredaktion. Seit dem Frühling 2019 schreibt er als Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung. Darüber hinaus ist er Honorarprofessor an der juristischen Fakultät der Uni Bielefeld und Ehrendoktor der Theologie an der Uni Erlangen. Ausgezeichnet wurde er mit vielen Preisen, die man der Innenseite des Buchumschlags im Einzelnen entnehmen kann. 

Das hier vorliegende Buch bezeichnet er als "ein sehr persönliches und sehr politisches Werk, ein autobiographisches Kalendarium." Nach einem mehrseitigen Vorwort untergliedert Heribert Prantl sein Werk in 12 Kapitel, die er mit den Monaten des Jahresverlaufs assoziiert und hier mit persönlichen Erlebnissen, primär aber mit zentralen politischen Ereignissen, die ihm wichtig sind und sich vor oder während seines Lebens in besagten Monaten ereigneten und auf ihn gewirkt haben, ja vielleicht sogar zu dem Menschen machten, der er heute ist. Eine klassische Autobiographie empfindet er für sich zu peinlich. Ich vermute, weil er erfreulicherweise kein Narzisst ist.

Bei den 12 Themen geht es um Frieden, Demokratie, auch um Menschenwürde, Gleichberechtigung, Migration und Pressefreiheit. Die Analyse und die Diskussion, Abenteuer und Schnurren dieser Themen, so seine Worte, sind mit eigenen persönlichen Erlebnissen verwoben. Zu Beginn eines jeden Kapitels skizziert der Autor stets, worum es geht. Im Januar um den Frieden in unfriedlichen Zeiten, weil am ersten Januar in der römisch-katholischen Kirche der "Weltfriedenstag" gefeiert wird. 

Ich stimme Heribert Prantl zu, wenn er sagt "Es gibt nichts Wichtigeres als den Frieden; es ist hoffnungsvoll, wenn damit das Jahr beginnt. Die Welt braucht Hoffnung." In seinen Überlegungen zum Frieden erwähnt er u.a. den Philosophen Immanuel Kant und dessen Schrift "Zum ewigen Frieden". Dieser Tage twitterte ich übrigens anlässlich des Geburtstags von Goethe dessen Gedanken "Ich bin ein Kind des Friedens und will Friede halten für und für mit der ganzen Welt, da ich ihn einmal mit mir selbst geschlossen habe", und dachte dabei an Heribert Prantl, von dem diese Worte auch stammen könnten, weil bereits das erste Kapitel des Buches auch ihn als Kind des Friedens erkennen lässt. 

Hier schreibt er u.a. über Hass, der für ihn die schlimmste Kraft sei, weil er blind mache. Hass mache andere zu Objekten, die der Befriedigung des eigenen Hasses dienen müssen. Prantl ist der Überzeugung, dass Hass entmenschliche und zudem ansteckend sei, vor allem aber das Morden für eine tapfere Tat halte. Ein friedliebender Mensch hält Hass von sich fern. 

Der Autor weist darauf hin, dass unser Grundgesetz eine sehr friedliebende Verfassung ist, denn sie enthalte ein Friedensgebot, konkret die Verpflichtung, dem Frieden zu dienen. Prantl denkt  in seinem Buch auch über Pazifisten nach und lässt nicht unerwähnt, dass sie trotz des Friedennobelpreises Außenseiter seien und schreibt weiter "aber so randständig wie heute angesichts der akuten Gefährlichkeit von Putins Brutal-Imperialismus waren sie schon lange nicht mehr." Genau so ist es, leider!

Der Jurist hält fest, dass Frieden keine Schmuckvokabel sei, sondern tragendes Prinzip der Verfassung, das als tragendes Prinzip jedoch noch nicht entwickelt worden sei und hier schwenkt der Autor wie immer mal wieder in seinem Buch in seine sehr persönlichen Erinnerungen um, erinnert an seine Großmutter, die wie andere aus seiner Familie und später dann in seiner "peer-group" ihn prägten, seiner inneren Haltung, seinem Denken und seinem Schreiben Vorschub leisteten. Zu dieser inneren Haltung zählt auch die Hoffnung, weil in ihr die Kraft zum Handeln stecke. Hoffnung, so Prantl, verweigere dem Unglück und Unheil den totalen Zugriff. Feinde entfeinden, jetzt und heute, darum geht es und aus der Vergangenheit zu lernen, dass dies möglich sei. 

