Andreas Platthaus zeichnet in  seiner Herrhausen- Biographie vor allem das berufliche Leben und die  steile Karriere des Bankiers nach. Was den Menschen Alfred Herrhausen  anbelangt, bleiben allerdings viele Fragen offen. 
Die preußisch - protestantischen Tugenden, die für den  Aufstieg des Top - Managers notwendig waren, erlernte der Katholik nach  eigenen Aussagen in einer Nazi - Elite - Schule. Sieht man einmal von  einer deutlich erkennbaren patriotischen Gesinnung ab, die nicht zuletzt  in seinen späteren Reden erkennbar wurde, entledigte sich der junge  Herrhausen offensichtlich schnell seiner unbrauchbar gewordenen, in  Feldafing vormals antrainierten braunen Ideologie, denn er begriff  sofort, dass die junge Demokratie ihm vielversprechende  Entwicklungsmöglichkeiten bot. 
Sein  Abitur machte er in Essen. Anschließend wollte er Phililogie studieren,  weil bei ihm sprachliche und philosophische Neigungen im Vordergrund  standen. Die Studienplätze waren nach dem Krieg allerdings rar. Durch  Zufall gelang es ihm sich ad hoc in Köln im Fachbereich  Betriebswirtschaftlehre einzuschreiben. Nun studierte er zügig. An der  Uni lernte der schöne Alfred seine erste Frau kennen. Sie war die  Tochter Paul Sattlers, des Generaldirektors der Vereinigten  Elekrizitätswerke Westfalen (VEW). 
Der dreiundzwanzigjährige Herrhausen  heiratete Ulla und erhielt als lukrative Mitgift breitgefächerte  Startchancen für sein zukünftiges Berufsleben. Herrhausen war zu  intelligent und wohl auch zu stolz um sich pure Protektion unterstellen  zu lassen, deshalb promovierte er, bevor er den hilfreichen Rückenwind  seines Schwiegervaters zuließ. Er befasste sich in seiner Dissertation  mit der so genannten Grenznutzenlehre. Im ersten Teil seiner Arbeit geht  es um die Bereinigung und Neufassung der Grenznutzenlehre, daran  schließt sich die " Kritik an der mathematischen Grenznutzenlehre" an.  Herrhausen verzichtet bei seiner Doktorarbeit auf jegliche Empirie. 
Er setzt sich rein intellektuell mit dem Thema auseinander  und kommt zu dem elementaren Schluss, dass 50 Prozent der Wirtschaft  Psychologie sind. Herrhausen war in seinen Gedanken stets nahe bei Karl  Popper, indem er - angeregt durch dessen Werk - seit seiner Studienzeit  bis zu seiner Ermordung nach " fehlerfreiem Denken " strebte. Nach  Jahren der Tätigkeit bei der VEW wechselte Herrhausen zur Deutschen Bank  und wurde dort Vorstandsmitglied. Er war derjenige, der durch Firmen-  Fusionen und Aufkäufe die Macht der Deutschen Bank beträchtlich mehrte  und wurde durch seine Überzeugung, dass nur eine gesund funktionierende  Wirtschaft einen politisch und sozial stabilen Staat möglich macht,  später zum wirtschaftspolitischen Sprecher von Helmut Kohl. 
Seine Ehe mit Ulla Sattler scheint offenbar sehr schwierig  gewesen zu sein. 1974 lernte er seine zweite Frau Traudl Baumgartner  kennen. Sie war die Tochter eines Ordinarius für Chirurgie an der  Universität in Innsbruck. Auch diesmal sind die Verbindungen des neuen  Schwiegervaters bemerkenswert und bringen ihm berufsfördernde Kontakte,  so etwa zum Fürsten von Liechtenstein. Der erzkatholische Grandseigneur  der Deutschen Bank Josef Abs war nicht erfreut über Herrhausens  Scheidungsabsicht, stand dem Eheabtrünnigen aber schließlich aufgrund  von dessen herausragendem beruflichem Können in seinen  Karriereambitionen dann doch nicht im Wege. 1988 wurde Herrhausen  alleiniger Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Über Herrhausens  Bankgeschäfte, so etwa über seine Bemühungen innerhalb der Abteilung  Konzernentwicklung und in diesem Zusammenhang von der Übernahme des  Flick- Konzerns durch die Deutsche Bank schreibt Platthaus ausführlich. 
Auch über Herrhausens Engagement für Eliten, über seine  vielen Beraterposten und über sein Interesse an der Kunst- Szene lässt  sich der Autor aus. Schließlich thematisiert der Verfasser Herrhausens  letztes großes Projekt: den Erlass der Schulden so genannter  Entwicklungsländer. Mit diesem Projekt machte sich der weitsichtige  Bankier nicht nur Freunde! Als Herrhausen unmittelbar nach der Wende mit  seinem Auto in Bad Homburg in die Luft gesprengt wurde, war man sich  nicht sicher, ob tatsächlich die RAF hinter dem Anschlag stand oder aber  der CIA. Die Täter wurden nie gefunden, doch Herrhausens Nachfolger im  Amt Hilmar Kopper und der damalige Innenminister Schäuble waren sich  einig in der Annahme, dass die Täter einer neuen Generation der RAF-  Terroristen entstammten und Verschwörungstheorien jedweder Art verworfen  werden müssten. 
Alfred Herrhausen war in seinem Leben  ein beeindruckender Aufstieg gelungen. Er hatte viel gearbeitet und  wusste seine Beziehungen sehr zielorientiert einzusetzen. Liest man  zwischen den Zeilen, so ahnt man, das Alfred Herrhausen sehr einsam  gewesen sein muss. Sein engster Vertrauter war sein Fahrer Jakob Nix.  Sein intensivster mentaler Austausch fand brieflich und telefonisch in  seinen letzten Lebensjahren mit der jungen Philosophiestudentin Tanja  Neumann statt. Diese aufschlussreichen Verbindungen sind dem Autor  leider nur eine Randbemerkung wert. Vermutlich vermochten aber genau  diese beiden Menschen Alfred Herrhausen das zu geben, was er für seine  innere Zufriedenheit wirklich brauchte. Warum Platthaus so wenig über  Herrhausens Rolle und Engagement als Vater schreibt, bleibt  unverständlich. Dennoch ist das Buch in seiner Gesamtheit natürlich  empfehlenswert. 
Helga König
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Alfred Herrhausen: Eine deutsche Karriere von Andreas Platthaus (1. August 2007) TaschenbuchHelga König
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