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In den letzten Tagen habe ich mich in ein Buch vertieft, das "Goethe-Fans" mit großem Interesse lesen werden. Der Titel "Goethe im Wahnsinn der Liebe - Band 1: Die Flucht 1786" und auch der Stempel "Index verbotener Bücher" machten mich sofort neugierig. 
Dem  rückseitigen Buchdeckel  entnahm ich, dass der Autor Veit Noll Jurist und Familienanwalt ist. Jurist war auch Goethe und in diesbezüglichen Kategorien dachte er nicht selten, auch wenn  nicht wenige Germanisten ihn am liebsten ausschließlich als über den  Wolken schwebenden  Dichterfürsten mit Apoll-Antlitz  sehen wollen. Goethe war beides und  vieles andere mehr aufgrund seiner Interessenvielfalt und damit verbundenen Kenntnissen.  Einen Goethe zu verschubladen ist nicht möglich.
Die Chance eines juristisch vorgebildeten Goetheforschers,  sich in Goethes  Denk- und Handlungsmuster zu vertiefen und dabei etwas Neues ausfindig zu machen,  ist vermutlich  größer als die  Möglichkeit  für einen Germanisten dahingehend auf etwas Unerforschtes zu stoßen,  weil die Fragestellungen eines Juristen einfach andere sind und deswegen vielleicht unbeackertes Feld entdeckt werden kann. Es ist ja eher die Ausnahme, dass sich ein Jurist an das Multitalent Goethe heranwagt.
Die Protagonisten im Buch sind Johann Wolfgang von Goethe (1749- 1832) Charlotte von Stein  (1742- 1827) und  Herzogin Anna Amalia (1739-  1807). 
Goethe war bekanntermaßen ein Frauenliebling und zwar auch von adeligen Damen, die einige Jahre älter waren als er.   Nichts Genaues weiß man über sein Verhältnis zur Herzogsmutter Anna Amalia, die an dem jungen Goethe (er war nur 10 Jahre jünger als sie) offenbar "einen Narren gefressen" hatte. Nach außen sichtbare Gründe waren gemeinsame Interessen an Literatur, Kunst, Musik und Theater. Doch offenbar war da möglicherweise  noch mehr, zumindest bei der jungen Witwe, anfänglich vielleicht auch bei Goethe. Wie Noll herausgefunden hat, scheint  der Umgang dieser beiden Protagonisten bei allen Standesunterschieden  auf jeden Fall betont freizügig gewesen zu sein. 
Dass Goethe in die verheiratete  Charlotte von Stein verliebt war, ist allgemein bekannt und dass die beiden  eine über das platonische hinausgehende Beziehung pflegten, steht für mich außer Frage. Die Briefe Goethes an Charlotte dokumentieren seine innige Liebe zu ihr, zeigen aber auch den Zwiespalt, der sich daraus ergab, weil der Ehemann  Josias von Stein nicht hinweg zu diskutieren war. 
Veit Noll hat  sich in seinen Forschungstätigkeiten ausgiebig mit der Problematik des ehebrecherischen Verhältnisses und des damit verbundenen Skandals zwischen Emilie von Werthern (1757-1844) und August von Einsiedel (1754-1837) befasst und   über diese Schiene Zugang zu  all den  Vorbehalten  Charlottes und auch Goethes, einen ähnlichen Skandal herbei zu führen, gefunden. 
Aufschlussreich auch scheint das Gesamtverhalten Anna Amalias zu sein, die  offenbar ihr Interesse an Goethe verstärkte, sprich "Morgenluft witterte",  nachdem sie bemerkt hatte, dass die Beziehung zwischen Charlotte und Goethe in der Zeit seines Italienaufenthaltes  abzukühlen schien.  Anna Amalia wollte ihrem "Objekt der Begierde"  nach Rom folgen, doch Goethe versuchte sie auf Distanz zu halten...
Die Fülle von Fakten aufgrund von  Textanalysen  hier verkürzt wiederzugeben,  ist unmöglich. Man liest zunächst über Anna Amalias Zuneigung zu Goethe in den frühen Jahren bis zur  Italienreise (1775-1786), die sich als Gegensatz zum Liebesverhältnis zwischen Goethe und Charlotte von Stein offenbart. 