Bereits das erste Kapitel begeisterte mich so sehr, dass ich die folgenden Abende neugierig weiterlas. Diese Art von Autobiografie kommt ohne Selbstdarstellung aus, nimmt sich immer wieder zurück und zeigt, dass man zu dem wird, der man ist, durch das, was man erlernt und durch andere entgegengenbracht bekommt, letztlich aber wie man dies verarbeitet. 

Immer wieder gibt es einen historischen Exkurs, so auch im 2. Kapitel, das sich mit den Wehen der Demokratie befasst, die Weimarer Republik fokussiert, zurückgeht bis zum Hambacher Fest von 1832 sich erneut in die Weimarer Republik bewegt, von Carl Legien berichtet, der gewissermaßen Urahn der DGB-Vorsitzenden von heute war und zu Beginn der 20er Jahre fürs Erste die junge Weimarer Demokratie rettete. Dann taucht Prantls Onkel Hans in den Reflektionen auf, der 1923 in München auf Hitler schoss als dieser mit anderen die parlamentarische Demokratie stürzen wollte. Auf einen solchen Onkel darf man stolz sein, auch wenn er Hitler nicht ins Jenseits befördert hat aber dies zumindest noch Jahre danach bedauert.

Schon im 3. Kapitel ahnt man, welch Geistes Kind der Autor ist, sofern man ihn noch nicht aus seinen vielen journalistischen Beiträgen kennen sollte. Gleichberechtigung ist ihm wichtig. Er erzählt von Frauen wie etwa Elisabeth Selbert, deren Namen heute kaum noch einer kennt, eine Juristin, der man einst den Kampf für die Frauenrechte nicht verziehen hatte. 

Prantl vergisst auch nicht seine Großmutter, Mutter von 15 Kindern, die trotz ihrer vielen Arbeit, sich Zeit nahm, zahllose Briefe in die USA zu verfassen, um nach ihrem vermissten Sohn zu suchen, einem Soldaten im 2. Weltkrieg. Die Recherchen seiner Großmutter seien sein Initiationserlebnis, der Beginn seiner journalistischen Interessen gewesen. Im Alter von 15 Jahren begann Prantl Artikel für drei Lokalzeitungen zu schreiben.

Der  Jurist ist und war ein Mann der Feder, ein Analytiker mit vielen intellektuellen Interessen, sich für viel Gutes stark machend, weltoffen, neugierig, seine Liebesbeziehungen nicht zu Markte tragend... Sehr sympathisch! 

Er schreibt in seinem Buch auch über seine Beziehung zur Religion und Kirche, verbindet dies mit Ostern, das er in den April positioniert. Der ehemalige Messdiener schreibt über Luther aber auch, dass er Weihrauch mag- noch immer, zudem die Rituale der Heiligen. Prantl sieht vieles, was mit der Kirche zusammenhängt, kritisch, aber er schätzt im Zusammenhang mit der Kirche Begriffe wie Barmherzigkeit, Seligkeit und Gnade, die überall in den Räumen der großen Stille Platz hätten. Er reflektiert in diesem Kapitel zudem den Begriff der Sünde. Sie ist für ihn all das, was Menschen entzweit und verfeindet, all das, was sie vom guten und sinnvollen Leben entfremdet. Was sie allerdings nicht sei, ist eine Moralformel. 

Es ist unmöglich alles im Rahmen der Rezension zu streifen, was Prantl in seinem Buch anführt. Beim Thema Menschenwürde oder der Migration erkennt man den tiefen Humanismus, von dem dieser Autor angetrieben ist, wenn er schreibt. Ich empfehle hier speziell die Seiten 136/137 "Eine Seite für jedes Schicksal", so kann nur ein Mensch schreiben, der mit Herzblut einen wahrhaftigen aufrüttelten Text verfassen möchte und dies auch kann. "Handeln wir, wie wir behandelt werden wollten, wenn wir Flüchtlinge wären.!" Prantl möchte nicht neutral sein, wenn es um Humanität geht und das ist gut so. Für ihn gehört zur Fluchtursachenbekämpfung eine restriktive Waffenpolitik und eine neue Handelspolitik. 

Dann schreibt er noch vom großen Widerstand in der Diktatur und dem kleinen in der Demokratie, seinen Erfahrungen mit unterschiedlichen Politikern sowie mit der Pressefreiheit. Für ihn gilt: "Ein Journalist braucht keine Partei, er braucht Haltung". Er selbst sieht seine Aufgabe als politischer Journalist darin, für die Grundrechte und Grundwerte einzutreten: "Respekt für Minderheiten, soziale Verantwortung, Gleichheit vor den Gesetz". Pressefreiheit ist für ihn eine empathische Freiheit, die aber keineswegs grenzenlos sei. 

Prantl schreibt auch über seine "Heimaten". Schön zu lesen, dass für ihn Heimat "Urvertrauen" sei, das, was Halt gebe. Sie bestehe nicht aus Blut und Boden, sondern sie sei das Bewusstsein, dass man seinen Platz, seine Aufgabe und seine Geschichte habe. Was er damit meint, kann man auf Seite 219ff nachlesen. Soviel nur. Ich stimme ihm zu. Gut wäre, wenn sich Lokalpolitiker seinen Gedanken anschließen und sie tatkräftig umsetzen würden, um der provinziellen Depression entgegenzuwirken. 

Es folgen die Herbstmonate, Prantls letzte Begegnung mit Helmut Kohl, Gedanken zur Deutschen Einheit und seine Überlegungen dazu, dass man damals das Grundgesetz hätte reformieren können. Trauertage im November... Was sie für Prantl bedeuten, kann man in seinem Buch nachlesen. Hier auch liest man über seine Erinnerungen an mit Rainer Barzel. Sehr nachdenkliche Seiten übrigens, die mich berührt haben. Nachdenklich auch seine Gedanken zum Tod und den Tränen und weshalb Trauer nicht nur eine Privatsache ist. 

Was noch? Für Prantl endet da Jahr damit, womit es begonnen hat mit einem Gedanken zum Thema Frieden, der in der Erkenntnis besteht, dass erst ein Perspektivwechsel Frieden ermöglicht. Hoffen wir also auf einen Perspektivwechsel noch in diesem Jahr!

Heribert  Prantl ist ein Kopfmensch, ein feinfühliger Analytiker mit einem großen Herzen, so mein Eindruck nach diesem spannend zu lesenden, lehrreichen Buch.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Picassos Friseur- Monika Czernin, Melissa Müller- Diogenes

Die Autorinnen dieses spannend zu lesenden Buches sind Melissa Müller und Monika Czernin. Frau Müller, in Wien geboren, lebt heute als Schriftstellerin und Drehbuchautorin in München und hat bereits diverse Bestseller verfasst, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden sind. Monika Czernin, eine gebürtige Klagenfurterin, ist eine renommierte Filmemacherin und Autorin. Auch ihre Bücher sind Bestseller. Was noch? Die beiden Frauen haben bereits mehrere Dokumentarfilme gemeinsam realisiert. Das Vorwort zum Buch hat André Heller verfasst. 

Diese Doppelbiografie ist die Geschichte einer Freundschaft und zwar zwischen dem Ausnahmekünstler Pablo Picasso und Eugenio Arias, seinem Friseur.

Eugenio Arias hatte als Widerstandkämpfer im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft und nannte als ausgemachte Leseratte eine beachtliche Bibliothek sein Eigen. Gemeinsam war den beiden Freunden spanischer Herkunft die Liebe zum Stierkampf, die Liebe zur Freiheit und dem Frieden, für den beide sich - jeder auf seine Art- bewundernswert einbrachten. 

Man lernt Eugenio als warmherzigen, humorvollen, unbeirrbaren, unbestechlichen, gradlinigen Menschen voller Lebensfreude kennen, der genau deshalb eine Sonderstellung in Picassos Leben einnahm. Dieser liebte es, wenn sein Freundeskreis aus Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten bestand. Um seinen Tisch versammelten sich, so erfährt man, Intellektuelle, Künstler, Stierzüchter und Handwerker und dieser Personenkreis war auch um ihn herum beim Stierkampf.

Zu Eugenio verhielt Picasso sich generell anders, als zu seinen Frauen und sonstig engen Freunden, bei denen er nicht selten seinen Narzissmus auslebte und überaus verletzend sein konnte. 

Zwischen Arias und Pablo war Augenhöhe angesagt und dies hing damit zusammen, dass Eugenio seine Unabhängigkeit von Picasso schon früh durch sein selbstbewusstes Verhalten verdeutlichte. 

Ihr gemeinsames Interesse- der Stierkampf- ist eines der Hauptthemen des Buches, hier aber auch zu anderen Themen kann man immer wieder auch  Originaltexte- Erinnerungen Eugenios- lesen, die in die Texte der Autorinnen  geschickt eingeflochten sind und begreift  so die Freude der beiden an der Fiesta, die aus heutiger Sicht für Nicht-Spanier nicht nachvollziehbar ist. 