Sehr interessant auch ist es,   über die allgemeinen und juristischen Betrachtungen von Ehe in jener Zeit aufgeklärt zu werden.  Auf Gefühle und Zuneigung kam  es  in einer Ehe nach damaliger Betrachtung und Sitte nicht an, deshalb auch galt eine Ehescheidung  aufgrund von Nichtharmonie  als verpönt, selbst in protestantischen Gegenden. 
In vielen seiner Werke spiegeln sich Goethes Beziehungsprobleme offenbar wieder und das macht Nolls Buch so wichtig, denn der Autor zeigt an Beispielen, nicht zuletzt an der "Iphigenie", die  er  einer akribischen und dabei entlarvenden Textanalyse unterzogen hat, dass Goethe sich in seinen Werken letztlich mit sich und seinem persönlichen Umfeld auseinandersetzt und er damit mit seinem Werk verschmilzt.
Man liest des Weiteren von der  geistigen Hochzeit, die Goethe mit  Charlotte am 12. März 1781  realisierte. Damit  leitete er  von dem ursprünglichen und immer mal wieder aufleuchtenden Wunsch nach dem Verhältnis eines Liebhabers über ein geschwisterliches Verhältnis zu einer "bloß" liebenden geistigen Ehe über.
Der Autor macht die Dreiecksbeziehung zwischen Goethe, Charlotte und deren Ehemann begreifbar und auf welche Art man sich arrangiert hatte. Dabei wird  das Verhältnis  von Charlotte und Goethe vor der Italienreise hervorragend ausgeleuchtet  und man versteht dann auch, weshalb  Charlotte Goethe nicht inkognito  nach Italien begleiten wollte: "Das heilige Band der Ehe war nicht zu verletzten, die Heimat war ihr lebenswichtig."(S.82). 
Die Italienreise Goethes ist ein Thema des Buches und hier  auch das Abschotten des Wahl-Weimarers im Hinblick auf Anna Amalia. Veit Noll  schlüsselt das Verhältnis  Goethes und Anna Amalias durch die  Betrachtung diverser antiker Göttinnen   auf. Hier spielt dann auch Anna Amalias Kunstreise nach Italien eine Rolle.  Die Herzoginmutter identifiziert sich   mit den Göttinnen Diana, Minerva und Juno....
In der Materialsammlung, die den umfangreichen Betrachtungen angefügt sind, finden sich  Gedichte, Regeln, Abbildungen, darunter auch Schattenrisse und handschriftliche Zeugnisse, die im Verzeichnis der Abbildungen näher erläutert werden. Das Bild auf dem  vorderen Buchdeckel  zeigt übrigens ein Deckengemälde des Wittums Palais (Anna Amalias Wohnsitz in Weimar) und scheint an die im Buch zur Sprache gebrachten Protagonisten zu erinnern. 
Dem hier vorliegenden 1. Band folgen weitere, wie der Autor seine Leser wissen lässt, wobei sich der 2. Band dann mit Anna Amalias Italienreise und dem Tasso befasst.
"Goethe im Wahnsinn der Liebe" ist ein spannend zu lesendes Buch, das ich gerne weiterempfehle, weil es  letztlich begreifbar macht, dass Goethe und sein Werk eine Einheit bilden.
Helga König
Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag und können das Buch dort direkt bestellen: http://forschungsverlag.de/. Sie können es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.
Bericht über die Buchpräsentation: http://gastkolumne.blogspot.de/2014/11/jorg-f-nowack-buchprasentation-goethe.html
Interview mit Veit Noll: http://interviews-mit-autoren.blogspot.de/2014/11/helga-konig-im-gesprach-mit-veit-noll.html
Onlinebestellung: Siehe hier buchhandel.de
Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag und können das Buch dort direkt bestellen: http://forschungsverlag.de/. Sie können es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.
Bericht über die Buchpräsentation: http://gastkolumne.blogspot.de/2014/11/jorg-f-nowack-buchprasentation-goethe.html
Interview mit Veit Noll: http://interviews-mit-autoren.blogspot.de/2014/11/helga-konig-im-gesprach-mit-veit-noll.html
Veit Noll: Goethe im Wahnsinn der Liebe.
Bd. 1: Die Flucht 1786.
ISBN: 978-3-9816669-2-2
Hardcover, 386 Seiten, 59 Abbildungen
Ladenpreis 28,50 €
Onlinebestellung: Siehe hier buchhandel.de
 
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