Man liest des Weiteren vom Spanischen Bürgerkrieg, der dazu führte, dass die Freunde ihr Heimatland verlassen mussten, wobei Picasso seinen "acte de résistance" von seinem sicheren Atelier aus führte, während Arias an vorderster Front kämpfte. Picasso begriff die "Kunst als Waffe des Angriffs und der Verteidigung gegen den Feind." Beide hatten sich unabhängig voneinander irgendwann zum Kommunismus bekannt, wobei ihre tiefe Bindung an die Heimat, ihre Sehnsucht nach einem demokratischen Spanien offenbar die unmittelbare Motivation gewesen sei, der Partei beizutreten. So wollten sie zeigen, dass sie sich gegen den Faschisten Franco positioniert hatten. 

Arias sei ein Sozialromantiker gewesen, dazu ein Alltagsphilosoph, der einem gedanklichen Gebilde fern jeglicher realsozialistischer Wirklichkeit anhing. Picassos Gedankengänge seien komplexer gewesen. Darüber liest man auch Wissenswertes. 

Spannend auch das Thema #Guernica. Am 26.4.1937 kostete der Angriff deutscher Flieger dort Hunderten von Menschen das Leben. Man erfährt mehr zu diesem Terroranschlag und zum "wichtigsten Bild der modernen Kunst". Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Arias als Hauptmann in Aragonien gegen Franco. 

Seite für Seite liest man mehr über das, was beide zu dem machte, was sie später waren, liest von den vielen Spaniern, die in Frankreich Zuflucht suchten, aber auch von den 10 000 Spaniern die nach Mauthausen deportiert wurden. 

Man erfährt von der tiefen Mitmenschlichkeit und Großzügigkeit Picassos, der mit den materiellen Erfolgen seiner Arbeit nicht geizte und spanischen Migranten half, wo er nur konnte. Der gesellige Maler soll aus dem Wechselspiel zwischen Geselligkeit und Einsamkeit seine Kraft und Kreativität gezogen, dabei aber wenig Zeit an die Alltäglichkeiten des Lebens verschwendet haben. 

Spannend über die Unterschiede in der Lebenseinstellung der beiden Freunde zu lesen, auch was die Liebe anbelangte. 

Arias lernte von Picasso sehen, liest man und auch, dass er keine Picasso-Ausstellung versäumte. Was sehen lernen im Sinne von Picasso bedeutet, liest man in Erinnerungen von Arias auf Seite 197. 

Dass Eugenio Arias seinem Freund zu Ehren nach dessen Tod ein Museum gewidmet hat, zeigt die Tiefe dieser Freundschaft. 

Ein beeindruckendes Buch, das in die Welt der Kunst führt und begreifbar macht wie facettenreich diese aber die Menschen, die sie schaffen, sein können.  Vor allem zeigt es, dass Freundschaft in Seelenverwandtschaft begründet liegt und viel mit gegenseitigem  Respekt und Wertschätzung zu tun hat.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König 

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Gekommen um zu bleiben- Kerstin Rubel- Callwey

 

Dieser bemerkenswerte Bildband mit Fotos von Ulrike Schacht und informativen Texten von Kerstin Rubel stellt 20 Unternehmerinnen und ihren Traum vom Leben auf dem Lande vor. 

Zunächst lernt man die gelernte Mode-Designerin Theres Glitz-Ehringhausen kennen, die mit ihrem Bruder in Westfalen eine Kornbrennerei übernahm. Dieser bäuerliche Familienbetrieb reicht bis ins Jahr 1237 zurück. Man erfährt, was die beiden unternommen haben, um zwischenzeitlich bis zu 20.000 Liter pro Jahr Kornbrand zu produzieren und mit feinen Edelprodukten aufzuwarten. Ihr Hauptgeschäft tätigen die beiden online, allerdings gibt er auch noch einen kleinen Hofladen, der an vier Tagen geöffnet hat und der wie das Unternehmen selbst, auf Fotos zu sehen ist. 

Spannend zu lesen sind die Infos zum Landleben der Architektin Kerstin Schulz, die gemeinsam mit ihrem Ehemann und Geschäftspartner ihr Wohn- und Bürohaus im Odenwald lokalisiert haben. Man liest, wie sie dort leben und arbeiten und in den Ort integriert sind, landaffine Interessen entwickelt haben und sich in Ortsvereinen engagieren. 

Vorgesellt wird u.a. auch eine Kräuterteegärtnerin Jessica Schönfeld in der Pfalz, die gemeinsam mit ihrem Mann Tee anbaut. Sie berichtet darüber, wie man eine Marktnische findet, eine Marke anbaut und erzählt auch Wissenswertes über ihr Vertriebssystem und so liest man sich durch unterschiedliche bemerkenswerte Viten von Unternehmerinnen, die auf dem Land ihr Paradies haben wahr werden lassen. 

Gefallen auch hat mir das Pilotprojekt von 25 Großstädtern, die testweise ins brandenburgische Wittenberge zogen. Unter ihnen Kata Oldziejewska, über die man Interessantes erfährt und die ihre Erfahrungswerte im Buch weitervermittelt. 

Die politische Journalistin Christiane Kohl, die vormals für den Spiegel und die Süddeutsche schrieb, ist heute Hoteldirektorin. Sie baute das Hotel gemeinsam mit ihrer Schwester auf und engagiert sich u.a. für den "Literarischen Frühling in der Heimat der Brüder Grimm". 

Man staunt über all die Aktivitäten der vorgestellten Damen und hat Gelegenheit mit Stephanie Lange- sie ist Coach für Existenzgründerinnen-, mehr über das WISSEN WIE zu erfahren. In einem weiteren Interview mit Christian Vieth- er ist Geschäftsführer der Stiftung Agrarkultur- erfährt man dann noch Wissenswertes über alte Höfe, die er an Existenzgründer vermittelt. 

Alles in allem ein inspirierendes Buch, das zeigt, dass Neuanfänge - weg von der Stadt- glücklich und zufrieden machen können. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Power- Inspirierende Frauen-Heide Christiansen- Ute Laatz- Callwey


Die Wohnexpertin Ute Laatz hat gemeinsam mit der Fotografin Heide Christiansen dieses reich bebilderte Buch kreiert, in welchem sie 21 Protagonistinnen vorstellen. Es handelt sich dabei um erfolgreiche, kreative Frauen, die intime Einblicke in ihren Alltag und ihr privates Umfeld gewährt haben und von ihrem beruflichen Werdegang berichten. 

Im Rahmen ihrer Homestories lernt man ihre Wirkstätten kennen. Dabei geht es darum, zu zeigen, dass sich das Wesen der einzelnen Personen in ihrer Art zu wohnen niederschlägt. Visualisiert werden textbegleitend tolle Fotos von der stets geschmackvollen Inneneinrichtung der Wirkstätten. 

Dabei zeigen sich die stilsicher gekleideten Protagonistinnen an den Orten des Geschehens. Stets gibt es Tipps und lebensphilosophische Betrachtungen der einzelnen Damen,  mitunter auch Adressen für Einrichtungsempfehlungen und nicht selten bleibt man an Sätzen hängen, die man sofort bejaht, weil man ihren Inhalt auf eigene Erfahrungen beziehen kann:

"Wenn die kreativen Ideen einmal ausbleiben, sollte man sich theoretische Aufgaben oder stattdessen erst einmal einer anderen Arbeit widmen. Meist kommt der Geistesblitz dann von ganz allein."

Hervorgeben möchte ich das Porträt der Farbdesignerin Anna von Mangold, die aufgrund ihrer Experimentierfreudigkeit mit Pinseln und Pigmenten, eine bemerkenswerte Geschäftsidee entwickelte und zwischenzeitlich einem florierenden Unternehmen vorsteht. Eine Frau, mit viel Power und Kreativität!

Junge und nicht mehr ganz so junge Powerfrauen zeigen wie Power Früchte trägt und verdeutlichen, dass die Räume, wo man wohnt und arbeitet, viel über sie selbst aussagen. 

Wie definiert man sich? Wie will man gesehen werden? Wie sieht man sich selbst? Was zeigen diese Selbstbespiegelungen?  Und was bedeutet Power für die einzelnen Damen? 

Jede definiert es ein bisschen anders. Besonders gut gefallen hat mir die Definition der Textildesignerin Stephanie Kahnau. Für sie ist Power ein Synonym für "machen", Träume wahr werden zu lassen und alles dafür zu geben. 

Ein lesenswertes Buch mit spannend zu lesenden biographische Miniaturen und viel Inspiration für Raum- und Lebensgestaltung. 

 Maximal empfehlenswert 

Helga König 

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